[rak-list] CCR : Cooperative Cataloging Rules

Ursula Jacob u.jacob at sulb.uni-saarland.de
Fri Oct 23 18:20:04 CEST 2009


Lieber Herr Stephan,

die Mail von Herrn Eversberg und jetzt Ihre Mail hat zumindest bei mir 
eine Reaktion ausgelöst und mich an vergangene Zeiten in der 
Bundestagsbibliothek erinnert, als ich (Diplom-Bibliothekarin) unter der 
Leitung von Herrn Ernst Kohl zusammen mit zwei anderen Kolleginnen in 
einer Arbeitsgruppe saß, die von 1985 - 1989 an den RAK-PB gearbeitet hat.
Der vorausgegangene Entwurf der RAK-PB (1982) wurde von der 
DBI-Kommission damals sehr stark kritisiert (verschiedene Stellungnahmen 
im Bibliotheksdienst 1982).
Es war für unsere damalige Arbeitsgruppe eine interessante Aufgabe und 
für mich als junge Bibliothekarin sehr lehrreich, denn schließlich 
lernte man die 823 §§ der RAK-WB von vorn bis hinten kennen.
Man konnte dabei aber auch feststellen, dass die RAK-WB in einigen 
Bereichen eine gewisse "Modernität" vermissen ließen und noch 
"ausbaufähig" waren. Sie sprachen ja schon die andere Katalogform und 
die Aufsatzkatalogisierung im Behördenbereich an. Auch z.B. die 
Ansetzung von Personen- und Gebietskörperschaften in der im Deutschen 
gebräuchlichen Namensform war ein Anliegen, das es in den RAK-PB 
umzusetzen galt. Die RAK-PB sollten den praktischen (!) Bedürfnissen der 
Parlaments- und Behördenbibliotheken gerecht werden. Dazu mussten die 
RAK-WB jedoch modifiziert und ergänzt werden.

Rückblickend betrachtet stellten die RAK-PB vielleicht einen - soll ich 
sagen "einsamen" oder eher "speziellen" - Versuch dar, ein Stück 
Regelwerksmodernisierung zu betreiben.
Leider zeigte dies keine Wirkung auf die Modernisierung, sinnvolle, 
kreative  Weiterentwicklung und Anpassung der RAK hier in Deutschland.

Bei allem Verständnis für die Bestrebungen nach Internationalisierung, 
aber warum haben wir nicht die letzten Jahre in weiser Voraussicht 
genutzt und die RAK (oder RAK2) weiterentwickelt? Dann hätten wir jetzt 
vielleicht eine geeignete Alternative zu RDA, falls RDA sich als nicht 
praxistauglich herausstellt. Der "Nikolausbeschluss" hätte meiner 
Meinung nach nicht sein müssen.
Hoffentlich haben wir in diesem Punkt nicht einen Fehler gemacht, der 
uns viel Zeit, Kraft und Geld kosten wird oder schon gekostet hat.

Die Initiative von James Weinheimer ist, wie Sie es in Ihrer Mail 
beschreiben, ein äußerst verständliches "Symptom für eine große 
Unzufriedenheit mit der RDA-Entwicklung".

Von der Katalogisierungs-"Basis" grüßt ganz herzlich

Ursula Jacob

-- 
Ursula Jacob
Saarlaendische Universitaets- und Landesbibliothek, 
Zeitschriftenverwaltung (Zi. 6.09)
Brief: Postfach 151141, D- 66041 Saarbruecken
Paket: Im Stadtwald, Geb. B 1 1, Zi 6.09, D-66123 Saarbruecken
Telephon: +49-681-302-2079
e-mail: u.jacob at sulb.uni-saarland.de
WWW: http://www.sulb.uni-saarland.de/




