[rak-list] (Fwd) Re: main entry under corp.body?

Thomas Berger ThB at gymel.com
Wed Apr 17 13:57:44 CEST 2002


Liebe Frau Muennich, liebe Liste,

> Liebe Kolleginnen und Kollegen,  auf den Teil 0.5 der AACR hatte ich
> bereits vor einigen Monaten hingewiesen. Sie lautet folgendermassen:

...

> Ich bin der festen Überzeugung, dass wir hiervon Gebrauch machen
> werden, wenn es zu einer Einführung der AACR bzw. eines AACR-basierten
> Regelwerks kommt, zumal bereits für RAK2 sehr schlanke und sehr
> vereinfachte Regeln  vorliegen, die nur noch um Zitatregeln ergänzt
> werden müssen (auch eine einfache Zitatmöglichkeit wurde bereits
> dikutiert, wenn auch nicht abschliessend: es wird grundsätzlich unter
> dem 1. Verfasser bzw. Titel zitiert, Körperschaften werden aller
> Wahrscheinlichkeit nur weitere Sucheinstiege sein.


Ich habe den Eindruck gewonnen, dass in der RAK-Welt noch eine
ganz fundamentale Fehleinschaetzung der AACR vorliegt, vielleicht
ist diese falsche Einschaetzung vorprogrammiert durch die
"getreuere" Umsetzung der Ergebnisse der Pariser Konferenz, ich
weiss es nicht.

Bekannt ist, dass die AACR2 drei "levels of description" kennen, 
hier liegt eine Wahlfreiheit bei der Erschliessungstiefe vor, 
die auch den RAK nicht fremd ist, in den AACR aber durch 
fruehzeitige Integration von "Spezialregelwerken", etwa zur 
Nachlasskatalogisierung, ausgepraegter ist.

In Erinnerung gerufen haben Sie, Frau Muennich und vorhin Herr 
Aebersold, die Bemerkung in AACR 0.5, dass es bekannt ist, dass 
manche Bibliotheken ganz ohne Haupteintragungen auskommen und 
dass die AACR auch diese Bibliotheken nicht ausgrenzen. Soweit
ich mich erinnere, war eine analoge Regelung (nur nicht fakultativ)
in den RAK-Online noch heftig umstritten, ist in den Entwuerfen 
zu RAK2 aber inzwischen allseits akzeptiert.

Allmaehlich durchgesetzt hat sich die Erkenntnis, dass eine 
"autorisierten Uebersetzung" (wer autorisiert eigentlich: Das 
Joint Steering Committee oder die "Zustaendigen" des Ziellandes?)
in Wirklichkeit eine "Uebertragung" (lat. translatio) ist, wie 
bereits AACR 0.12ff explizit hervorheben. Ich bin mir ziemlich 
sicher, dass das RAK (-WB!)-Prinzip der originalsprachlichen 
Ansetzung bereits in dieser "Uebersetzungstufe" gerettet werden
kann. (Herr Popst und andere haben schon oft darauf hingewiesen, 
dass gerade dieses Uebersetzungsprinzip den verbesserten Daten-
austausch nach Einfuehrung der AACR zum Maerchen macht). Aehnliche 
Erfahrungen gibt es schon seit laengerer Zeit bei "autorisierten
Uebersetzungen" von Dezimalklassifikationen, juristische Bibliotheken
und Dokumentationseinrichtungen haben hierzu schon viele Statements
abgegeben.

Noch zu klaeren ist, inwieweit die Rule Interpretations
a) ein Eigenleben als Gegenregelwerk entwickelt haben und 
b) selber so hermetisch oder komplex sind, dass sie 
   interpretationsbeduerftig sind.
Sicher scheint mir, dass Rule Interpretations mituebersetzt bzw. 
neu geschrieben werden muessen, hier sind die Freiheiten natuerlich
noch viel groesser als bei der Uebersetzung des eigentlichen Regelwerks.
Aus dem Vortrag von Frau Balzardi (Schweizerische Landesbibliothek)
in Augsburg habe ich den Eindruck gewonnen, dass der Weg des IDS, 
naemlich ein "neues Regelwerk auf Grundlage von AACR2" zu schaffen, 
und der der Schweizerischen Landesbibliothek, naemlich "originale AACR
plus eigene Rule Interpretations" im Resultat nicht besonders weit 
auseinanderliegen (ausser dass die SLB bei Bedarf italienische und
der IDS deutsche Fussnoten generiert und aehnliches).

