[rak-list] Personennamen: von RAK zu RDA

Margarete Payer payer at hdm-stuttgart.de
Don Feb 21 12:26:51 CET 2013


Lieber Herr Berger,

herzlichen Dank für Ihre ausführlichen Bemerkungen (obwohl ich die Angabe
des Subjects vergessen hatte).
Ich muss mein Beispiel "Bibiana" ändern in "Bibiana, Heilige, ungefähr
352- ungefähr 367", denn laut Anlage E wird "Heilige(r)" nicht in Klammern
gesetzt, die Angabe "Geist" aber in Klammern. Vielleicht weil "Heilige(r)"
üblicherweise mit einem Namen verbunden ist, "Geist" aber eine Erklärung
ist so wie "Kater" zu einem Tiernamen?
Bei dem Beispiel "Augustinus" muss ich 9.19.1.2 mit der Korrektur vom
31.1.2013 angeben statt fälschlich 9.19.1.4.

Die Fürstennamen ("royal houses") haben wohl deshalb soviel Gewicht in der
RDA, weil Briten am Regelwerk beteiligt sind: ist mühsam.

Schöne Grüße
Margarete Payer

> Liebe Frau Payer,
> ich finde die Gegenueberstellung enorm aufschlussreich.
>> da sich jetzt ja alle in die RDA vertiefen müssen, habe ich versucht einer
>> Auswahl von RAK-WB-Regeln zu Personennamen die entsprechenden Regeln
der
>> RDA zu zu ordnen und Beispiele zu bringen.
>> Da ich mir bei einigen Lösungen recht unsicher bin, wäre es prima, wenn
jemand sich das mal anschaut.
>> Ich habe auch versucht, die Optionen und Alternativen, die das
Regelwerk
>> anbietet, mit einzubauen. Die Änderungen zur RDA vom 31.1.2013 habe ich
beachtet, auch einige Festlegungen der Library of Congress.
>> Zu Grunde gelegt habe ich das entsprechende Kapitel meines
>> RAK-WB-Skripts.
>> Den Versuch findet man: http://www.payer.de/rda/rdapersonen.htm
> Ich will einmal zusammenfassen, was ich bislang verstanden zu haben glaube:
> Die RAK bildeten Ansetzungen als Zeichenketten, bestehend aus der
normierten Namensform gefolgt von der eventuellen Ordnungshilfe, bestand
diese aus mehreren Teilen, galt eine bestimmte Reihenfolge (Beinamen,
ansonsten normierte Lebens- oder Wirkungsdaten, dann erst Beruf etc.
falls immer noch eine Unterscheidung noetig). Ein konkretes Beispiel, wo
die Ordnungshilfe mehr als eine Komponente enthaelt, ist mir nicht
gelaeufig.
> RSWK-Ansetzungen, die einem Individualisierungszwang unterlagen, hatten
hier eine andere Reihenfolge, naemlich Beruf (sorry: Weite normierte
Berufs- oder Taetigkeitsbezeichnung), dann Lebensdaten falls weitere
Individualisierung erforderlich.
> Die Individualisierungsrichtlinie von 2006 hat versucht, diesen
> Knoten (unterschiedliche Vorzugsreihenfolgen der individualisierenden
Elemente je nach Verwendungskontext) zu zerschlagen. Wichtig ist dabei
vor allem, dass zur Person weitere *Daten* gesammelt werden, ohne dass
diese unbedingt, und insbesondere auch nicht zwingend vollstaendig und
in einer vorgeschriebenen Reihenfolge, auf die *Ansetzung* als
> Zeichenkette durchschlagen. Ein Katalog kann also weiterhin mit
"Schiller,
> Friedrich ¬von¬" agieren, obwohl Lebensdaten, Beruf(e), Geschlecht,
Geburts-, Sterbe- und Wirkungsort bekannt sind.
