[rak-list] RAK-Weiterentwicklung und FRBR-Begriffe

Thomas Berger ThB at gymel.com
Tue Mar 18 14:00:08 CET 2003


Lieber Herr Eversberg,

> > Das haben wir nach meiner Erinnerung von ziemlich genau einem Jahr
> > hier diskutiert. Ich weiss leider nicht mehr, ob Sie damals genau
> > das Gegenteil gesagt haben, ...
> Bitte belegen.

Belegen, dass ich es nicht weiss? Ich gehe gerne davon aus,
dass Sie sich kohaerent aeussern, moechte hier aber festhalten,
dass Ihre Argumente sich nicht bleibend in meinem Gedaechtnis
verankert haben. Ich nehme das als Anlass zur Behauptung, 
dass in der Wortwahl "Ausgabe" und "Version" fuer "Expression"
und "Manifestation" doch etwas mehr Willkuer steckt, als uns
allen lieb sein kann.

 
> > jedenfalls hatten wir im Verlauf der
> > Diskussion einige Beispiele, wo Ausgabe nach allgemeinem Verstaendnis
> > etwas bedeutet, das man "Expression" zuordnen wuerde und andere
> > Beispiele, wo es ganz klar "Manifestation" war. Mit "Version" verhielt
> > es sich aehnlich.
> Wirklich?

Ohne jetzt die Listenbeitraege des letzten Jahres nachzuschauen,
hier spontan ein paar Kombinationen mit "Ausgabe" und "Version":

Internetausgabe (Expression oder Manifestation)
zweisprachige Ausgabe (eine Manifestation von zwei Expressions?)
Ausgabe letzter Hand (Expression)
Grossdruckausgabe (Manifestation)
illustrierte Ausgabe (boese Falle: Welches Werk?)
Schmuckausgabe (Manifestation oder Item)
Erstausgabe (erste Manifestation eines Expressions)
Ausgabe fuer Blinde (Manifestation oder Expression?)
Onlineausgabe (Expression oder Mainifestation)
gekuerzte Ausgabe (Expression oder Manifestation)
Ausgabe fuer Lehrer (Expression)
Schulausgabe (Expression)
Ausgabe fuer Gymnasien (Expression)
Ausgabe fuer Thueringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt (Expression)
Deutschland-Ausgabe (???. Bin kein Zeitungs-Katalogisierer)
Museumsausgabe (definitiv "Manifestation" oder sogar nur "Item")
Vorzugsausgabe (Manifestation oder Item, aber was bei Originalgraphik?)
Ausgabe fuer Palm (Expression, Manifestation oder Item?)
Bibliotheksausgabe (Item bei Monographien, "Expression" ode
"Manifestation"
  bei Zeitschriften?)
Faksimileausgabe (Manifestation)
Spielausgabe (Expression)
Partiturausgabe (Expression)
Buehnenausgabe (Expression oder Manifestation?)
Buchclubausgabe (Manifestation)

Systemhandbuch Version 20.0 (Expression)
Internet-Version (vermutlich Expression)
Online-Version (vermutlich Expression)
PDF-Version (vermutlich Manifestation)
HTML-Version (vermutlich Expression)
XML-Version ("Mutter" aller Manifestations?)
gesplittete HTML-Version (definitiv Expression)
Version mit Javascript und Frames (Expression)
Version fuer MacOS X (Manifestation oder Item)
Netzwerkversion (Item)


