[rak-list] Re: Rezension von Frau Wiesenmüller zur RDA-Übersetzung

Thomas Berger ThB at Gymel.com
Don Jan 9 16:46:59 CET 2014


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Lieber Herr Eversberg,

>> Das bedeutet mir nichts: "Sachliche Suche" besteht darin, als
>> Benutzer das Vokabular der Beschreibungssprache zu antizipieren
>> und damit irgendwelche Datenbankanfragen zu versuchen. Das
>> hat seine eigenen Tuecken, denn selbst in Kenntnis des SWD-
>> Satzes bekomme ich zu oft keine Vorstellung davon, was
>> gemeint sein koennte, ...
> Das wissen wir doch. Wir können immer nur unvollkommene Lösungen
> erreichen, aber wenigstens Approximationen. Während das, was Sie
> mit von Sinn und Inhalt aabgehobenem Technokraten-Klimbim und Pseudo-
> Relevanz und dergleichen schaffen, immer nur Korrelationen sein können.
> Das ist was anderes, wie ich Ihnen sicher nicht erklären muß.
> Die von mir genannten Ziele verfehlen Sie ganz gewiß, wenn Sie
> sich darauf beschränken. Es geht doch aber nicht um ein Entweder-
> Oder! Natürlich können wir auch Suchmaschinenmethoden einschließen,
> ohne hergebrachte und bewährte Konzepte ausschließen zu müssen.
> Das haben wir sogar mit allegro demonstriert, falls Ihnen das
> was sagt.
> 
>>
>> Und "known item search" heisst, dass ich mit sicher bin, dass
>> es (mindestens oder genau?) einen Treffer geben muss und so
>> lange nicht locker lasse, bis ich den aus der Datenbank
>> herausgekitzelt habe.
> 
> Es geht bei der "verläßlichen Suche" um Schnelligkeit, mit möglichst
> wenigen Versuchen. Ich sagte nicht, stets mit genau einem Versuch.
> Weisen Sie nach, daß das unwichtig ist, und wir verzichten drauf.

Ich habe dazu gerade Lee, Renear & Smith: "Known-Item Search: Variations on a
Concept" von 2006 gefunden, DOI: 10.1002/meet.14504301126
< http://eprints.rclis.org/8748/1/Lee_Known-Item.pdf >, das davon
einige Aspekte durchdekliniert und auch mehrfach darauf hinweist,
dass diese Dichotomie in der Literatur bereits in den 1970er
Jahren in Frage gestellt worden ist...

Mir ging es in meinem Beitrag von vorhin vor allem um die
Parallele, dass hypertrophe Ansetzungsregeln einer known-item-
search dieselben Probleme bescheren koennen, die man eigentlich
nur bei der thematischen Suche erwartet hat: Das Bestreben
nach besseren "Ansetzungen" kreiert ein deskriptives Vokabular
der normierten Personenansetzungen und normierten Titelfassungen,
das schnell zu weit von meinem Kenntnisstand ueber das fragliche Item
abweicht um noch verlaessliche Zugriffe zu garantieren.

Und, bei einer thematischen Suche (warum nicht ueber Titelstichworte)
erwarte ich u.U. Genau Das Buch, weil ich naemlich wenig Zeit habe
und morgen schon ein Referat halten muss. Und bei der known-item-
search (gerne ueber Titelstichworte) bin ich gerne bereit, mehrere
Treffer zu akzeptieren und sogar, dass das Item, das ich im Sinn
hatte, gar nicht darunter ist: Ich darf mich doch umentscheiden
und beschliessen, dass ich auch die deutsche Uebersetzung oder
die neueste Auflage nutzen will, etwa weil ich vorher gar nicht
wusste, dass die existiert oder weil ich die Geduld verliere und
nicht auf Rueckgabe warten oder in eine andere Stadt fahren mochte.
Uebrig bleibt als Unterscheidung also nur "known item" im Wortsinne,
der Benutzer glaubt, dass eine gewisse Ressource existiert, glaubt
dass sie/er diese ueber diesen Katalog erlangen kann und glaubt sich
an gewisse Attribute (Verfasser, Titel) hinreichend gut zu erinnern,
um damit das System bedienen zu koennen. Wenn's klappt ist er
ueberzeugt davon, die gesuchte Ressource anhand der gelieferten
Beschreibung erkennen zu koennen, falls mehrere Resultate erscheinen.
Umgekehrt die thematische Suche: der Benutzer glaubt, dass gewisse
Ressourcen existieren, glaubt dass sie/er eine geeignete ueber diesen
Katalog erlangen kann und glaubt, gewisse Attribute (Verfasser,
Stichwort) hinreichend gut zu praejudizieren, um damit das System bedienen
zu koennen. Wenn's klappt ist er ueberzeugt davon, eine oder mehere
geeignete Ressourcen anhand der gelieferten Beschreibung auswaehlen zu
koennen, falls ueberhaupt ein Resultate erscheint. Beides also FRBR-
FISO, wie es aehnlicher nicht sein koennte. Karen Coyle aeusserte
uebrigens in <
http://kcoyle.blogspot.de/2007/02/i-have-long-had-hard-time-with-frbr.html >,
das FISO fuer ihr Verstaendnis ohnehin nur known-
item-searches abdeckt, richtig innovative thematische oder sonstwie
im Gegensatz dazu stehende Zugangsstrategien auf den Katalog also
irgendwie anders ablaufen sollten...

Aber zurueck zum Thema: Wenn ich vorhin "eindimensional" gedacht
habe, wie Sie mir vorwarfen, dann lag es daran, dass ich zugegebener-
massen dem FISO-Ansatz zu sehr verhaftet bin, und /nur/ Dinge
im Sinn hatte, die als known-item-search in einem leicht erweiterten
Sinn anzusehen sind. Und auch dort - ich wiederhole mich - laufen
Ansetzungen und Indexierungsregeln Gefahr, Teil des Problems
zu werden, zu dessen Abschaffung sie angetreten sind.

viele Gruesse
Thomas Berger
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