> Die RDA arbeiten nun einerseits die Namensbestimmung heraus und geben
die weiteren individualisierenden Datenelemente an, haben dann aber in
9.19 Regeln, die die Reihenfolge bei der Bildung der Ansetzung
determinieren:
> An den bevorzugten Namen (modifiziert durch diverse in 9.2.x
> eingestreute Regeln, nicht nur zur Namensinvertierung) schliessen sich
an
> zwingend: 1. Titel (sofern vorhanden)
> optional: 2. Lebensdaten, 3. aufgeloeste Initialen, 4. Wirkungsdaten
falls keine Lebensdaten, 5. Beruf/Taetigkeit
> Bezueglich der Syntax, mittels der diese Bestandteile zur
> Ansetzungszeichenkette zu kombinieren sind, scheint man allerdings die
Regeln nicht formuliert zu haben, die Beispiele zumindest im deutschen
Uebersetzungsentwurf sind uneinheitlich: ", Heiliger"
> aber " (Geist)", Taetigkeiten wohl meist ebenfalls in runden Klammern.
Vgl. MARC21, Unterfelder werden ueblicherweise in alphabetischer
Reihenfolge erfasst und dargestellt?:
> $a - Personal name (NR)
> $q - Fuller form of name (NR)
> $b - Numeration (NR)
> $c - Titles and words associated with a name (R)
> $d - Dates associated with a name (NR)
> $g - Miscellaneous information (NR)
> $j - Attribution qualifier (R)
> $u - Affiliation (NR)
> (ueblicherweise wird alles mit Komma aneinandergereiht, die sind aber
MARC-typisch im vorausgehenden Unterfeld explizit erfasst.
> Zwischen Namen und Zaehlung eher keine Interpunktion, vollstaendige
Namen in runden Klammern)
> Name $a und Zaehlung $b gehoeren nach RDA zum bevorzugten Namen (in
seiner
> erfassten Form), der Rest sind individualisierende Angaben die zur
Ansetzung
> beitragen.
> Damit also etwa:
> $a Augustinus, von Hippo ist der /bevorzugte Name/,
> $c Heiliger ein /verpflichtendes/ Datenelement fuer die Ansetzung, $d
354-430 ein optionales Datenelement
> (in der deutschen Uebersetzung noch(?) ohne Beinamen, dafuer mit
religioesem Titel als
> $a Augustinus
> $c Heiliger, Bischof von Hippo
> $d 354-430
> )
> oder
> $a Napoleon
> $b I.          (oder "I"?)
> $c Frankreich, Kaiser   (oder "Kaiser der Franzosen"?)
> $d 1769-1821
> Interessant ist Ihr Louis-Ferdinand-Beispiel, nicht nur im Hinblick auf
die RDA sondern auch auf die existierenden Regelwerke: In Folge des
Endes der Monarchie in Deutschland waehlten die Mitglieder des Hauses
Hohenzollern den buergerlichen Nachnamen "Prinz von Preussen" (bzw.
"Prinzessin von Preussen" fuer die weiblichen Mitglieder), wobei sie
spaetestens dann den Namen "Hohenzollern" abgelegt haben duerften. [Sie
blieben aber "adelig", denn anders als in Oesterreich wurde in
Deutschland der Adel nicht abgeschafft, sondern nur seiner Privilegien
entkleidet]
> Die von 1944 bis 1977 gelebt habende Person hiess also "Louis Ferdinand
Prinz von Preußen". Lt. Vorlage hat sie sich aber als "Prinz Louis
Ferdinand von Preußen" bezeichnet und damit die Namensform "Louis
Ferdinand von Preußen" nahegelegt und wir unterstellen einmal, dass der
Herr das weitestgehend so getan hat. Die RAK haben alle Adelsraenge
wegnormiert (die Praedikate "von" etc. aber belassen), Ansetzung daher
stets unter "Preußen, Louis Ferdinand ¬von¬", egal ob vor 1919 (Titel)
oder nach 1919 (Bestandteil des Nachnamens).
> Nach RDA haben wir folgende Kandidaten fuer die Ansetzung (beide eben
diskutierte Namensverwendungen enthalten ja "Prinz"):
> 9.2.2.13 scheint nur fuer individuell abgedankte Herrscher zu
> gelten, nicht fuer abgeschaffte? Ansonsten kann aus "Prinz ..."
