[rak-list] RAK-Weiterentwicklung und FRBR-Begriffe

Thomas Berger ThB at gymel.com
Tue Mar 18 10:06:32 CET 2003


Bernhard Eversberg wrote:
> 
> Charles Croissant stoesst die wichtige Diskussion um "expression" und
> "manifestation" erneut an und hat die Dinge noch einmal sehr einleuchtend
> zusammengefasst.

...

> > Ich meine, wir müssen
> > weiter nach deutschen Vokabeln suchen, die den Sinngehalt von
> > "expression" und "manifestation" wiedergeben, und die weder
> > herbeigezogen noch hochgestochen wirken.
>
> Und das ist uns bisher leider, trotz einiger Bemuehung, noch nicht gelungen.
> Zusammen mit der offenen Frage, siehe oben, was wir mit der Unterscheidung im
> Katalog wirklich anfangen, bleibt es also bisher unklar, wie wir denn die
> Unterscheidung den Nutzern vermitteln sollen, wenn wir keine Vokabeln dafuer
> haben.
>
> Ich hatte ja vorgeschlagen, "Ausgabe" zu verengen auf "Expression" und "Version"
> (bisher im Regelwerk nicht verwendet) fuer "Manifestation" einzufuehren. Das

Das haben wir nach meiner Erinnerung von ziemlich genau einem Jahr
hier diskutiert. Ich weiss leider nicht mehr, ob Sie damals genau
das Gegenteil gesagt haben, jedenfalls hatten wir im Verlauf der
Diskussion einige Beispiele, wo Ausgabe nach allgemeinem Verstaendnis
etwas bedeutet, das man "Expression" zuordnen wuerde und andere
Beispiele, wo es ganz klar "Manifestation" war. Mit "Version" verhielt
es sich aehnlich.

> scheint mir noch immer die Loesung zu sein, die der Sache, so wie Charles es
> darstellte, am naechsten kommt UND den Vorzug einiger Plausibilitaet mitbringt,
> denn diese Woerter entsprechen wohl auch in der Alltagssprache recht gut dem, was
> gemeint ist. "Ausgabe" waere dann, meine ich, sogar naeher dran als vorher an
> dem, was der "Volksmund" damit meint.
> Das wurde auch von anderen so gesehen, aber es bildete sich doch die Meinung,
> erst einmal abzuwarten, ob man diesen Schritt wirklich machen muss.

Denkt man nur an den Print-Bereich, hat man Anlass zur Unterscheidung
meistens nur bei Uebersetzungen ("deutsche Ausgabe") und selten bei
anderen Medien ("Internet-Ausgabe", "PDF-Version"). Bei Musikalien
und AV-Medien hingegen ist die Unterscheidung allgegenwaertig und
auch ziemlich wichtig. Im Bereich der Nachlaesse und Autographen
wird auch die "Ausreifung" beruecksichtigt, hierhinter steckt die
- editionswissenschaftlich manchmal vielleicht fragwuerdige, aber
dennoch tragfaehige - Annahme zeitlich aufeinanderfolgender, voneinander
abgegrenzter, zielgerichteter Bearbeitungen bzw. Ueberarbeitungen.

Zwei Herangehensweisen moechte ich vorschlagen:

* Im medienspezifischen Zusammenhang ist die Alltagssprache meist
  hinreichend unambivalent: Uebersetzung, Einspielung, Ausreifung, 
  Interpretation (Musik), Klavierfassung, Orchesterpartitur,
  Directors Cut, ueberarbeitete und erweiterte Auflage, ...
  Daher denke ich, dass man im Zusammenhang mit einem Regelwerk
  durchaus mit abstrakten termini technici operieren kann oder
  sogar sollte, z.B. "Ausformung/Auspraegung [des Werks]" und 
  "Manifestation". Ein Anhang kann dann aufzaehlen, welche Wendungen 
  in realen und Fach- Sprachen die Zuordnung zum einen oder zum anderen 
  nahelegen (auch die FRBR ziehen die Grenze ja keineswegs scharf).

* Ausgehend vom "Standard"-Benutzer und seinen/ihren Beduerfnissen 
  koennte man die Grenze ziehen zwischen "(fuer den Standard-Zweck)
  aequivalenten Ausgaben" (Manifestations) und "qualitativ voneinander
  abweichenden Ausgaben" (Expressions): Spricht man dann nur
  von "Ausgabearten" und "Ausgaben" oder benutzt qualifizierende
  - noch geeignet zu findende - Adjektive "qualifizierte Ausgabe" 
  vs. "aequivalente Ausgabe", so wird der Benutzer durch die
  zusaetzliche Abstraktion der FRBR nicht "belaestigt". 

Ich bin der Meinung, dass Benutzer in einem konkreten Recherchekontext
eine ganz klare Vorstellung haben, was sie benoetigen, wie bei vielen
dieser impliziten Recherchevoraussetzungen darf man ihn aber keineswegs
zwingen, diese Grundannahmen ("suchst Du Expressions oder
Manifestations")
vor der Recherche zu artikulieren. Haetten wir aber Daten, die die 
verschiedenen Manifestations eines Werks den jeweils
"zwischengeschobenen" 
Expressions zuordnen (in denen also die Zugehoerigkeit von
Manifestations
zu Expressions manifest ist, [sorry for that]), so koennte man dies bei
der Trefferanzeige in Kurzlisten etc. prima (und unaufdringlich) zum
Ausdruck
bringen und allen waere gedient: Ein Benutzer wuerde selbst bei "Goethe"
eine ueberzeugende Anordnung des gefundenen Materials vorfinden
und der Bibliothekar hat eine Rechtfertigung fuer den zusaetzlichen
Unterscheidungsaufwand bei der Katalogisierung.

viele Gruesse
Thomas Berger



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