[rak-list] Re: Rezension von Frau Wiesenmüller zur RDA-Übersetzung

Bernhard Eversberg ev at biblio.tu-bs.de
Die Jan 7 15:34:22 CET 2014


Anmerkungen zur Rezension von Frau Wiesenmüller zur RDA-Übersetzung der DNB.

Am 7.5.2013 hat James Hennelly (ALA Digital Reference) bekanntgegeben:

"The May 14th release to RDA Toolkit will include French and German
  language versions of RDA as well as the full rewording of RDA."

   http://connect.ala.org/RDAforum

Zu dem Zeitpunkt war also schon klar, daß die DNB-Übersetzung in
erheblichem Maße nicht mehr ihrer eigenen Zielsetzung entsprechen
könne, eine sprachlich so eng wie nur möglich das Original abbildende
Übertragung zu sein: Das Original war nun sprachlich deutlich verändert
und zwar, wie Frau Wiesenmüller belegte, auch verbessert worden.

[Die frz. Übersetzung ging, wie Frau W. ebenfalls ausführte, von
ganz anderer Zielsetzung aus: man wollte einen Text in gutem,
verständlichem Französisch schaffen. Und setzte entsprechend mehr
Aufwand ein.]

Nun ja, die erste deutsche Fassung war noch nicht wirklich für die
Anwendungspraxis gedacht, sondern sollte vornehmlich den Arbeitsgruppen
dienen, die sich mit dem Erstellen von Anwendungsregeln und sodann einer
Übersetzung in geläufigeres Deutsch zu befassen hätten. Denn die
vorliegende Denglisch-Fassung enthält ja noch sämtliche Optionen und
Alternativen und ist deshalb kein anwendbares Regelwerk. Ferner fehlen
oft Begriffserklärungen, und das beginnt schon mit dem ersten Satz. Das
nur den Experten zumutbar, die genauso gut das Original lesen können.

Wenn nun aber der Verlag deGruyter ungerührt die Übersetztung zum Preis
von 129,95 Euro feilbietet:

   http://www.degruyter.com/view/product/179173

und zwar als "die deutsche Übersetzung" ohne den kleinsten Hinweis
auf die genannten, für eine Kaufentscheidung hochrelevanten Fakten,
dann grenzt das für meinen unmaßgeblichen Geschmack sehr dicht an
unlauteres Geschäftsgebaren. Da dürfte man gut daran tun, nach
Erscheinen des "Wiesenmüller" zunächst die ersten Rezensionen
abzuwarten:

   http://www.degruyter.com/view/product/204942

jedenfalls bevor man sich das eBook leistet (der Preis des letzteren
wurde schon erheblich gesenkt). Frau W. rät zum Abwarten, wie sich
RDA dann in der Praxis bewähren werde. Der Point of no return ist dann
freilich überschritten. Sie stellt auch keine Überlegung an, wie gut
man es wohl wird unterrichten können. Das ist schade, denn es ist
wichtig, und wer sonst sollte es wohl besser beurteilen können?

Wenn sich deGruyter jetzt mit "Das wußten wir nicht!" erschrocken
zeigen sollte, wäre es an der DNB, zu erklären, warum man den
veralteten Text für einen derartigen Preis zur Veröffentlichung
freigegeben hat, während er noch für Monate in Form von PDFs
kostenlos zugänglich war, ohne wenigstens auf dieses Faktum
und die anderen genannten hinreichend deutlich hinzuweisen, und
ohne auf die kaum lauwarme Aufnahme der PDF-Texte in diesem Forum
überhaupt zu reagieren.
Jeder bilde sich dazu seine Meinung und erspare mir, nach
einigermaßen diplomatischen Bezeichnungen zu suchen.

DNB ihrerseits wird wohl auf ALA Publishing verweisen, die globalen
Monopolrechteinhaber und Spielregler, und sich aus dem Schneider
wähnen. Entbindet dies aber von der professionellen Pflicht,
an geeigneter Stelle in deutlicher Weise auf Fakten hinzuweisen,
die eine zutreffende Einschätzung auch denen ermöglichen, die
nicht jeden Tag die Entwicklung verfolgen können? Auf den RDA-Seiten

   http://www.dnb.de/DE/Standardisierung/International/rda.html

findet man zur Übersetzung nur: "Die Arbeitsstelle für Standardisierung
(AfS) hat die RDA ins Deutsche übersetzt". Zum Toolkit wird etwas mehr
gesagt, aber ohne Hinweise auf die Kosten, auch nicht auf der Seite
"Fragen und Antworten".
Die inzwischen erzielten Absichtserklärungen mit ALA sind zeitlich sehr
begrenzt, nennen gleichfalls keine Kosten und sind nicht für die
längere Sicht, auf die es ja ankäme, aussagefähig:


https://wiki.dnb.de/download/attachments/51742976/Lizenzierung_+RDA+Toolkitx.pdf?version=1&modificationDate=1387443150000

Daß die Geschehnisse um RDA allenthalben mit Gleich- statt Unmut
hingenommen werden, oder allenfalls wohl mit nichtöffentlichem Murren,
hat mir den Anstoß gegeben, hier nochmal was beizutragen, statt,
wie eigentlich versprochen, in diesem Forum jede Gelegenheit zu
nutzen, den Mund zu halten. Dies jedoch mehr aus dem Eindruck heraus,
daß Katalogisierungstheorie in wenigen Jahren eine galoppierende
Erosion ihrer einstmaligen Wichtigkeit erlebt hat und mit RDA nur noch
die Ideen des 19. Jh. perfektioniert. In der RDA-Liste wird darüber
immerhin geredet, wenngleich sich auch dort die Protagonisten daran
wenig beteiligen und die Mehrheit eine schweigende ist. Die LC
immerhin hat auf die harsche Kritik an der RDA-Sprache schnell
reagiert, nichts beschönigt und umgehend für Abhilfe gesorgt. Nur ist
die Sprache allein ja nicht alles. Bei LC findet man jedoch zu RDA
nicht eben viel:
    http://www.loc.gov/aba/rda/
und was man an Daten bisher gesehen hat, läßt eher den Schluß
zu, der klammheimliche Hauptsachtitel von RDA sei wohl AACR2.1
Gäbe es da nicht die andere Großbaustelle: BIBFRAME. Da wartet
man auf die Ankündigung eines Termins für die nächste Terminbekanntgabe.


B.Eversberg