[rak-list] "Introducing RDA" von Chris Oliver
Heidrun Wiesenmüller
wiesenmueller at hdm-stuttgart.de
Fre Aug 20 16:46:04 CEST 2010
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,
Sie haben vielleicht schon die Werbung für "Introducing RDA : a guide to
the basics" von Chris Oliver gesehen:
http://www.alastore.ala.org/detail.aspx?ID=2897
Ich habe mir den Band mittlerweile zu Gemüte geführt. "No cataloger or
library administrator will want to be without this straightforward guide
to the changes ahead", heißt es im Klappentext - nun ja, so würde ich es
nicht sagen. Es handelt sich um ein großformatiges, recht dünnes Heft
(der eigentliche Text umfasst etwas über 100 Seiten) mit flexiblem Umschlag.
Der Band ist keine praktische Einführung in das Katalogisieren mit RDA.
Bei der Lektüre hat man vielmehr öfter den Eindruck, in eine Art
Werbebroschüre geraten zu sein. Beispielsweise liest man zur
Internationalisierung auf S. 4: "RDA purposely sheds the Anglo-American
perspective of AACR. Instructions have been adjusted so that they can be
applied by communities that use different languages, scripts, numbering
systems, calendars, or measurement units. Also, during the development
process, the Joint Steering Committee (...) invited comments from
international organizations and the national libraries and national
cataloging committees of other countries (...). This dialogue at the
international level has contributed to achieving the goal of making RDA
usable in an international context". Nicht gesagt wird freilich, dass
kaum etwas von den internationalen Kommentaren Berücksichtigung gefunden
hat und dass die problematischen Bereiche (z.B. Recht) unverändert
angloamerikanisch ausgerichtet sind. Immerhin heißt es an späterer
Stelle (S. 11f.) etwas verschämt: "The intention to internationalize RDA
is an ongoing effort and will continue with further changes in future
releases".
Zum Inhalt des Bandes:
Kap. 1 "What is RDA" führt auf wenigen Seiten einige Ansprüche von RDA
auf, z.B. die Anpassung an die digitale Umgebung und die Erweiterung des
Adressatenkreises über Bibliotheken hinaus.
Kap. 2 "RDA and the international context" behandelt zunächst das
Verhältnis von RDA zu internationalen Standards (insbes. FRBR und ICP)
und danach die Anwendung von RDA im internationalen Kontext (woraus
schon zitiert wurde).
Kap. 3 "FRBR and FRAD in RDA" stellt ausführlich die Modelle FRBR und
FRAD vor und zeigt an vielen Beispielen auf, wie sich diese in RDA
wiederspiegeln.
Kap. 4 "Continuity with AACR2" zeigt die Kontinuität zum Vorgänger auf
und stellt u.a. fest, es gäbe "many instructions where the wording is
totally different but the intent of the instruction remains
fundamentally the same" (S. 39); dies wird auch an Beispielen
illustriert. Besonders betont wird die Kompatibilität zu
AACR2-Datensätzen, weshalb praktisch keine Ansetzungsformen geändert
wurden. Als Ausnahme wird z.B. angeführt "Bible. Genesis" statt bisher
"Bible. O.T. Genesis". Erläutert wird hier auch die
Entstehungsgeschichte von RDA.
