[rak-list] ToolKit deutsch: ein ALA-Produkt

Armin Stephan armin.stephan at augustana.de
Fre Apr 8 14:28:30 CEST 2011


Liebe Frau Wiesenmüller,

schaut man sich die RDA genauer an - unter Absehung von dem 
theoretischen Überbau FRBR, der gerade heute wieder in der RDA-Liste 
stark diskutiert wird -, dann wird sehr deutlich, wie groß die 
AACR-Beharrungskräfte im angloamerikanischen Raum sind.

Mir fehlen schlicht die Kontakte, um beurteilen zu können, wie groß 
vielleicht doch die Bereitschaft zu Veränderungen veralteter AACR-Regeln 
in den AACR-Landen ist, aber meine Skepsis ist groß.

Was Sie über die Zeitpläne des StA berichten, ist auch nicht gerade sehr 
beruhigend. Es erinnert sehr stark an die Testphase des RDA-Toolkits, wo 
man auch mitten in der Urlaubszeit hätte drauf gucken sollen. Ende 
August, also noch im berühmten Sommerloch, soll eine Übersetzung 
vorliegen, womöglich dauert es noch ein wenig länger, und Anfang 
Oktober, wenn die Arbeit allmählich erst wieder in Gang kommt, soll dann 
schon entschieden werden. Eine beachtlich kurze Frist nach Jahren der 
Stagnation.

Ihre Einschätzung, was die Zugänglichkeit dieser wie auch immer 
gearteten Übersetzung angeht, teile ich. Sie kann nur eine 
Arbeitsübersetzung für einen sehr begrenzten Kreis sein. Eine frei 
verfügbare Übersetzung müsste ja, wie wir jetzt wissen, von Herrn Linker 
genehmigt (und verkauft?) werden - obwohl jedem klar ist, dass sie noch 
gar nicht das intendierte Arbeitsinstrument ist, sondern nur eine 
Diskussionsgrundlage. Ich lasse mich aber in diesem Punkt gerne auch 
Lügen strafen.


