[rak-list] Gedenktag

Johann Winkler johann.winkler at UNIVIE.AC.AT
Thu Feb 7 14:17:15 CET 2002


Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Herr Franzmeier fragt nicht ganz zu Unrecht nach der Meinung der "österreichischen Freunde".
Eine gute Frage. Als einer der vielleicht Angesprochenen möchte ich die gestrige Wortmeldung
von Kollegin Flamm aus Freiburg zum Anlass nehmen, um mich in der aktuellen Diskussion zu Wort
zu melden. In eigenem Namen und in eigener Sache, in keinem durch Funktionen oder sonstige
bibliothekarische Würden bestimmten Auftrag!
Möglicherweise gibt es für das österreichische Schweigen einen ursächlicheren Grund als die
Betroffenheit über den von Franzmeier so treffend beschriebenen Coup d'état und seine derzeit
für alle Beteiligten und die unzähligen namenlosen Betroffenen, um nicht zu sagen
"Angeschmierten", kaum vorhersehbaren Folgen. Und dieser Grund liegt schlicht und einfach in
der Tatsache, daß wir andere Sorgen haben, als die inzwischen in die lichten Höhen elitärer
Fachsimpelei abgehobene Diskussion uns glauben machen möchte (die wohltuend sachlichen Beiträge

von Kollegen Eversberg ausdrücklich ausgenommen). Solange die Diskussion in diesen Höhen
verweilt, muß einem eigentlich nicht bange werden, denn in den Niederungen der täglichen Praxis

wird so nicht viel geschehen. Nach vielen immer wieder unterbrochenen Anläufen zu der pompös
und stolz angekündigten RAK2 ist man  über die grundsätzlich richtigen, zukunftsorientierten
und ursprünglich in breitem Konsens ausgearbeiteten Ansätze nicht hinausgekommen. Und auch die
sind jetzt eingestampft.
Die Kompetenz, das Engagement, der gute Wille und die oft genug hart strapazierte Geduld der
Kolleginnen und Kollegen - Schnee von gestern!  Ein neuer Frühling scheint aber unter den zuvor

angedeuteten himmelhoch und erdfern jauchzenden Vorzeichen ferner denn je! Auf diesen Frühling
eines zeitgemässen, praxisorientierten  Regelwerks und auf sonst gar nichts wartet die
bibliothekarische Öffentlichkeit in Österreich und wohl auch  in weiten Teilen der
Bundesrepublik sehr zu Recht  - nur leider einmal mehr vergeblich und aus meiner persönlichen
Sicht aussichtsloser denn je zuvor.
Frau Flamm hat die Probleme auf den Punkt gebracht. Präziser kann man die Kernfragen nicht
benennen. Ich bin überzeugt, daß sie im Namen und aus dem Herzen vieler Kolleginnen und
Kollegen spricht und danke ihr dafür!
Ihr Problemkatalog sei all denen ins Stammbuch geschrieben, die jetzt als Schreibtischstrategen

und amtliche Gesundbeter von dick gepolsterten Sesseln aus die Bibliothekswirklichkeit neu und
ein für allemal richtig erfinden zu müssen glauben. Sie werden nichts finden und am Ende vor
einem Scherbenhaufen stehen gegen den der Rucksack der bisher nicht eingelösten Versprechungen
und Versprechen leicht wiegen wird.
In Wien wird als Spruchweisheit  überliefert: "es san a scho' Hausmasta gsturbm", was ins
Hochdeutsche übersetzt etwa bedeutet, dass gelegentlich auch Hausbesorger ihr Schicksal ereilt.

Seit langem ist kein Fall bekannt, in dem sich diese Weisheit nicht bewahrheitet hätte.
Mit besten Grüssen aus Wien,
Johann Winkler

Regina Flamm schrieb:

