[rak-list] FW: Re: Umstieg auf AACR2

Roger Brisson brisson at fas.harvard.edu
Thu Dec 20 03:20:01 CET 2001


Lieber Bernhard, um einen Vegleich mit der Brockhaus Recherche von der
Uni Göttingen zu machen (der aus meiner letzten Email zu der RAK-List zu
sehen ist), möchte ich jetzt eine Stichwortrechrerche für 'brockhaus'
aus einem amerikanischen OPAC hinzufügen:


AE27.G672 1966
Brockhaus Enzyklopädie in zwanzig Bänden
Siebzehnte völlig neu bearb. Aufl. des Grossen Brockhaus.
F.A. Brockhaus Wiesbaden (Firm) 
Copies available at BEHREND, HARRISBURG, WSCRANTON, and UP-ARTSHUM

PF3640.B76 1965
Brockhaus illustrated dictionary English-German, German-English=
Brockhaus-Bildwörterbuch Englisch-Deutsch, Deutsch-Englisch
3d. rev. ed.
Héraucourt, Will. 
Copy available at SCHUYLKILL in REF-SL 

PF3628.S65 1956
1962
Der Sprach-Brockhaus : deutsches Bilderwörterbuch für jedermann
7. durchgesehene Aufl.
F.A. Brockhaus Wiesbaden (Firm) 
Copies available at ABINGTON, BEHREND, and BERKS

 PF3628.S65 1954
1954
Der Sprach-Brockhaus : deutsches Bilderwörterbuch für jedermann
6. verb. Aufl.
F.A. Brockhaus Wiesbaden (Firm) 
Copies available at ABINGTON, and SCHUYLKILL

Diese Liste ist stark abgekürzt, aber es ist leicht erkennbar, dass man
hier nur mit bibliographischen Werken zu tun hat. Eine Benutzerin, will
bei so einer Recherche nur wissen, ob eine Bibliothek den neuesten
Brockhaus hat oder Ähnliches. Sie hat kein Interesse, sich durch eine
verwirrend lange Liste von einzelnen Bandaufführungen durchzuarbeiten,
wie man mit der entsprechenden Göttinger Recherche gesehen hat. Die
letztere geschieht, meine ich, weil ein deutscher OPAC zwei ganz
getrennte Funktionen zusammenbringt. Eine Benutzerin hat kein Interesse
daran, eine Recherche durchzuführen, um einen Titelsatz (für ein 'Werk')
zu finden, der heißt: "Band 16, Slovakien-Turnverein" oder dergleichen.
Dieser Band gehört auf Englisch zu einem "Set", das heißt, ein
mehrbändiges Werk, dessen einzelne Bände kein selbständiges
bibliographische Dasein besitzen (entschuldigen Sie bitte, wenn ein
bißchen Heidegger in meine Email einsickert...). Die Katalog-Sätze für
diese Bände spielen eine andere Rolle als die bibliographischen
Titelsätze für ein 'Set', nämlich eine bibliotheksspezifische Rolle, und
sie sollen auf keinen Fall selbständig rechechierbar sein. Für meine
bibliothekarische Empfindung liegt etwas recht schief, wenn solche
einzelnen Bände als selbständige Einheiten (quasi als "Werke") in einem
OPAC rechechierbar sind.
  Aus diesem Grund behandeln amerikanische Bibliothekare diese Art von
Werken (oder Sets) ganz anders. Der Hauptgrund, warum die einzelnen
Bände in einem Set wie der Brockhaus ihre eigenen Sätze bekommen, sind
meiner Ansicht nach interne Kontrollgründe. 

> Ein bibliographischer "Band" ist aber kein "item" im Sinne der
> Bestandskontrolle....Das ist nicht nur unsere
> abweichende Meinung, sondern doch wohl ein unbestreitbares Faktum.