Armin Stephan schrieb:
> Lieber Herr Eversberg,
> 
> ein paar Tage ist diese Mitteilung von Ihnen nun alt und hat bislang 
> keine Reaktion in der Liste ausgelöst.
> 
> Ich vermute, dass es den anderen KollegInnen ähnlich geht wie mir: Man 
> weiss nicht so recht, wie man eine solche Initiative einordnen soll. Sie 
> selber haben sich auffälliger Weise in ungewohnter Manier ebenfalls 
> zurück gehalten mit einer Beurteilung.
> 
> So recht kann sich wohl niemand vorstellen, dass es zur RDA-Entwicklung  
> noch eine Alternative geben könne. Dabei haben ja gerade die KollegInnen 
> aus dem Land, in dem Kollege Weinheimer arbeitet, vor kurzem gezeigt, 
> dass das so undenkbar nicht ist.
> 
> 
> Mich erinnert die Initiative an eine Entwicklung in der deutschen 
> Regelwerksgeschichte:
> 
> Bekanntlich waren auch die RAK nicht unumstritten. Nicht zufällig hat 
> sich sehr schnell das Schisma ergeben: RAK-WB versus RAK-ÖB.
> 
> Weniger bekannt ist, dass es zudem einen echten "Gegenentwurf" gegeben 
> hat: RAK-PB - RAK für die Anwendung in Parlaments- und 
> Behördenbibliotheken. Auch damals schon war der Punkt, dass das 
> offizielle neue Regelwerk nicht gar so revolutionär und modern war wie 
> es gerne von sich behauptet hat. Eine Besonderheit bei den Parlaments- 
> und Behördenbibliotheken war, dass man schon zu Zeiten konventioneller 
> Katalogieserung eine Katalogform pflegte, die den Katalogen der großen 
> Universalbibliotheken an Modernität mehr als eine Nasenlänge voraus war 
> und in gewisser Weise schon einen Vorgeschmack davon vermittelte, was 
> später in unseren EDV-Katalogen Selbstverständlichkeit wurde: der 
> Kreuz-Katalog.
> 
> Anders als in den damals üblichen Karten-Katalogen stellte diese 
> Katalogform schon eine Zusammenführung von Formal- und 
> Sachkatalogisierung dar und auch die Katalogisierung unselbständiger 
> Literatur im(!) Bibliothekskatalog spielte in diesen Bibliotheken eine 
> große Rolle.
> 
> Da die RAK diese zukunftsweisenden Aspekte schlicht ignorierte sah man 
> sich in den Parlaments- und Behördenbibliotheken vor die Wahl gestellt, 
> entweder ein Regelwerk einzuführen, das einen großen Rückschritt in der 
> Katalogiserungspraxis bedeutet hätte, oder eben ein eigenes Regelwerk zu 
> entwickeln.
> 
> Das Beispiel der RAK-PB ist nicht  nur ein Beispiel für eine 
> Gegenreaktion auf eine zu zähe Regelwerksentwicklung mit zu wenig 
> Fortschrittlichkeit, sondern erinnert auch daran, dass ein 
> Katalogisierungsregelwerk ein durchaus begrenztes Unternehmen ist und 
> bleibt. Im Grunde kann man die RAK-PB als eine Art Einverfasserwerk 
> bezeichnen. Es entstammt weitgehend der Feder des Kollegen Ernst Kohl, 
> des damaligen Leiters der Bibliothek des Bundestages.
> 
> Man muss also nicht zwingend die ganze bibliothekarische World Community 
> in Trab setzen, um ein neues Regelwerk zu schreiben. Und es ist auch 
> nicht garantiert, dass ein solches Vorgehen zwingend das bessere 
> Ergebnis liefert.
> 
> Ich würde also ein solches Unternehmen nicht von vorneherei als sinnlos 
> abqualifizieren. Mal sehen, was daraus wird.
> 
> Auf alle Fälle ist es ein deutlich wahrnehmbares Symptom für eine große 
> Unzufriedenheit mit der RDA-Entwicklung. Kollege Weinheimer hat sich 
> seit Jahren sehr engagiert und mit durchaus konstruktiver Kritik an der 
> RDA-Diskussion beteiligt. Es sagt schon etwas aus, wenn so jemand sich  
> nun genötigt sieht, eigeninitiativ zu werden.
> 
> 
> 
> Bernhard Eversberg schrieb:
>>
>> Noch hat sich auf rdaonline.org nichts getan, aber nun hat sich eine
>> neue Initiative konstituiert:
>>
>> http://sites.google.com/site/opencatalogingrules/Home
>>
>> Der Initiator ist James Weinheimer, Leiter der Bibliothek der
>> American University in Rome.
>> Man bemüht sich um eine sinnvolle Ergänzung und Weiterentwicklung
>> der AACR2 als Alternative zu RDA, deren Praxistauglichkeit oder
>> zumindest reale Umsetzbarkeit man bezweifelt.
>> Am interessantesten (für AACR-Anwender) ist sicher zunächst der Bereich
>> "Library of Congress Rule Interpretations" (ab Nr. 84/1999), denn diese
>> sind und bleiben sehr wichtig, waren bisher aber nicht so übersichtlich
>> zugänglich. Die älteren findet man bei The Library Corporation:
>> http://www.itsmarc.com/crs/LCRI0000.htm
>>
>>
>> Alles Weitere entnimmt man dem "Official Announcement", das auf der
>> genannten Seite verlinkt ist.
>>
>> B.Eversberg
>>
>> _______________________________________________
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>> rak-list at lists.d-nb.de
>> http://lists.d-nb.de/mailman/listinfo/rak-list
>>
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