[rak-list] Zum Aschermittwoch: Was wird aus MARC?

Bernhard Eversberg ev at biblio.tu-bs.de
Mit Mar 23 16:26:54 CET 2011


Am 23.03.2011 16:02, schrieb Lothar Kalok:
>
>  Zwei Beispiele fallen mir zu Ihrer Frage ein, warum es keine
>  einfacheren Datenstrukturen gibt bzw. warum Versuche hierzu
>  gescheitert seien.
>
>  a) UB Bochum in der Frühzeit des DV-Einsatzes in Bibliotheken: Die
>  UB Bochum, die von Beginn an (1962) mit EDV katalogisiert hat, hatte
>  bis Mitte der 70er Jahre ein Kategorienschema aus zunächst 15
>  Kategorien. Außerdem wurde alles in Großbuchstaben geschrieben. Da
>  man Daten der Library of Congress übernommen hat wurden der
>  Einfachheit halber auch die russischen Personen- Namen in der
>  US-Schreibweise angesetzt.
>
Noch dazu hatte man keine Kleinbuchstaben; es war eine Anlage der sog.
"2. Generation", es gab keinen Plattenspeicher, nur Magnetband. Daß
man davon weg wollte, sobald man konnte, war kein Thema.

>
>  Die anderen Neugründungen der 60er Jahre, die ebenfalls von Beginn
>  an mit EDV katalogisiert haben, hatten meines Wissens alle ein
>  differnziertes Kategorienschema in der Strukturierungstiefe von
>  MARC.
Nicht ganz. Aber sie kamen etwas später, als man auch schon größere
Zeichensätze hatte.

>
>  b) Unqualified Dublin Core, OAIster und WorldCat: Die Initiativen
>  zur Schaffung von lokalen Repositiories für elektronische Dokumente
>  sah vor, dass es Data Provider gibt (die Repositories), deren Daten
>  durch Data Harverster gesammelt und gemeinsam präsentiert werden.
>  Dazu war einerseits ein Datenübertragungsprotokoll notwendig OAI,
>  andererseits ein Schema für die Daten. Hier hat sich Dublin Core
>  etabliert, das in der übliche Version ebenfalls mit ca 15 Kategorien
>  auskommt.
>  ...
>  Obwohl das Schema relativ einfach ist werden nach den Erfahrungen,
>  die z.B. von BASE berichtet werden, die Daten trotzdem nicht
>  entsprechend den Standards geliefert.
>  ...
>  Ein einfaches Schema bedeutet also keineswegs, dass die
>  Datenerfassung konstistenter ist. Es kann sogar das Gegenteil der
>  Fall sein: wenn keine der "Kategorien" passt und dann eine andere
>  nach bestem Wissen und Gewissen" ausgewählt werden muss. Das
>  Ergebnis muss dann durchaus nicht reproduzierbar sein.
>
DC ist kein Format, nur eine Liste von Datenelementen samt Definitionen.
Ein Kompromiß zwischen einigen ganz verschiedenen Communities, die
auf einen gemeinsamen Kern von Elementen einigen wollten, als sie
gemerkt hatten, daß sie alle äußerst verschiedene Modelle hatten,
zwischen denen man kaum vermitteln konnte. Und "Core" bedeutet
natürlich, daß es nur ein Kernbestand ist, der für konkrete Anwendungen
stets um weitere Elemente ergänzt werden muß, die in einer anderen
Community vermutlich uninteressant sind.

Als Alternative zu MARC oder MAB oder Pica kann daher DC auf gar
keinen Fall gelten.
Austausch gelingt umso besser, je genauer alles spezifiziert ist, das
versteht sich doch von selbst. Aber auch, wenn zwei Partner beide
MARC anwenden, aber nach AACR bzw. RAK katalogisieren, ist kein
zuverlässiger Austausch möglich, solange inkompatible Normdaten
verwendet werden bzw. bei den beschreibenden Elementen unterschiedliche
Arbeitssprachen. Daher ja meine Rede, wenn schon RDA, denn schon
Englisch als Arbeitssprache, sonst bleibt man auf halbem
Wege stecken, vom Aufwand der Übersetzung und Pflege mal ganz abgesehen.
Einen Bruch mit allen bisherigen Daten hat man ohnehin in Kauf zu
nehmen, das ist ein anderes Thema, und in den LC-Fremddaten wird man
auch auf Dauer mit zwei Zeitschichten leben müssen.

Andererseits kann ich aus eigener Erfahrung (in Bochum studiert) sagen,
daß der damalige KWOC-Katalog, ein früher Stichwortkatalog auf Papier,
mit 1 Zeile je Buch, der meistbenutzte und nützlichste von allen war.
Um den zu machen, reichten die wenigen Kategorien völlig aus.
Will man nun auf neue Vereinfachungen hinaus, muß man also erst einmal
sagen, was denn die Funktionen des Katalogs künftig sein sollen. Der
Bochumer KWOC konnte jedenfalls schon eine erfüllen, die ein
Zettelkatalog oder auch mancher spätere DV-Katalog nicht zu bieten hatte.
Also: Ist FRBR das Maß der Dinge oder nicht?

B.Eversberg