[rak-list] Wie geht's weiter?

Bernhard Eversberg ev at biblio.tu-bs.de
Mon Aug 29 09:40:44 CEST 2011


Frau Wiesenmüller hat ja nun im Bibliotheksdienst 8/9, S. 678-691
in aller Ausführlichkeit und Gründlichkeit den RDA-Test und den
Testbericht der LC gewürdigt.
Am 5.10. will sich der Standardisierungsausschuß treffen und über
das weitere Vorgehen beraten.
Der LC-Bericht sieht die Möglichkeit zu einer RDA-Migration
für frühestens Anfang 2013, stellt dafür aber einige, auch für uns
nicht unerhebliche Bedingungen, darunter die Neuformulierung des
Textes (kann man vorher mit einer Übersetzung beginnen?) sowie
ein entschiedener Schritt weg von MARC (nachdem wir's nun gerade einführen).
Zum dritten kann man nicht deutlich genug darauf hinweisen, daß
die Testdaten, wie es auch Fr. Wiesenmüller herausstellt, eine
für unser Verständnis allzu zaghafte Regelauslegung verkörpern,
die über das Szenario 3 nicht hinauskommt - während unsere Praxis
seit je dem Szenario 2 entspricht.
Fr. Wiesenmüller geht nicht auf das Geschäftsmodell der ALA
Publishing ein. Akzeptanz kann dies aber bei uns nicht finden,
das scheint wohl gewiß. Es steht ja sogar den Zielen des JSC im
Wege (z.B. andere Communities zu gewinnen), dort jedoch äußert
man sich dazu konsequent nicht. Vom StA sollte man aber ein dies-
bezügliches Wort erwarten können, nachdem es schon lange immer
wieder nur Andeutungen gegeben hat über Verhandlungen und pauschale
Lizenzierungsmodelle, nur nichts Konkretes.

Kann man in dieser Lage klare und tragfähige Lösungen finden?
Lösungen, die dem ursprünglichen Ziel des N-Beschlusses näherkommen,
auf eine internationale Norm umzustellen? Eben diese Norm ist ja
nun in Bewegung geraten und hat noch keinen neuen Fixpunkt erreicht.
Wollte man nun unbeirrt auf der Basis des momentanen RDA-Textes
weiterschreiten, kann das genannte Ziel wohl kaum erreicht werden.

Mit Blick auf die Testdaten und die Festlegungen der deutschen
MARC-Version auf der andern Seite (die das Szenario 2 ermöglicht!)
ist ohnehin anzunehmen, daß eben keine feste internationale Norm
im Entstehen ist, sondern Varianten, die dann wieder nicht besser
zusammenpassen als vorher.

Vielversprechend ist einzig das Unternehmen VIAF. Es ist schon
*vor* der RDA-Bewegung entstanden und mit der ausdrücklichen
Zielrichtung, daß Ansetzungsregeln bestehender Regelwerke eben
nicht geändert werden müssen. Vielversprechend ist dabei die
Möglichkeit, mit neuen Webdiensten Verbindungen zu schlagen über
Grenzen hinweg, die dem Nutzer keine Kenntnis der divergierenden
Katalogpraktiken abverlangen. Das ist ein Weg, der den heutigen
technischen Web-Konzepten ("Semantic Web" und "Linked data") entspricht
und nicht mehr bei rein bibliotheksinternen Ansätzen verharrt.
Die Finanzierung allerdings könnte sich auf die Dauer auch hier
noch als problematisch erweisen.

Ist nicht aber, wenn man dies alles bedenkt, das Regelwerk längst
nicht mehr so wichtig? In den Verbünden, aber auch in einzelnen
Bibliotheken, sind vielfältige Praktiken und Regelauslegungen
in Betrieb und basieren auf Dokumentationen, die inzwischen
weit mehr als die alten RAK-Ausgaben das Katalogisieren
unterstützen, und dies setzt sich fort. In bald 99 von 100 Fällen
kopiert man einen anderen Datensatz und modifiziert ihn nach
Bedarf! Das alte wie das neue Regelwerk berührt ja auch viele Dinge gar
nicht, die in der Praxis aber sehr wichtig sind. Der ganze Bereich der
Kataloganreicherung bleibt bei RAK wie RDA außen vor. Indexierung,
Ergebnispräsentation, Navigieren und eben Neuerungen wie VIAF
werden nicht behandelt.

Fast ist man nun versucht, dem StA zu sagen, "Ach Gott, beschließt's
halt irgendwas, und gut is". Und in der Praxis wird weitergemacht,
wie es die Gegebenheiten erfordern und wie es eingespielt ist.
Viel Raum für Umbrüche ist doch da sowieso nicht mehr, und die Technik
im Web wird weiter die Möglichkeiten verbessern, mit nicht so ganz
kompatiblen Daten sinnvolle Dinge anzustellen. Und neue, zu denen das
Regelwerk eh nichts sagt, die aber auf neue Weise helfen, von denen
FRBR-Vorvater Charles A. Cutter noch nicht träumen konnte.

B.Eversberg