Re: AW: [rak-list] Übersetzung der FRBR-Termini "expression" und "manifestation"
Kurt.Pages at fh-hannover.de
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Wed Jul 19 12:40:32 CEST 2006
Sehr geehrte Frau Henze, liebe Kolleginnen und Kollegen,
dass Übersetzungen immer problematisch sind, ist mir durchaus bewusst -
nur scheinen mir die Auswirkungen der zurzeit vorgesehenen Übersetzung
der beiden Begriffe "expression" und "manifestation" nicht vergleichbar zu
sein (ich hätte da wohl auch einen deutlicheren Unterschied machen sollen):
der eine ist als Fachterminus für den Bereich der Musik belegt, aber durch
eine Übersetzung mit "Realisation" völlig unproblematisch und m. E. aus
sprachlicher Sicht viel eleganter zu ersetzen, der andere war mir lediglich
aus sprachlichen Gründen nicht so günstig erschienen (mit diesem lässt
sich m. E. aber "leben", wenn es denn sein muss).
Zur Verdeutlichung der Unverträglichkeit der Übersetzung von "expression"
mit "Fassung" noch einmal zwei Beispiele aus dem Bereich der Musik:
Die Walzer (= "work") op. 39 von Johannes Brahms haben eine
"Realisation" (= "expression") in der Partitur der ursprünglich vom
Komponisten vorgesehenen Besetzung für Klavier zu vier Händen, eine
weitere "Realisation" in der Partitur der Fassung des Komponisten für
Klavier zu zwei Händen, eine weitere "Realisation" in einer Aufführung durch
die Brüder Kontarsky etc.
Hier gäbe es zwar keine "Terminus-Kollision", wenn statt "Realisation" die
vorgesehene Übersetzung "Fassung" eingesetzt würde - abgesehen von der
sprachlich unschönen Doppelung bei der "echten" Fassung und der m. E.
holperigen Formulierung, dass eine Aufführung eine "Fassung" sein soll.
Diese sprachlichen Unebenheiten ließen sich durch den Begriff "Realisation"
jedoch vermeiden - warum also sollte man diesen Begriff nicht verwenden?
Das Quartett (= "work") op. 25 von Johannes Brahms hat eine "Fassung"
(hier die zurzeit vorgesehene Übersetzung für "expression") in der Partitur
der vom Komponisten vorgesehenen Besetzung für Klavier, Violine, Viola
und Violoncello, eine weitere "Fassung" in der Partitur des Arrangements
durch Arnold Schönberg, eine weitere "Fassung" in einer Aufführung durch
Gidon Kremer (u.a.) etc.
Für das Arrangement durch Arnold Schönberg ist der Terminus "Fassung"
einfach falsch, weil er im Bereich der Musik ausschließlich für eine andere
Version eines Werkes steht, die der Komponist selbst erstellt hat. Dieses
schlägt sich nicht nur im abweichenden Sprachgebrauch der
Musikwissenschaftler, Musiker und "Musikkatalogisierer" nieder, sondern
auch in einer Fülle von Einheitssachtiteln.
Ich möchte noch einmal ganz dringend darum bitten und aus meiner
Erfahrung mit "Musik-Katalogisierungsregeln" dazu raten, die Übersetzung
"Fassung" für "expression" zu Gunsten von "Realisation" aufzugeben. Die
Katalogisierung von Vorlagen mit Musik ist ohnehin kompliziert genug, als
dass man sie durch irreführende Formulierungen noch erschweren sollte.
Und Gründe, die gegen eine Verwendung dieser Übersetzung sprächen,
sehe ich weiterhin nicht.
Mit freundlichem Gruß
Ihr Kurt Pages
--
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