Man muss hier einiges ueber die Produktionsweisen wissen:
Ein PDF-Dokument ist typischerweise eine Layoutgetreue Wiedergabe eines
(unbekannten) anderen Dokuments, daher im Zweifel eine Manifestation. 
Andere "Versionen" sind typischerweise speziell auf das Zielmedium und
seine Moeglichkeiten hin ueberarbeitet und daher tendenziell
Expressions. 
Wenn aber durch einen rein mechanischen Prozess (Applikation von 
Stylesheets) aus einem XML-Dokument diverse Prasentationsformen (PDF, 
RTF, HTML, HTMLHelp, ...) produziert werden, sind alle wohl 
"Manifestations" und das XML-Dokument ist womoeglich eine "sich selbst
manifestierende Expression". Aber was ist, wenn durch die mechanische
Umwandlung zuviel verloren geht (Print-Version einer chemischen 
Dissertation, die eigentlich interaktive 3D-Graphiken enthaelt): Ist
es dann doch wieder eine andere "Expression" oder eher eine "lossy
Manifestation" (Analog: wenn wir auf "Item level" eine Seite
herausreissen,
ist der Fall klar, aber wenn aufgrund eines Gerichtsbeschlusses
eine Seite geschwaerzt wird?)

Zudem ist es ja so, dass die RAK unter der "Ausgabebezeichnung"
bei Drucken die *Auflage* (manchmal Expression, oft Manifestation)
und die "Tausenderzaehlung" (wegzulassen, immer Manifestation)
verstehen, bei AV-Medien ist hingegen *Ausgabe* ein m.E. 
voellig unueblicher Begriff.


> ... wenn wir denn alles, was von Goethe vorliegt, (oder von Beethoven, da lohnt's
> auch) daraufhin nochmals durcharbeiten.
> Bei den sehr produktiven Autoren, ganz klar, kann man mit dem Konzept zu einer
> besseren Gliederung kommen als bislang. Da stellt sich dann aber auch die Frage,
> ob das nicht, aufs Ganze gesehen, ein recht schmaler Bereich ist.
> Wichtig ist aber die Frage, wie man die Angaben codieren kann, damit ueberhaupt
> per Programm eine sinnvolle Ordnung hergestellt werden kann! Eine vorlagegemaesse
> Abschrift der Angaben zur Ausgabe/Version reicht da sicher nicht.
> Ich denke, es haengt eng damit zusammen, ob und wann wir Einheitstitel vergeben.
> Wenn man einen zweiteiligen Code haette, der die Ausgabe und die Version
> kennzeichnen wuerde, muesste dieser nur mit dem Einheitstitel verknuepft werden,
> um die beschriebene Anordnung zu erreichen.
> Frage also: wie kann man Ausgaben und Versionen (oder wie man sie sonst nennen
> will) codieren?

Kann man den Ausgaben und Versionen codieren? Codes haben ja den
unangenehmen Nachteil, dass man sie erst definieren kann, wenn man
alles infrage kommende bereits kennt. Ich koennte mir vorstellen,
dass man "Ausgaben" durch eine normierte Erweiterung des
Einheitssachtitels kennzeichnen kann, Versionen einer Ausgabe
wird man versuchen, durch das Erscheinungsjahr zu beschreiben
und ein weiteres Element: Bevor wir hier aber eine Theorie
entwickeln muessen, die etwas so banales wie "PDF-Version"
in die Systematik aller denkbaren Versionen aller denkbaren
Ausgaben von Werken eingliedert, damit wir dann ein Kuerzel
"p" zuordnen koennen, waere auch hier vermutlich eine
normierte Abkuerzungsliste brauchbarer.

Ich sehe das Problem so aehnlich, als wollte man die der
Vorlage entnommene (und zumindest lt. RAK dann zu
normalisierende) Ausgabebezeichnung durch ein System von
Codes ersetzen, die gleichzeitig fuer alte Drucke, Vinylschall-
platten und Videokassetten "funktionieren": Das wuerde zum 
mindesten bedeuten, einer Phrase wie "korr. Nachdr. d. Aufl. xy",
eine universelle Bedeutung zuzumessen, losgeloest von den
Gepflogenheiten des konkreten Verlegers (oder aber ein
buchgeschichtliches Forschungsprojekt niedagewesener Groesse
vorzuschalten: "Welche objektiven Gruende haetten bei
jedem einzelnen lebenden oder toten Verleger, Lektor, Producer,
... zur Aussage 'korr. Nachdr.' gefuehrt".

viele Gruesse
Thomas Berger



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