> ein "fungierender" Nachname "von Preußen" abgeleitet werden,
> bevorzugter Name also "Louis Ferdinand von Preußen" erfasst als
"Preußen, Louis Ferdinand von". Nach 9.4.1.5 waere nun fuer die Bildung
der Ansetzung noch der Titel zu ergaenzen, entweder
> "Prinz" oder "Prinz von Preussen" (der /Adels/titel ist eigentlich
"Prinz", als "Titel der Person" kommt m.E. nur ein persoenlicher Titel,
etwa bei Regierenden infrage (wir sind hier bei 9.4.1.5,
> nicht bei 9.4.1.4!, im Vereinigten Koenigreich ist es ueblich,
> dass etwa der Sohn des Herzogs von X einen persoenlichen Titel
> Graf von Y traegt, bis er selber zum Herzog aufrueckt):
> $a Preußen, Louis Ferdinand von $c Prinz $d 1944-1977.
> 9.2.2.14 duerfte stets einschlaegig sein, "Prinz von Preussen" ist ein
Fall von "Adelstitel im Namen" (auch wenn es kein Titel der
> konkreten Person ist).
> [9.2.2.14 Fall b) halte ich fuer wenig zielfuehrend, die Person ist im
Nachschlagewerk evtl. nicht unter ihrem behaupteten Titel
> "Prinz von Preussen" verzeichnet, sondern unter ihrem buergerlichen
Namen "Prinz von Preussen", wer weiss das schon so genau ...]
> "Prinz ... von Preussen" wuerde auf den bevorzugten Namen erfasst als
"Preußen, Louis Ferdinand, Prinz von" ("Preussen" ist der "Eigenname im
/Titel/") fuehren (rueckgeschlossen: Der bevorzugte Name waere also
"Louis Ferdinand[,] Prinz von Preussen" gewesen, damit die Regel greift,
das ist pikanterweise zumindest im Fall ohne Komma genau nicht die Form,
die hierzulande das Prinzliche als Seinsform im Gegensatz zum
> buergerlichen
> Namensbestandteil betont. Hier ist insgesamt ein Problem, weil 9.2.2.14
nur die zu erfassende Form des bevorzugten Namens spezifiziert, dabei
bleibt der eigentliche bevorzugte Name im Ungefaehren: Mehrere Varianten
sind moeglich). Da nur Urenkel des letzten Kaisers, ist kein
> "koeniglicher Titel" nach 9.4.1.4 zu bestimmen, 9.4.1.5 interpretiere
ich
> so um, dass "Prinz" oder "Prinz von Preussen", zwar nicht *erstes*
Element
> der /Erfassung/ des bevorzugten Namens ist, aber durchaus komplett im
bevorzugten Namen enthalten ist und daher nicht noch einmal ermittelt
wird.
> Denn sonst kaemen wir zur Ansetzung
> $a Preußen, Louis Ferdinand, Prinz von $c Prinz [von Preußen] $d
1944-1977
> die mir ziemlich merkwuerdig anmutet. Mit der Uminterpretation also $a
Preußen, Louis Ferdinand, Prinz von $d 1944-1977
> Das ist in Kenntnis der politischen Situation in Deutschland wie gesagt
ein Anachronismus, reflektiert aber treu den durch die Formulierung
"Prinz
> ..." behaupteten Anspruch, Traeger eines Adelstitels zu sein.
> Der buergerliche "Louis Ferdinand Prinz von Preussen" hingegen entgeht
moeglicherweise den Regeln von 9.2.2.14 a) da er unter seinem Nachnamen
"Prinz von Preussen" auftritt, hier ist der bevorzugte Name also "Louis
Ferdinand Prinz von Preussen" erfasst als "Prinz von Preussen, Louis
> Ferdinand" und wir brauchen diesmal keine Uminterpretation von 9.4.1.5
um ein doppeltes "Prinz" zu vermeiden:
> $a Prinz von Preussen, Louis Ferdinand, $d 1944-1977
> Das "hindeutet" in der deutschen Fassung von 9.4.1.1 halte ich fuer
einen moeglichen Uebersetzungsfehler ("indicates" im Original?). Die
Crux ist hier, dass in Deutschland seit 1919 die Personen immer noch
"adelig" sind und ihre ehemaligen (Rechts-)titel im Namen fuehren, ein
"Titel der Person" existiert aber strenggenommen nicht mehr, bzw. nur in
adelsaffinen Kreisen (Wir sind m.W. auch Exportweltmeister im Bereich
ebenbuertiger Braeute fuer den europaeischen Hochadel). Der Vater der
fraglichen Person war allerdings tatsaechlich Prinz (sowohl faktisch in
seinen ersten Lebensjahren bis 1919 als auch im RDA-Sinn als maximal
Enkel eines nominellen Herrschers):
> Louis Ferdinand, Prinz von Preussen (1907-1994) [und "Chef des Hauses
Hohenzollern"] sein Name und Leben nach 1919 sollte beruecksichtigt
werden, bevor man definitiv die Ansetzung bildet, das macht es
> vielleicht fuer den Anfang zu kompliziert, denn Kaiser-Enkel war er auch
nach Ende der Monarchie, spaeter sogar Thronpraetendent
> mit eventuell erfolger persoenlicher Umbenennung in "Kronprinz"...