Ich hoffe, mit aller Höflichkeit, dass ich hier in dieser Diskussion
gerade eben diesen Punkt bestreiten kann, und zwar aus einer anderen
Perspektive, aus der Perspektive des Benutzers. Wie wir oben gesehen
haben, sollten die einzelnen Sätze für eine solche Bandaufführung gar
nicht in einer Recherche auffindbar sein, sie sollen unzertrennlich an
einen bibliographischen Titelsatz angeknüpft sein. Für mich als Benutzer
hat "Band 2: Brecht bis Canossa" keinen eigenständigen bibliographischen
Wert, aber für Sie hat er einen 'bibliographischen' Wert, einfach, weil
Sie Inventory Control in dem Verbundkatalog ausüben wollen. In
amerikanischen OPACs verbinden wir doch einen physischen Gegenstand, ein
'Stück', mit dem Item-Satz, damit wir unsere bibliotheksspezifische
Inventory Control Funktion abdecken können. Aber diese Ebene von
Bibliotheksaktivität sollte nur indirekt von einem Benutzer zugänglich
sein. Aus dem Blickwinkel eines amerikanischen Bibliothekars hat es
keinen Sinn, einem Band wie "Band 2: Brecht bis Canossa" einen
eigenständigen bibliographischen Wert im OPAC zu geben. Übrigens: diese
abhängigen Sätze wie Item und Holding Records werden mit unseren neuen
Bibliothekssystemen automatisch aus dem bibliographischen Titelsatz
hergeleitet. Auch in einem deutschen Bibliothekskatalog muss man diese
Sätze abrufen, um Daten wie den Barcode, Standort und Signatur
einzugeben. In unseren internen 'Staff' Clients (nur für die
Mitarbeiter) ist es auf jeden Fall möglich, diese Sätze getrennt zu
behandeln, aber nicht im OPAC. Dass man das in einem deutschen OPAC
machen kann, wirkt für einen amerikanischen Bibliothekar ziemlich
unübersichtlich und unproduktiv für den Benutzer.
   Deswegen haben amerikanische Bibliotheken historisch die
bibliotheksinternen Informationen für einen Band an den Item Satz
herangehängt, Informationen wie Barcode, Signatur, Standorte, interne
Notizen, usw. Mit der breiten Einführung des MARC Holdings Format wird
dieses jetzt differenzierter gehandhabt, mehr im Sinne wie Sie das
meinen, Bernhard. Aber diese Holdings-Sätze sind eben so nur über den
bibliographischen Titelsatz abrufbar.
   Es gibt aber eine Reihe anderer Arten von mehrbändigen Werken, wie
die Gesamtwerke eines Autoren oder bestimmte monographische Serien, wo
Ihre Handhabung viel mehr Sinn hat, und einen produktiven Beitrag zur
internationalen Entwicklung bibliographischer Kontrolle leisten könnte.
Von daher haben Sie auch recht, dass man sehr gut mit AACR2 diese
Verfahren bewerkstelligen könnte. Serien sind für deutschprachige Werke
in der Tat viel wichtiger als im englischen Sprachraum, und da könnnen
hierarchisch verknüpfte Sätze einen recht positiven Einfluß auf
Bibliothekskataloge ausüben.
   Ich nehme an, dass viele auf dieser Liste von meinen langen Beiträgen
ermüden-- sollten wir vielleicht unter uns diese Diskussion fortsetzen?
Meine Absicht hier war nur zu versuchen, den Aufbau eines
Bibliothekskatalogs aus der Perspektive eines amerikanischen
Bibliothekars etwas zu schildern. Ich finde diesen Systemvergleich schon
interessant, und ich hoffe, dass er dazu beiträgt, ein besseres
gegenseitiges Verständnis zu entwickeln.

	Mit freundlichem, feiertaglichen Gruß! Roger

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Roger Brisson
Head, Germanic Division
HCL Technical Services
Harvard University
625 Massachusetts Avenue
Cambridge, MA  02139
Voice: 617.384.7158
Fax: 617.384.7170
Email: brisson at fas.harvard.edu
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