AW: [rak-list] Individualisierung

Charles Croissant croisscr at SLU.EDU
Tue Nov 4 17:56:25 CET 2003


Liebe Frau Hengel, liebe Kolleginnen und Kollegen,

bei der Lektüre Ihres Kommentars fiel mir noch folgender Punkt ein, den 
ich ergänzend zu meinen Bemerkungen anbringen möchte:

Sehr viele Normdatensätze in dem LCNAF enthalten in der 670-Kategorie 
weitere Daten  zur Person, die in der Ansetzungsform selber nicht 
benötigt werden. Die 670-Kategorien enthalten die Belege für bestimmte 
Namensformen bzw. Namensvarianten. Informationen aus der Vorlage oder 
aus anderen Quellen, die bei der Identifizierung eines Verfassers 
hilfreich sein können, werden hier festgehalten. In den 670-Kategorien 
findet man oft Angaben zum Beruf, Angaben zum Geburts- oder Sterbeort, 
Titel von Werken, die von diesem Verfasser stammen, Angaben über 
akademische Tätigkeiten, und anderes mehr.

Wie Sie sehr richtig bemerken: "Um die Zuordnung zu unterstützen, sind 
identifizierende, individualisierende Merkmale deshalb auch dann 
sinnvoll, ja notwendig, wenn bisher nur eine Person des betreffenden 
Namens in der Normdatei vertreten ist." Aus dieser Erkenntnis heraus 
sind AACR2-Katalogisierer bemüht, nützliche Informationen im 
Normdatensatz festzuhalten, auch wenn sie nicht gerade als Bestandteil 
der Ansetzungsform benötigt werden.

Ein Beispiel:
der Normdatensatz für Lucchesi, Bernard, 1965-

010     no2003104505
040     MoSU |b eng  |c MoSU
005     20031017052116.0
100 1   Lucchesi, Bernard, |d 1965-
670     Bouillard, H. Le mystére chrétien à l'épreuve de la raison
et de la foi, 2001: |b t.p. (Bernard Lucchesi) p. 13 (b. 1965; prof. of
theology at Institut de sciences et de theologie des religions, Marseilles)

Sein Geburtsjahr und der Ort seines Wirkens waren aus der Vorlage leicht 
zu ermitteln und wurden also im Normdatensatz festgehalten. Was die 
Bildung der Ansetzungsform angeht: das Geburtsjahr reicht für die 
Unterscheidung aus und wird in die Ansetzungsform aufgenommen. Die 
weiteren Informationen ("prof. of
theology at Institut de sciences et de theologie des religions, 
Marseilles") werden in der 670-Kategorie festgehalten, denn sie können 
in Zukunft bei Fragen der Identifizierung sehr nützlich sein.

mit freundlichen Grüssen,
charles croissant

Hengel-Dittrich, Christina wrote:

>Lieber Herr Croissant, liebe Kolleginnen und Kollegen,
>
>Danke für Ihre Darstellung, in der Sie die Regelung zur Unterscheidung
>gleicher Personennamen in den AACR und die Ausführung dieser Regeln in den
>LCNA mit obligatorische Angabe der Lebensdaten beschreiben. Ich möchte gern
>einige Assoziationen ergänzen:
>
>Auch in den AACR, die ja die Unterscheidung gleicher Namen vorsehen, ist
>bisher "authority control" im strikten Sinne - also Zuordnung aller
>zugehörigen Titelsätze zu einem "authority record", d.h. im Prinzip zu einer
>Person, nicht ausgeführt. Für die Zukunft ist es allerdings bereits
>vorgesehen.  
>Immanent kann man den Vorgang zwar auch aus dem Zwang zur Unterscheidung
>gleicher Namen ableiten. Welche Namen aber zu unterscheiden sind, dafür sind
>nach Regelwerk nur die im eigenen Katalog vorhandenen Namen maßgeblich. Das
>bedeutet, dass man von Katalog zu Katalog zu unterschiedlichen Ergebnissen
>kommen kann. Ein sehr kleiner Katalog mag sogar völlig ohne unterscheidende
>Angaben auskommen. 
>Will man den eigenen Katalog aber für den gegenseitigen Austausch, Recherche
>und gemeinsame Nutzung öffnen, braucht man einen übereinstimmenden Maßstab,
>im Endeffekt die Einigung darauf, die Personen hinter den Namen zu
>identifizieren, in den miteinander kommunizierenden Katalogen unterscheidbar
>zu machen und alle Titeldaten entsprechend zuzuordnen. 
>Das ist in etwa, was in der Diskussion in Deutschland mit
>"Individualisierung" gemeint ist: Identifizierung der Person, die sich
>hinter einem Namen verbirgt, durch entsprechende Angaben, Zuordnung aller
>zugehörigen Titelsätze, nicht nur in der laufenden Katalogisierung, sondern
>auch rückwirkend bezogen auf die nicht individualisierten Namensansetzungen
>im Altbestand sowie Zusammenführung der verwendeten Namensansetzungen,
>-verweisungen, identifizierenden Angaben und Relationen zu anderen Entitäten
>in einer in Deutschland gemeinsam genutzten und geführten Normdatei.
> 
>Mit der Einführung der PND wurde in Der Deutschen Bibliothek mit der
>Individualisierung von Personennamen begonnen, allerdings zunächst teilweise
>und aufwandorientiert. Bei jedem Katalogisierungsvorgang, für den ein
>Personenname benötigt wird, ist dabei aufs Neue zu verifizieren, dass der
>benutzte PND-Satz wirklich den betreffenden Autor, Herausgeber etc. meint.
>Man stellt im Prinzip bei jeder Zuordnung die Überlegung an, ist der Autor
>meines Buches dieselbe Person wie im PND-Satz, oder handelt es sich dabei um
>eine neu hinzukommende andere Person mit demselben Namen, macht also eine
>Art Gleichnamigkeits-Check. Um die Zuordnung zu unterstützen, sind
>identifizierende, individualisierende Merkmale deshalb auch dann sinnvoll,
>ja notwendig, wenn bisher nur eine Person des betreffenden Namens in der
>Normdatei vertreten ist. 
>Wie Sie wissen, steht in den AACR keine Anweisung: "Benutze die LCNA". Wenn
>viele Bibliotheken innerhalb und außerhalb der USA sie dennoch anwenden,
>dann deshalb, weil genau dieser Gedankengang dahintersteckt: durch die
>Verwendung von gemeinsamen Normdaten zur Identifizierung und Kontrolle von
>Namensansetzungen soll nationale und internationale Austauschbarkeit und
>Nutzbarkeit der Titeldaten ermöglicht werden. 
>Neue Namen aus in Deutschland erscheinenden Publikationen sind allerdings zu
>etwa 85 % (noch) nicht in den LCNA vertreten, und der Gesamtbestand der PND
>und der LCNA überlappen sich, bezogen auf die PND, zu etwa 50 %. Im
>VIAF-Projekt bemühen wir uns, die PND-Daten und die LCNA-Daten miteinander
>abzustimmen.
>
>Mit besten Grüßen
>Christel Hengel
>  
>
-- 
Charles R. Croissant
Catalog Librarian
Pius XII Memorial Library
Saint Louis University
3650 Lindell Blvd.
St. Louis, MO  63108
Tel. (314) 977-3098
croisscr at slu.edu






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