Am 08.04.2011 13:53, schrieb Heidrun Wiesenmüller:
> Lieber Herr Eversberg, liebe KollegInnen,
>
> etwas verspätet noch einige Kommentare von meiner Seite: Schon auf der 
> Sitzung des Standardisierungsausschusses am 25.11.2009 war explizit 
> gesagt worden, dass das Vorliegen einer deutschen Übersetzung eine der 
> Voraussetzungen für die Entscheidung ist:
>
> "Auch Frau Niggemann und der Vorsitzende sehen eine ausreichende 
> Datenbasis als Voraussetzung für die Diskussion und einen Beschluss 
> zur Übernahme der RDA an. Dazu sollten die RDA, die Übersetzung des 
> Regelwerkstextes sowie die Ergebnisse der Tests vorliegen."
> http://www.d-nb.de/standardisierung/pdf/p_sta_20091125_e2.pdf
>
> Man kann sich freilich schon fragen, ob man wirklich eine vollständige 
> deutsche Übersetzung braucht, um einen solchen Entschluss zu fassen. 
> Ob bzw. inwieweit RDA für eine Anwendung im deutschsprachigen Raum 
> tauglich ist, lässt sich auch am englischen Original feststellen; 
> diejenigen, die sich auf der Arbeitsebene damit beschäftigen, müssen 
> ja zwangsläufig damit arbeiten. Und wenn man nur ein Gefühl dafür 
> bekommen möchte, wie RDA auf Deutsch klingen wird (ich vermute: gewiss 
> nicht eleganter als im englischen Original...), hätten einige 
> Probe-Kapitel genügt.
>
> Aber sei es, wie dem auch sei: Die deutsche Übersetzung wird offenbar 
> kommen, und zwar schon recht bald - auch wenn bei den Verhandlungen 
> scheinbar allerstrengste Geheimhaltung herrscht. In den Folien eines 
> Vortrags, den Frau Oehlschläger vor einigen Wochen in Mainz gehalten hat,
> http://www.d-nb.de/standardisierung/pdf/mainz_rda_web.pdf
> findet sich auf Folie 70 die Angabe, dass bis Ende August 2011 die 
> deutsche Übersetzung "in erster Rohfassung" vorliegen soll. Ich nehme 
> allerdings an, dass diese Fassung nur für einen kleinen Kreis 
> einsehbar sein wird (liebe Frau Oehlschläger, liebe Frau Frodl, 
> vielleicht können Sie dazu noch etwas sagen?). Die Entscheidung des 
> STA wird an gleicher Stelle für den 5. Oktober angekündigt, jedoch mit 
> einem Fragezeichen versehen.
>
> Eine wichtige Rolle werden dabei auch die Ergebnisse der 
> amerikanischen RDA-Tests spielen. Vor einigen Tagen hat Judy Kuhagen 
> (LC) in der RDA-List die Terminplanung dafür bekannt gegeben:
> http://www.mail-archive.com/rda-l@listserv.lac-bac.gc.ca/msg04985.html
> Das Testkommittee wird seinen Bericht am 6. Mai an das obere 
> Management der drei amerikanischen Nationalbibliotheken übergeben. 
> Deren Entscheidung über die Einführung oder Nicht-Einführung (oder 
> womöglich "Nicht-sofort-Einführung"?) von RDA wird im Juni bekannt 
> gegeben. Der Bericht für die Öffentlichkeit wird ebenfalls im Juni 
> veröffentlicht (noch vor der ALA-Konferenz, also vor dem 23. Juni).
>
> Persönlich komme ich übrigens immer mehr zu der Meinung, dass - falls 
> der Umstieg beschlossen wird - es besser wäre, nicht die erste 
> RDA-Ausgabe als Basis zu nehmen, sondern wenigstens das zweite Release 
> abzuwarten. Eine gewisse Hoffnung habe ich nämlich schon, dass RDA im 
> nächsten Schritt etwas moderner werden wird und sich von der fast 
> sklavischen Orientierung an AACR2 wenigstens zum Teil wird lösen 
> können. Ein Beispiel: Gerade führe ich eine E-Mail-Diskussion mit Judy 
> Kuhagen zum Thema "Körperschaften mit Haupteintragung". Bislang steht 
> die alte AACR2-Regel fast wortwörtlich in RDA drin (dieser zufolge 
> erhält bei bestimmten Arten von Publikationen der Urheber stets die 
> Haupteintragung). Da dieses Kriterium von unserer RAK-Regel stark 
> abweicht, hätten wir hier ein erhebliches Kompatibilitätsproblem. Frau 
> Kuhagen hat mich nun darauf hingewiesen, dass sich das JSC bewusst 
> dafür entschieden hatte, in diesem Bereich für das erste Release noch 
> nichts zu ändern, "until the impact of changing the AACR2 practice has 
> been studied". Gerade die LC wäre aber durchaus daran interessiert, zu 