Sortenreiner daher "Louis Ferdinand, Prinz von Preussen (1772-1806)",
Enkel eines preussischen Koenigs und ansonsten ohne weitere Ambitionen:
Fuer diese Person kommen als Enkel die "koeniglichen Titel" 9.4.1.4
statt
> der Adelstitel 9.4.1.5 in Betracht: Anders als im Angelsaechsischen
hatte dieser Louis Ferdinand keinen Nachnamen ("Hohenzollern" zaehlt
hier nie, vgl. 9.2.2.9) bevorzugter Name ist also schlicht "Louis
Ferdinand",
> als Kind oder Enkel wird sein Titel als "Prinz von Preußen" bestimmt
(mag sein, dass er am Beginn seines Lebens "Prinz in Preussen" war).
Oder (falls als "Prinz Louis Ferdinand" bekannter als in einer Form mit
"Preussen"): "Prinz, Enkel von Friedrich Wilhelm I., Koenig in Preußen"
> Zusammen:
> $a Louis Ferdinand $c Prinz von Preußen $d 1772-1806
> bzw. eventuell
> $a Louis Ferdinand $c Prinz, Enkel von Friedrich Wilhelm I., Koenig in
Preußen
> $d 1772-1806
> Alternativ koennte man "Louis Ferdinand, Prinz von Preussen" oder "Prinz
Louis Ferdinand von Preussen" als "Gruppe von Woertern und/oder Zeichen"
annehmen, "unter der die Person bekannt ist". Dann ist 9.2.2.14 zu
beachten, und wir sind bei "Preußen, Louis Ferdinand, Prinz von" als
erfasstem bevorzugtem Namen, dann jedoch fuehrt an "Prinz von Preußen"
nach 9.4.1.4.3 als Titel diesmal gar kein Weg vorbei:
> $a Preußen, Louis Ferdinand, Prinz von $c Prinz von Preußen $d 1772-1806
bzw. bei Bekanntheit als "Louis Ferdinand von Preussen" identisch (nur
dass der Katalogisierer den Rang fuer $a ermittelt?):
> $a Preußen, Louis Ferdinand, Prinz von $c Prinz von Preußen $d 1772-1806
Im Prinzip ist das ja nicht verkehrt, in $a ist der Titel "Prinz von
Preussen" derart verwurstet, dass man ihn maschinell kaum noch
> extrahieren koennte. Vermutlich fehlen in 9.19.1.2 weitere Ausnahmen,
die *fuer die Ansetzung* solche Pleonasmen vermeiden. Oder aber
> "Name" ist doch nicht immer die "Gruppe von Woertern etc.", so dass der
bevorzugte Name haeufiger der reine Vorname bleibt. Vermutlich ist
letzteres beabsichtigt, weil die derzeitige Praxis von u.a. AACR und RAK
das so haelt... Andererseits bekommt man dann fuer die neuzeitlichen
Traeger adliger Namen leicht die realitaetsfremde Ansetzungsblueten wie
"Lambsdorff, Otto" zurueck. Ich sehe aber einfach nicht, wie man die
komplexe Namensformerfassung mit Titel aus 9.2.2.14 umbiegen kann auf
die "einfache-Namen-Regel" 9.2.2.18, in genau den Faellen, wo man
voraussieht, dass der Titel ueber 9.4.1.4.x ohnehin noch einmal in die
Ansetzung wandern wird...
> viele Gruesse
> Thomas Berger
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