Die von Herrn Eversberg uebermittelten Reaktionen der AUTOCAT-Liste 
scheinen mir zu zeigen, dass es ausserdem in der AACR-Welt ein Reservoir
von Wissen gibt, was die Mathematiker "wissenschaftliche Folklore"
nennen:
Alle wissen, wie man es macht, bzw. dass ein Sachverhalt wahr ist, 
irgendwann faellt dann auf, dass niemand es je publiziert hat: 
Ein armer Mensch verliert dann sehr viel Zeit damit, es aufzuschreiben,
was sich oft als ueberhaupt nicht trivial herausstellt. (Zur
Ehrenrettung
der Mathematiker sei gesagt, dass sich dieses Folklorewissen selten als
falsch herausstellt). Ich bin mir sehr sicher, dass es in der RAK-Welt
solches Folklorewissen ebenfalls gibt, nur - durch verbundinterne 
Konventionen halbaufgeschrieben - verdeckter. Die Moeglichkeiten der
verbund-uebergreifenden Recherche und Datenuebernahme beim
Katalogisieren
in Verbundsystemen sind gerade erst im Entstehen, ich behaupte, dass 
gerade den RAK'igen KatalogisiererInnen in den Verbuenden noch nicht 
recht aufgegangen ist, wieviele Interpretationsmoeglichkeiten die RAK 
lassen und wie sehr die Katalogisate "der anderen" (Verbuende) hier 
von der eigenen Vorstellung abweichen koennen, auch wenn das top-down-
Prinzip durch Fremddatenuebernahme aus der Deutschen Bibliothek beim 
Gros der Katalogisate stark vereinheitlichend wirkt.

Ich habe eingangs geschrieben, dass es m.E. auch ein "fundamentales"
Verstaendnisproblem gibt, das ich wie folgt benennen moechte: 
Ich unterstelle uns in der RAK-Welt verhafteten, dass wir ein Konzept
des "universell gueltigen" Katalogisats (modulo Erschliessungstiefe)
haben bzw. die Vorstellung eines Konvergenzpunktes beim Katalogisieren,
d.h. gegeben zwei Katalogisate nach RAK, so kann man durch Erhoehung
der Erschliessungstiefe bei beiden jeweils einzeln auf ein einheitliches
drittes Katalogisat kommen, das beide umfasst. Ich behaupte, dass
den AACR diese Sichtweise vollkommen fremd ist und vielleicht auf der
nationalbibliographischen Ebene funktionieren mag. Belege fuer diese 
These ziehe ich aus AACR 1.1C1, wo unterschiedliche "Allgemeine
Material-
benennungen" fuer Britische Bibliotheken einerseits und Amerikanische, 
Kanadische, Australische etc. Bibliotheken andererseits festgelegt
werden und vor allem aus den Regeln in 1.4D, speziell dem Beispiel in 
1.4D5 d): Die Auswahl von Verlagen und Verlagsorten fuer den 
Erscheinungsvermerk haengt stark von der "Staatsbuergerschaft" der 
katalogisierenden Institution ab.

Ich denke, wir alle muessen die AACR und die dadurch gegebenen 
Freiheitsgrade wesentlich besser verstehen, um sie diskutieren oder
auch "uebersetzen" zu koennen: Das gestrige Beispiel mit der Ansetzung
unter einer Koerperschaft ist nie "wichtig" gewesen, weil wir bei einer
Uebernahme der AACR mit dem Instrument AACR 0.5 sowieso alles so machen
koennten, wie es uns passt. Dieses "Ueberbuegeln" halte ich aber vom 
Ansatz her fuer schaedlich, wenn wir nicht vorher verstanden haben,
warum
es auch in der "amerikanischen" Variante der AACR2 (plus LoC RI) zu
opportunen Katalogisaten kommt: Es ist gewiss praktisch, einen Hammer
zu haben, aber man sollte beim Umgang mit einer Schraube doch zunaechst 
einmal versuchen, mit dem Schraubenzieher auszukommen!

viele Gruesse
Thomas Berger



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