> einer neuen Regel zu kommen, die nicht mehr auf der Auflistung von 
> Publikationstypen beruht, und das JSC wird sich offenbar in absehbarer 
> Zeit mit diesem Thema beschäftigen. Gut möglich, dass die Neufassung 
> dann auch unseren Interessen entgegenkommen und uns den Umstieg 
> leichter machen würde.
>
> Gegen ein solches Abwarten auf eine verbesserte RDA-Version spricht 
> zugegebenermaßen die Tatsache, dass wir dann noch länger mit der 
> derzeitigen, sehr unbefriedigenden Regelwerkssituation leben müssten. 
> Alternativ wäre vielleicht ein Kompromiss in der Weise vorstellbar, 
> dass einige Bereiche definiert werden, in denen unsere bisherige 
> Regelung vorläufig erhalten bleibt. Das wäre auf alle Fälle besser, 
> als alte "AACR2-Zöpfe" zu übernehmen, die in absehbarer Zeit sowieso 
> abgeschnitten werden. Dann könnte man in diesen Bereichen die weitere 
> Entwicklung der RDA abwarten (bzw. möglichst auch aktiv beeinflussen) 
> und ggf. zu einem späteren Zeitpunkt entsprechende, verbesserte 
> RDA-Regeln übernehmen.
>
> Tja, nun habe auch ich wieder einmal fleißig spekuliert und 
> gemutmaßt...! Wie Herr Eversberg würde ich es begrüßen, wenn es mehr 
> Äußerungen von offizieller Seite in diesem Forum geben würde. 
> Nichtsdestoweniger bin ich trotzdem froh, dass es eine Liste gibt, 
> über die man die an Katalogisierung interessierten KollegInnen 
> erreicht - deshalb hoffe ich, dass uns die RAK-List weiterhin erhalten 
> bleibt (und finde es sogar ein bisschen schön, dass sie immer noch den 
> Namen unseres jetzigen Regelwerks trägt).
>
> Abschließend noch ein Hinweis in eigener Sache: Frau Frodl nannte in 
> ihrer Mail u.a. "Workshops zu RDA" als Informationskanal. Nur, damit 
> es hier keine Verwechslung gibt: Die von mir unter dem Titel 
> "RDA-Workshop" an verschiedenen Orten abgehaltenen Fortbildungen sind 
> damit natürlich nicht gemeint; bei diesen handelt es sich um eine von 
> mir in eigener Verantwortung, unabhängig von der AfS, konzipierte 
> Veranstaltung.
>
> Viele Grüße
> Heidrun Wiesenmüller
>
>
> Am 05.04.2011 15:25, schrieb Bernhard Eversberg:
>> Am 05.04.2011 13:23, schrieb Frodl, Christine:
>>> Der offizielle Informationsfluss, wie Sie ihn nennen, besteht 
>>> allerdings aus mehreren Flüssen:
>>>
>>> 1.    Dem Newsletter "Standardisierung und Erschließung" (die 
>>> nächste Ausgabe erscheint diesen Monat)
>>> 2.    Dem DIALOG mit Bibliotheken sowie Veröffentlichungen in 
>>> anderen Fachzeitschriften
>>> 3.    Der Website der DNB mit ausführlichen Hinweisen zur 
>>> Regelwerksentwicklung, einschließlich aller Protokolle sowohl des 
>>> Standardisierungsausschusses als auch der Expertengruppen
>>> 4.    Vorträgen, so zum Beispiel u. a. mein Vortrag über RDA beim 
>>> GBV in Göttingen am 29. März dieses Jahres
>>> 5.    Workshops zu RDA
>>> 6.    Fortbildungen zu FRBR und RDA
>>> 7.    Informationen und Vorträge beim Treffpunkt Standardisierung 
>>> auf dem Bibliothekartag am 8. Juni 2011, 13:30 - 16:30 Uhr sowie am 
>>> Messestand der DNB
>>> 8.    Mailinglisten, so z. B. auch die rak-list
>> Alles unbestritten und alles mustergültig, aber die RAK-Liste, die 
>> können
>> Sie wirklich abschaffen. Sie ist zwar von allem Genannten das einzige 
>> Medium
>> zur Erörterung aktueller Fragen, aber diejenigen, die sachdienliche und
>> erhellende Auskünfte liefern könnten, nutzen es nicht. Sie lassen es 
>> vielmehr
>> zu, daß hier fortwährend nur spekuliert und gemutmaßt wird.
>> (Sie nehmen bitte, liebe Frau Frodl, nichts von alledem persönlich, was
>> ich hier schreibe.)
>>
>> > An umfangreichen Diskussionen in der rak-list und anderen 
>> Mailinglisten
>> > kann sich leider nicht jeder immer beteiligen, da oft dienstliche
>> > Belange und arbeitsorganisatorische Gründe dies selten erlauben.
>>
>> Allzu selten. Sagen Sie lieber ganz offen: Sorry, wir schaffen das 
>> nicht,
