[rak-list] Re: Rezension von Frau Wiesenmüller zur RDA-Übersetzung

Bernhard Eversberg ev at biblio.tu-bs.de
Fre Jan 10 08:44:28 CET 2014


Am 09.01.2014 16:46, schrieb Thomas Berger:

> Mir ging es in meinem Beitrag von vorhin vor allem um die
> Parallele, dass hypertrophe Ansetzungsregeln einer known-item-
> search dieselben Probleme bescheren koennen, die man eigentlich
> nur bei der thematischen Suche erwartet hat: Das Bestreben
> nach besseren "Ansetzungen" kreiert ein deskriptives Vokabular
> der normierten Personenansetzungen und normierten Titelfassungen,
> das schnell zu weit von meinem Kenntnisstand ueber das fragliche Item
> abweicht um noch verlaessliche Zugriffe zu garantieren.
>
Heißt das, Sie plädieren für Wischiwaschi-Ansetzungen, weil man
die besser intuitiv erraten kann? Oder was genau schlagen Sie
konstruktiv vor?
Die Ansetzung ist doch nicht alles. Mit "verläßlicher Zugriff" ist
nicht gemeint, daß sich das System auf meine präzise Kenntnis der
Ansetzung verlassen können sollte, sondern Ansetzung dient der
Zusammenführung des Zusammengehörigen. "Diente", können Sie zwar sagen,
denn heute sollte das eine URI leisten. Ja, aber die muß man auffinden,
die kann der Nutzer gleich gar nicht erraten. Und das Auffinden muß eine
Software unterstützen, die dazu nicht allein die Ansetzung heranzieht,
sondern auch die anderen erfaßten Namensformen, etwa die Vorlageform,
und geschickte Algorithmen oder, horribile dictu, alphabetische
Register zum Auswählen des richtigen Namens, falls jemand so etwas noch
will. (Können wir fordern, daß er das *nicht* wollen sollte?)


> Und, bei einer thematischen Suche (warum nicht ueber Titelstichworte)
Diese zündende Idee hatte man schon in Bochum ab 1970, und ich selber
babe als Student dort den KWOC-Katalog am meisten genutzt und geschätzt.
In Bochum aber erkannte man auch bald die Fußangeln und Fallstricke,
die den Stichwortzugriff als verläßlichen Sachzugriff disqualifizieren.
Und man kam zur Verschlagwortung.
Mit den heutigen ALL-Zugriffen über den Einwurfschlitz kombinieren
wir doch längst beides, ohne noch irgendeinen Versuch, dem Endnutzer
die Hinter- und Abgründe klarzumachen. Einen richtig guten Dienst
tun wir damit aber nicht, eine richtige Profession sollte darüber
hinausgehen können. Schaffen wir nicht, da haben Sie recht.

> erwarte ich u.U. Genau Das Buch, weil ich naemlich wenig Zeit habe
> und morgen schon ein Referat halten muss.
Das können Sie gerne erwarten, aber 90%ig kriegen werden Sie's nicht
mit noch so viel künstlichem Intelligenzaufwand. Damit bleibt immer
ein nicht unsignifikanter Rest. Aber nochmals: es geht nicht um
ein entweder-oder, wir können zusätzlich neue Techniken einsetzen
und tun das bereits. Weisen Sie schlüssig nach, daß das reicht, und wir
sind sofort bei Ihnen.

> Und bei der known-item-
> search (gerne ueber Titelstichworte)
Auch das machen wir ständig, stillschweigend davon ausgehend, daß
wir die richtige Schreibweise wissen. Gerade für die Behandlung der
Titelstichwörter brauchen wir Indexierungsregeln, wie es die zitierte
KOBV-Studie vorgeschlagen hat. Und auch damit ist nicht alles
erschlagen.  Schauen Sie mal als Beispiel, wie viele Einträge Sie unter
"selbstständig?" bzw. "selbständig?"  finden, oder unter "demograf?"
bzw. "demograph?" oder sonst was mit "graph" bzw. "graf?" oder
"...potenzial?" bzw. "...potential?". Marginalitäten? (Und das
ist jetzt kein Argument für Indexierungsregeln, sondern gegen die
Verläßlichkeit des Stichwortzugriffs.)

> ... bin ich gerne bereit, mehrere
> Treffer zu akzeptieren und sogar, dass das Item, das ich im Sinn
> hatte, gar nicht darunter ist: Ich darf mich doch umentscheiden
> und beschliessen, dass ich auch die deutsche Uebersetzung oder
> die neueste Auflage nutzen will, ...
Alles völlig unbestritten und hier nicht das Thema, wie Sie dann
selber zugeben:

>
> Aber zurueck zum Thema: Wenn ich vorhin "eindimensional" gedacht
> habe, wie Sie mir vorwarfen, dann lag es daran, dass ich zugegebener-
> massen dem FISO-Ansatz zu sehr verhaftet bin, und /nur/ Dinge
> im Sinn hatte, die als known-item-search in einem leicht erweiterten
> Sinn anzusehen sind. Und auch dort - ich wiederhole mich - laufen
> Ansetzungen und Indexierungsregeln Gefahr, Teil des Problems
> zu werden, zu dessen Abschaffung sie angetreten sind.
>
Also keine Indexierungsregeln, basta? Oder andere? Werden Sie mal
konkret und konstruktiv.

Aber berücksichtigen Sie, daß wir hier nur Scheingefechte führen.
Die Weichen stellen andere. Die Politik hat Sachzwänge gesetzt,
der Kurs ist alternativlos.

B.E.