[rak-list] AW: Deskriptionszeichen nach ISBD (war: Was macht OCLC?)

Bernhard Eversberg ev at biblio.tu-bs.de
Die Aug 9 08:59:54 CEST 2011


Am 08.08.2011 18:17, schrieb Thomas Berger:
> -----BEGIN PGP SIGNED MESSAGE-----
>
> Der Vorstoss, auf "redundante" ISBD-Interpunktion in MARC21 zu verzichten,
> zielt genau in die entgegengesetzte Richtung und im Licht des zitierten
> Artikels ist eigentlich nicht mehr klar, was MARC-Unterfelder eigentlich
> sind. Kein Wunder, dass da von einer "can of worms" gesprochen wurde...
>
Unterfelder in MARC sind i.d.R. keine selbständigen Datenelemente,
die für sich genommen einen Sinn ergäben und die deshalb auch
in einem eigenständigen MARC-Feld stehen könnten, sondern ein
MARC-Feld ist ein in sich strukturiertes Feld von zusammengehörigen
Elementen. (Genau dies ist in relationalen Tabellen nicht leicht
zu machen, weil Tabellenspalten für SQL "atomar" sind.)
Manche Unterfelder, wie etwa  260$b (Verlag) könnte man als selbständig
betrachten, was MAB auch getan hat, aber wenn 260 wiederholbar
sein sollte, ginge das natürlich nicht. Andere Unterfelder, z.B.
700$d für die Lebensdaten einer beteiligten Person, können unmöglich
als selbständiges Feld gelten.
In MAB mußte man, weil lange Zeit Unterfelder tabu waren, zu
sog. "Periodenfeldgruppen" Zuflucht nehmen, zusammengehörigen Feld-
gruppen also, die formal aber nicht als solche erkennbar waren. Das
wurde irgendwann absurd und man mußte es aufgeben.

Und weil MARC zu einer Zeit entstand (1967/68), als das Programmieren
von Textanwendungen noch äußerst mühsam war, hatte man sich ausgedacht,
die Elemente und Unterelemente genau in der ISBD-Folge zu definieren UND
die Interpunktion gleich mit einzugeben. Das Erstellen des 
Beschreibungsteils
war dann ganz simpel: Unterfeldcodes weglassen, Zeilenumbruch, fertig.
Die Dateneingabe samt Interpunktion ist den älteren Katalogisierer(innen)
dermaßen anerzogen, daß sie es kaum noch "verlernen" könnten. Wir dagegen
werden in "unserem" MARC weder die Interpunktionszeichen haben noch werden
wir direkt MARC eingeben, unsere Situation ist ja ganz anders, indem wir
MARC nur zum Transport nutzen.
Das neue 'c' auf Pos. 18 des "Leader", auf welches DNB nun stolz ist,
wird wegen dieser Zusammenhänge zugleich ein Signal sein, welches
"DeutschMARC" bedeutet und dem eingefleischten Kenner sagt, daß in diesem
Datensatz mancherlei nicht so ist wie in "richtigem" MARC. Was nun
speziell die Haltung von OCLC dazu ist, weiß ich nicht, aber sicher
Herr Heuvelmann.

> [1] Meine Annaeherung:
>
> a) Die ISBD sind kein Regelwerk nach unserem Verstaendnis, da sie rein
> deskriptiv sind und keine Ansetzungsregeln enthalten (allerdings sind
> die zentralen Konzepte der Paris Principles eingebaut, so wie sie
> auch in jedes Regelwerk eingebaut sind bzw. dort vorausgesetzt werden)
Paris war '61, die ISBD entstanden 1969 im sicheren Kopenhagen
(in Paris waren gerade Unruhen). Die EDV war noch nicht sehr weit,
insbes. hatte man noch kaum Datenfelder, die über das bis dahin
übliche bibliographische Repertoire hinausgingen. Man redete
in Kopenhagen ausschließlich über die beschreibenden Elemente,
das sog. "Korpus" der "Titelaufnahme", worum sich "Paris" kaum
gekümmert hatte.
Schlagwörter gehör(t)en nicht zum Repertoire der bibliographischen
Beschreibung. Sie haben in MARC (6XX) daher keine Interpunktion
an den (Unter-)Feldenden. Auch andere üblicherweise nicht zur
Beschreibung rechnenden Felder haben keine, z.B. alle 02X mit
Ausnahme der ISBN (020).

> b) Die ISBD sind eine Art finales Datenformat, mit Papier als Medium
> bzw. der Schreib-Maschine als Verarbeitungsapparat.
Aber begrenzt auf das Kopenhagener Repertoire. Wie die "Kopenhagener
Deutung" der Quantentheorie (1927) kann auch die ISBD nicht den
gesamten Umfang der Phänomene befriedigend erklären, mit denen
wir es zu tun haben. Manches liegt außerhalb des menschlichen
Erfahrungshorizonts ...

>   Unter der Praemisse,
> dass alle Bibliotheksdaten irgendwie serialisierbar sind, d.h. als
> endlicher Text mit Anfang und Ende auf einem Bildschirm oder Papier
> darstellbar, dann muessen sich alle Formate nach ISBD abbilden lassen,
> denn sonst sind entweder das Format oder das Regelwerk der
> transportierten Daten inkongruent mit den Principles.
immer begrenzt auf die beschreibenden Elemente des besagten Umfangs.
("Principles" sagt man übrigens nur zu den Pariser Resultaten,
mit denen es die ISBD, wie gesagt, eher nicht zu tun hat.)

B.Eversberg
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> Version: GnuPG v1.4.9 (Cygwin)
> Comment: Using GnuPG with Mozilla - http://enigmail.mozdev.org/
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