Kap. 5 "Where do we see changes?" ist sicher das interessanteste
Kapitel. Zunächst geht es um den "focus on the user" (wobei m.E. Wunsch
und Wirklichkeit etwas durcheinandergehen, z.B. S. 48: "The first
objective for RDA is responsiveness to user needs. This is not an
abstract consideration. It is realized in each section of RDA with
specific functional objectives written for each section."). Ausführlich
wird danach das RDA-Konzept von "content type", "media type" und
"carrier type" dargestellt, mit dem alle denkbaren Ressourcen
beschrieben werden können sollen. Ein Hinweis auf die neue Gruppe 0 der
ISBD (mit einem etwas abweichenden Konzept) fehlt. Danach geht es um
Datenelemente (allgemein und Kernelemente). Oliver betont hier, dass
viele Datenelemente bereits in AACR2 vorhanden waren, dort jedoch vieles
an derselben Stelle erfasst wurde (z.B. alles mögliche unter "other
physical details"). Durch die höhere Granularität und Spezifität der
Informationen in RDA könnten vor allem Maschinen diese künftig besser
auswerten (S. 59). Die Autorin sagt auch deutlich, dass diese Vorteile
eigentlich erst zur Geltung kommen können, wenn die MARC-Umgebung
verlassen wird: "At the time of first implementation, RDA data will be
encoded using MARC 21, and there will be some loss of granularity
because many data elements will map back to one subfield (...). But,
with clearly defined data elements, RDA opens the door to new ways to
use and present this data" (S. 58). Die größere Nähe zur Vorlage, die
ein wichtiges Prinzip von RDA ist, wird unter der Überschrift "Take what
you see" behandelt, und danach geht es noch um die erhöhte Bedeutung von
Beziehungen und um die neuen "relationship designators".
Kap. 6 "Implementing RDA: transition from AACR2 to RDA" stellt zunächst
das RDA Toolkit im Detail vor. Danach geht es um Erfassung und Anzeige
von RDA-Daten, primär um die Erfassung in MARC 21. Unter "coordinated
implementation" wird in sehr allgemeinen Worten die geplante Einführung
in den angloamerikanischen Ländern thematisiert. Während an anderen
Stellen die hohe Flexibilität von RDA gerühmt wird, betont Oliver hier
nun die Vorteile von einer nationalen oder gar internationalen Einigung
bei den Options- und Alternativregelungen: "coordinated decisions
improve the conditions for data exchange and present consistent data to
the user" (S. 88).
Kap. 7 "Advantages, present and future" stellt die vermuteten Vorteile
für Nutzer, Bibliotheken und Katalogisierer dar. Für die Nutzer wird
u.a. das Angebot von Bibliotheksdaten außerhalb der Kataloge angeführt
sowie die verbesserte Navigation, wobei Oliver einschränkt: "RDA alone
will not improve navigation and display because the data must be used
appropriately by well-designed search engines and search interfaces" (S.
93). Bei den Vorteilen für die Bibliotheken werden u.a. die verbesserte
Sichtbarkeit im Netz genannt sowie die Nutzung des Toolkit, mit dem
effektiver katalogisiert und geschult werden könne (die Kosten für die
Software werden aber nicht aufgeführt). Bibliothekare profitieren -
abgesehen von allen Vorteilen für Nutzer und Bibliotheken, die auch
ihnen zu Gute kommen sollen - u.a. von der Möglichkeit, künftig mehr
"cataloger's judgement" anzuwenden und davon, dass die von ihnen
erstellten Daten eine Zukunft haben: "Positioning library data so that
it has a role in the future (...) has great importance for catalogers
who devote their time and energy to producing quality bibliographic and
authority data. The data we create has a future. It will not disappear
if the MARC environment comes to an end." (S. 101).
Soweit der Überblick über das erste RDA-Büchlein. Mittlerweile ist
übrigens der Preis für die gedruckte Loseblattausgabe der RDA bekannt,
die im Frühjahr 2011 erscheinen soll: 150 USD. Zum Vergleich: AACR2
kostet in Europa 54.95 GBP.
Und noch etwas Werbung in eigener Sache: Ich habe gerade einen
RDA-Aufsatz fertig bekommen, der in B.I.T. online erscheinen wird. Wer
ihn schon vorab lesen möchte, möge mir das per Mail mitteilen; ich
verschicke dann einen PDF-"Preprint".
Viele Grüße
Heidrun Wiesenmüller
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Prof. Heidrun Wiesenmüller M.A.
Hochschule der Medien
Fakultät Information und Kommunikation
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