> Liebe Kolleginnen und Kollegen,
>
> nach dem Aufruf von Hr. Franzmeier:
>
> >Aber wird dies passieren? Bisher herrscht eher Schweigen im Lande. Aus
> >Einsicht in das Notwendige? Aus Bereitschaft zu akzeptieren, daß 'die da
> >oben' es schon wissen werden ? Und weil es ja 'demokratisch' von einer
> >Mehrheit beschlossen worden ist? Oder aus Resignation, weil 'man' ja doch
> >nichts ausrichten kann? Oder aus loyaler Zurückhaltung, weil der eigene
> >Chef / die Chefin für den Umstieg gestimmt hat? Man weiß es nicht, eben
> >wegen des Schweigens.
> >
> >Die eine oder die andere Ausnahme gibt es allerdings. Nachdem der
> >Verfasser dieses Beitrags schon im November in dieser Liste allerlei
> >Bedenken vorgetragen hatte (der aber 'gut reden' hat, weil nicht mehr im
> >Dienst) und auch von F. Geißelmann einiges Kritisches zu lesen war, sei an
> >dieser Stelle besonders auf den neueren Beitrag von U. Naumann im
> >Januarheft des 'Bibliotheksdienst' hingewiesen. Weiteres wird -
> >hoffentlich - zu hören und zu lesen sein. Der denkwürdigeTag ist ja
> >schließlich 'erst' zwei Monate her.
>
> nun doch mal ein kleines Lebenszeichen von "denen da unten". Zugegeben, es
> fällt uns schwer, die ganze Detaildiskussion, die in dieser Liste jetzt
> stattfindet, überhaupt vollständig nachzuvollziehen, hat man sich doch nie
> mit den AACR2 auseinandergesetzt. Es bleibt also neben dem geringen
> Vorwissen lediglich der Eindruck aus dieser Diskussion.
> Und daraus  könnte ich folgendes Resümee ziehen:
>
> Hauptargument der AACR2-Befürworter ist doch wohl die Internationalisierung
> verbunden mit Datenaustausch und Fremddatennutzung -
> M.E. sind aber doch Austauschformate längst vorhanden - oder auf welche
> Weise sollten sonst LOC- oder BNB-Daten z.B. in den SWB gelangen - und dort
> stehen sie längst zur Verfügung.
>
> Außerdem wird auf die Vorteile des einheitlichen Regelwerks abgehoben.
> Aber wurde nicht schon für die Planung zu RAK2 die Angleichung an AACR2,
> unter Beibehaltung der deutschen Besonderheiten, ins Konzept geschrieben:
> - beide Regelwerke halten sich an die ISBD
> - nationale Sonderregeln können - und sollen! in den AACR2 getroffen werden
> - lt. den Infos, die ich hier zu AACR2 bekommen habe
> - die Individualisierung von Personennamen, angeblich ein großer Pluspunkt
> der AACR2 aber sogar hier in der Liste noch diskutiert, wurde für RAK2
> bereits beschlossen
>
> Welche gewichtigen Vorteile der AACR2 bleiben also übrig, um die m.E.
> wesentlich gewichtigeren Nachteile zu rechtfertigen, die da sind:
>
> - entweder der völlige Verlust der Datenkonsistenz durch den Abbruch der
> Katalogisierung nach RAK und "ab Termin" dann Katalogisierung nach AACR2,
> und wenn man jetzt schon im KVK über die unsäglich vielen Dubletten, teilw.
> durch unterschiedliche RAK-Auslegung, stolpert, möchte man den Gedanken gar
> nicht weiter verfolgen
> - oder der Versuch der maschinellen Datenumsetzung unserer riesigen
> Altbestände - es muss jedoch klar sein, dass das nur mit Datenverlust und
> "Glattbügeln" vieler Einzelfälle zu erreichen ist
>
> - der enorme Schulungsaufwand, Hunderten von KatalogisiererInnen im Lande
> die AACR2 beizubringen, hat doch bis jetzt wohl nur ein gutes Dutzend
> Experten sich schon intensiv damit beschäftigt. Wir (UB Freiburg) haben
> erst 1989 von PI auf RAK umgelernt (und dort war jedem der Nutzen
> einsichtig) - und es hat Wochen, wenn nicht Monate gedauert, alle
> KollegInnen zu schulen - diesen Aufwand hochgerechnet auf alle Bibliotheken
> bundesweit, wird wohl kein Geldgeber tragen wollen (wenn er davon erfährt)
>
> - der Wegfall hierarchischer Bandstrukturen (so hab' ich's wenigstens hier
> immer wieder gelesen), der m.E. ein großer Schritt in die Vergangenheit
> wäre, spiegelt der Verzicht doch ganz klar den Ansatz Zettelkatalog wieder
> und ich denke, wir können sehr froh sein, dass wir diesen alten Zopf
> wenigstens in dem Bereich längst abgeschnitten hatten. Vor allem für die,
> in Deutschland doch überwiegenden, Magazinbibliotheken verlagert sich ja
> dadurch jegliche Ausleihverknüpfung und detaillierter Bestandsnachweis in
> die lokalen Systeme. Auch die Fernleihfunktionalitäten der Verbünde wären
> dadurch stark eingeschränkt, wenn man nur in Kombination von
> Bandaufführungen mit Pauschalnachweis und der Verbindung mit lokalen
> Detailangaben den Standort von einzelnen Bänden ermitteln kann. Und wie
> machen wir unseren Benutzern vor Ort klar, dass von allen aufgeführten
> Bänden, die ja wohl, da nicht selektiert, in die OPACs übertragen werden,
> leider nur einzelne tatsächlich im Bestand sind -- Ich kann mir das im
> Moment zugegebenermaßen nicht sinnvoll vorstellen.
>
> - ein Nachteil, den ich nicht zu gewichten weiß, scheint mir aber auf jeden
> Fall die viel-zitierte Abhängigkeit von externen Entwicklungen bei der
> Regelwerksarbeit, wissen wir doch aus der Erfahrung, dass ein Regelwerk ja
> kein statisches System ist, und abgesehen davon, dann ja auch noch für die
> deutschen Besonderheiten abgewandelt werden müsste und die Anwendungsregeln
> für die Verbünde ausgearbeitet werden müssten.
> Außerdem werden doch sicher auch zahlreiche Abhängigkeiten und Änderungs-
> bzw. Erneuerungsbedarf im Soft- und Hardware-Bereich sowohl bei den
> Verbünden als auch lokal notwendig, wofür wiederum Zeit-, Geld- und
> Schulungsaufwand ensteht.
>
> Summa summarum:
>
> ich sehe keine Veranlassung, auf AACR2 umzusteigen, anstatt die doch schon
> sehr weit fortgeschrittene Entwicklung von RAK2 endlich zum Abschluss und
> Einsatz zu bringen.
>
> Schöne Grüße, R. Flamm
> --------------------------------------
> Regina Flamm
> Leiterin Katalogisierung Monographien
> Universitätsbibliothek Freiburg
> Werthmannplatz 2
> 79098 Freiburg
>
> Tel:+49[0]761/203-3934
> Fax:+49[0]761/203-3987
> flamm at ub.uni-freiburg.de
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