[rak-list] Aufsatzbände und RDA - Teil 2

Thomas Berger ThB at Gymel.com
Son Jul 4 00:31:56 CEST 2010


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Liebe Frau Wiesenmueller,

> Auch die innere Logik der RDA wird durch den "compilation"-Passus gestört. Denn
> auf der Basis der in in 19.2.1.1 gegebenen Definition von "creator" hätte man
> m.E. eigentlich keinen Grund, den Aufsatzverfassern den Status von "Schöpfern"
> in Bezug auf das Gesamtwerk zu verweigern: "Creators include persons, families,
> or corporate bodies jointly responsible for the creation of a work. Persons,
> families, or corporate bodies jointly responsible for the creation of a work may
> perform the same role (e.g., as in a collaboration between two writers), or they
> may perform different roles (e.g., as in a collaboration between a composer and
> a lyricist)." Wenn man einen Beitrag für einen Aufsatzband liefert, dessen Thema
> und Konzept man i.d.R. kennt, so betrachtet man sich doch wohl zu Recht als
> "Mit-Schöpfer" des Gesamtwerks, oder?
> 
> Wenn dies aber nicht gewünscht war und die Aufsatzverfasser nur als Schöpfer
> eines Teil-Werkes (des eigenen Aufsatzes) gelten sollen, so hätte man m.E. an
> dieser Stelle explizit etwas zu Kompilationen sagen müssen - und natürlich auch
> im Kapitel 6 im Text klar machen müssen, wie die Aufsatzbände einzuordnen sind.
> Stattdessen wird nur implizit - nämlich nur durch ein einziges Beispiel -
> gezeigt, dass der Typ "compilation" nunmehr (anders als sein Pendant in AACR2)
> auch klassische Aufsatzbände umfasst. Das ist schon eine etwas merkwürdige Methode.

"Compilation" ist wohl recht eng im Sinne von Anthologie, Chrestomathie und
Collected Works zu verstehen. 19.2.1 erzwingt eigentlich sogar die Ansetzung
aller Aufsatzverfasser und *aller* Photographen in Luftbildbaenden, aller
Kuenstler in Ausstellungskatalogen etc.:

"If the resource being described contains two or more works associated with
different persons, families, or corporate bodies, record the persons, families,
and corporate bodies associated with each of the works in the aggregate resource
as instructed under 19.2–19.3"
(ich sehe hier kein Limit, nicht einmal fuer "Core")

Aber man kann 19.2.1.1 auch anders lesen:

Creators include persons, families, or corporate bodies jointly responsible for
the creation of a work. Persons, families, or corporate bodies jointly
responsible for the creation of a work may perform the same role (e.g., as in a
collaboration between two writers), or they may perform different roles (e.g.,
as in a collaboration between a composer and a lyricist).

A person, family, or corporate body responsible for compiling an aggregate work
may be considered to be a creator of the compilation if the selection,
arrangement, editing, etc., of content for the compilation effectively results
in the creation of a new work.


Beitraeger als Verfasser von Aufsaetzen etc. sind m.E. nicht "*jointly*
responsible" fuer die Entstehung des Sammelwerks, diese Verantwortung tragen
ueblicherweise die Herausgeber.

Und Festschriften, Proceedings etc. sind nach diesjaehrigem Sprachgebrauch
ganz typische "aggregate works" (und nach unserem Sprachgebrauch "Sammel-Werk"
schon seit immer, wobei die RAK aber m.E. vor den Konsequenzen
zurueckgeschreckt sind).

Interessant natuerlich die Frage nach der "Schoepfungshoehe", also ob eine
Festschrift ein Sammelwerk ist ("*if* the selection ... effectively results
in the creation of a new work") und welche Alternativen das "may be
considered" wirklich eroeffnet: Beispiele gibt es nicht.

Ganz weit unten in den Beispielen zu 19.2 ein ganzer Block "Works Reporting the
Collective Activity of a Conference, Expedition, or Event" wo die Konferenz als
"creator" von Proceedings angesetzt wird, nicht jedoch die Herausgeber. Das
duerfte aber ziemlich der AACR2-Praxis entsprechen und laesst sich nicht
auf andere Sammelwerke uebertragen.

RDA 19 betraf aber die Ebene "Work", Aufsaetze in Sammelbaenden sind (? ich
wusste nicht, dass FRBR for aggregations schon Ergebnisse geliefert hat) aber
auch Expressions der Aufsaetze als eigene Werke (oder ist die Logik eine
andere: dasselbe Sammelwerk haette auch ein anderer Editor hinbekommen, daher
ist er mit der Expression assoziiert?), jedenfalls ist zusaetzlich RDA 20
zu beachten. Hier fallen dann die Herausgeber in die grosse Klasse der
"Contributors" und bei den Beispielen hier sind Festschriften, Proceedings
und andere Formen thematischer Sammelwerke.

Was nun die einzelnen Beitraege angeht: "Aggregated work" taucht ausgerechnet
in RDA 6.x ueberraschenderweise ueberhaupt nicht auf.

RDA 7.10 verweist bezueglich "For instructions on recording contents as
whole-part relationships see chapter 25" fuer meinen Geschmack irgendwie ins
Leere (dort geht es ja hauptsaechlich um Bearbeitungen).

RDA 7.12 (FN Sprache) hat ein Beispiel:
"Contributions in German, French, English, Spanish, and Italian"

Ich habe die RDA noch laengst nicht auch nur annaehernd durchdrungen, sehe
aber die ueblichen Freiheiten
- - bei der Wahl der Ressource, die da beschrieben werden soll
- - beim ob und wie "Inhalt" in Form von "Notes" beschrieben wird
- - bei der "Erschliessungstiefe", also inwieweit nicht-primaere Bezuege
  ermittelt und notiert werden.

Insofern wird man also einen Sammelband weiterhin ohne Hinweis darauf
katalogisieren koennen, dass er Aufsaetze etc. enthaelt (ausser, vgl.
2.4.1.4 die Beitraeger werden prominent genannt und werden im Rahmen
der "Statements of responsibility" notiert). Es gibt weder einen Zwang,
enthaltene Werke in irgendeiner Fussnote zu verbuddeln, noch die
umgekehrte Forderung, Einzelaufnahmen fuer Aufsaetze zu veranstalten.
Und - soweit ich das sehe - auch keine Aufforderung, entweder das eine
oder das andere zu tun: keine der beiden Moeglichkeiten wird ja auch
nur thematisiert.

viele Gruesse
Thomas Berger

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