>> wir stellen diesen Dienst ein.
>> Meine unmaßgebliche Meinung ist immer noch, daß ein Unterfangen wie ein
>> Regelwerksumstieg eine Vollzeitkraft für die Kommunikation mit der
>> Fachöffentlichkeit bräuchte. Sie können nicht zufrieden sein mit dem 
>> Mißmut,
>> der ganz offenkundig seit langem verbreitet ist. Und, wieder meine
>> unmaßgebliche Meinung, das Bibliothekswesen wäre gut beraten, an der
>> Verbesserung solcher Zustände zu arbeiten.
>>
>>> Zur Klarstellung: Ein Beschluss des Standardisierungsausschusses zur 
>>> Einführung der RDA ist, entgegen Ihrer Vermutung, bisher nicht erfolgt.
>> Gut.
>> Die Frage im Interview allerdings, das müssen Sie zugeben, ließ sich
>> anders nicht deuten als sei alles entschieden - wozu denn sonst eine
>> Übersetzung und wozu diese Frage aus dem Mund der 
>> Standardisierungsabteilung?
>> (Also war sie nur unglücklich formuliert, ok.)
>> Andererseits: An RAK wurde seit Jahren nichts gemacht, was also bleibt
>> denn zur Wahl?
>>
>>> Zur deutschen Übersetzung der RDA: Jede ordnungsgemäße Übersetzung 
>>> eines Werkes setzt vertragliche Vereinbarungen über verschiedenste 
>>> Rechte (Urherberrechte, Nutzungsrechte etc.) voraus.
>> Das ist klar. Das eigentliche Problem liegt aber schon in der 
>> Entscheidung,
>> nach alter Vätersitte die kompletten Verwertungsrechte am Objekt 
>> "Regelwerk"
>> einem Verlag zu überantworten. Der es nicht erarbeitet und auch die
>> personellen Leistungen nicht honoriert hat. Es kommt hinzu, daß in 
>> diesem Fall
>> dadurch ein globales Monopol auf einen Text entsteht, der als solcher,
>> wie ein Gesetztestext, frei sein sollte - und das in dieser Zeit und 
>> in unserem
>> Umfeld, wo größtmögliche Freizügigkeit im Zugang zu Texten das 
>> erklärte Ziel
>> unserer Profession ist. Also was geben wir da für ein Beispiel
>> ausgerechnet mit einer unserer wichtigsten "Ressourcen"? Auch die 
>> RDA-Liste
>> hat es mehrfach beklagt - ohne Reaktion vom JSC - daß es sich so 
>> verhält und
>> deshalb die "anderen Communities" eben gerade doch nicht auf den Zug 
>> aufspringen.
>> Nun sagen Sie nicht, das war so nicht alles vorhersehbar. Vor Jahren 
>> wurde
>> darauf aufmerksam gemacht und auch praktisch demonstriert (mit der RAK-
>> Datenbank und später mit der RDA-Entwurfsdatenbank), daß im 
>> (monopol)freien
>> Spiel der Kräfte mit einem Regelwerkstext auch neue Angebote erarbeitet
>> werden können und neue, interaktive Möglichkeiten des Umgangs damit. 
>> Aber
>> vergebens. Diese Punkte wurden des öfteren in diesem Forum angesprochen,
>> aber niemand aus DNB oder StA fand Zeit zu einer Äußerung, und sei's nur
>> sowas gewesen wie "Schön und gut, aber die Sachzwänge erlauben nichts 
>> anderes."
>> Nein, reagiert wird ganz allgemein immer nur sehr selektiv, auch beim 
>> JSC,
>> und das ist es doch, was besonders viel Unmut stiftet. Da wäre es 
>> ehrlicher,
>> die Liste zuzumachen.
>>
>> Positiv gewendet, sehe ich immer noch die Möglichkeit, das Monopol nicht
>> einfach hinzunehmen, sondern die Freiheit des Textes als solchem zur
>> Bedingung zu machen, ohne die es keine Zustimmung und keine Übernahme
>> gibt. Mehrwert, wie etwa ein Toolkit, kann jeder nach Belieben anbieten,
>> auch kommerziell, aber der Text (so wie er als XML-Datei vorliegt) muß
>> frei sein. Sonst wird die Sache festgeschrieben bis ans Ende unserer 
>> Tage
>> bzw. unseres Berufsstands, was immer davon zuletzt kommt, und dieses 
>> Forums
>> bedarf's schon gleich gar nicht mehr.
>>
>> B.E.
>>
>>
>>
>>
>>
>>
>>
>> _______________________________________________
>> rak-list mailing list
>> rak-list at lists.d-nb.de
>> http://lists.d-nb.de/mailman/listinfo/rak-list
>
>

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Mit freundlichen Gruessen
Armin Stephan
Jefe de Biblioteca
Augustana-Hochschule / Bibliothek
D-91564 Neuendettelsau
Tel. 09874/509-300
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