[rak-list] ToolKit deutsch: ein ALA-Produkt

Heidrun Wiesenmüller wiesenmueller at hdm-stuttgart.de
Fre Apr 8 13:53:52 CEST 2011


Lieber Herr Eversberg, liebe KollegInnen,

etwas verspätet noch einige Kommentare von meiner Seite: Schon auf der 
Sitzung des Standardisierungsausschusses am 25.11.2009 war explizit 
gesagt worden, dass das Vorliegen einer deutschen Übersetzung eine der 
Voraussetzungen für die Entscheidung ist:

"Auch Frau Niggemann und der Vorsitzende sehen eine ausreichende 
Datenbasis als Voraussetzung für die Diskussion und einen Beschluss zur 
Übernahme der RDA an. Dazu sollten die RDA, die Übersetzung des 
Regelwerkstextes sowie die Ergebnisse der Tests vorliegen."
http://www.d-nb.de/standardisierung/pdf/p_sta_20091125_e2.pdf

Man kann sich freilich schon fragen, ob man wirklich eine vollständige 
deutsche Übersetzung braucht, um einen solchen Entschluss zu fassen. Ob 
bzw. inwieweit RDA für eine Anwendung im deutschsprachigen Raum tauglich 
ist, lässt sich auch am englischen Original feststellen; diejenigen, die 
sich auf der Arbeitsebene damit beschäftigen, müssen ja zwangsläufig 
damit arbeiten. Und wenn man nur ein Gefühl dafür bekommen möchte, wie 
RDA auf Deutsch klingen wird (ich vermute: gewiss nicht eleganter als im 
englischen Original...), hätten einige Probe-Kapitel genügt.

Aber sei es, wie dem auch sei: Die deutsche Übersetzung wird offenbar 
kommen, und zwar schon recht bald - auch wenn bei den Verhandlungen 
scheinbar allerstrengste Geheimhaltung herrscht. In den Folien eines 
Vortrags, den Frau Oehlschläger vor einigen Wochen in Mainz gehalten hat,
http://www.d-nb.de/standardisierung/pdf/mainz_rda_web.pdf
findet sich auf Folie 70 die Angabe, dass bis Ende August 2011 die 
deutsche Übersetzung "in erster Rohfassung" vorliegen soll. Ich nehme 
allerdings an, dass diese Fassung nur für einen kleinen Kreis einsehbar 
sein wird (liebe Frau Oehlschläger, liebe Frau Frodl, vielleicht können 
Sie dazu noch etwas sagen?). Die Entscheidung des STA wird an gleicher 
Stelle für den 5. Oktober angekündigt, jedoch mit einem Fragezeichen 
versehen.

Eine wichtige Rolle werden dabei auch die Ergebnisse der amerikanischen 
RDA-Tests spielen. Vor einigen Tagen hat Judy Kuhagen (LC) in der 
RDA-List die Terminplanung dafür bekannt gegeben:
http://www.mail-archive.com/rda-l@listserv.lac-bac.gc.ca/msg04985.html
Das Testkommittee wird seinen Bericht am 6. Mai an das obere Management 
der drei amerikanischen Nationalbibliotheken übergeben. Deren 
Entscheidung über die Einführung oder Nicht-Einführung (oder womöglich 
"Nicht-sofort-Einführung"?) von RDA wird im Juni bekannt gegeben. Der 
Bericht für die Öffentlichkeit wird ebenfalls im Juni veröffentlicht 
(noch vor der ALA-Konferenz, also vor dem 23. Juni).

Persönlich komme ich übrigens immer mehr zu der Meinung, dass - falls 
der Umstieg beschlossen wird - es besser wäre, nicht die erste 
RDA-Ausgabe als Basis zu nehmen, sondern wenigstens das zweite Release 
abzuwarten. Eine gewisse Hoffnung habe ich nämlich schon, dass RDA im 
nächsten Schritt etwas moderner werden wird und sich von der fast 
sklavischen Orientierung an AACR2 wenigstens zum Teil wird lösen können. 
Ein Beispiel: Gerade führe ich eine E-Mail-Diskussion mit Judy Kuhagen 
zum Thema "Körperschaften mit Haupteintragung". Bislang steht die alte 
AACR2-Regel fast wortwörtlich in RDA drin (dieser zufolge erhält bei 
bestimmten Arten von Publikationen der Urheber stets die 
Haupteintragung). Da dieses Kriterium von unserer RAK-Regel stark 
abweicht, hätten wir hier ein erhebliches Kompatibilitätsproblem. Frau 
Kuhagen hat mich nun darauf hingewiesen, dass sich das JSC bewusst dafür 
entschieden hatte, in diesem Bereich für das erste Release noch nichts 
zu ändern, "until the impact of changing the AACR2 practice has been 
studied". Gerade die LC wäre aber durchaus daran interessiert, zu einer 
neuen Regel zu kommen, die nicht mehr auf der Auflistung von 
Publikationstypen beruht, und das JSC wird sich offenbar in absehbarer 
Zeit mit diesem Thema beschäftigen. Gut möglich, dass die Neufassung 
dann auch unseren Interessen entgegenkommen und uns den Umstieg leichter 
machen würde.

Gegen ein solches Abwarten auf eine verbesserte RDA-Version spricht 
zugegebenermaßen die Tatsache, dass wir dann noch länger mit der 
derzeitigen, sehr unbefriedigenden Regelwerkssituation leben müssten. 
Alternativ wäre vielleicht ein Kompromiss in der Weise vorstellbar, dass 
einige Bereiche definiert werden, in denen unsere bisherige Regelung 
vorläufig erhalten bleibt. Das wäre auf alle Fälle besser, als alte 
"AACR2-Zöpfe" zu übernehmen, die in absehbarer Zeit sowieso 
abgeschnitten werden. Dann könnte man in diesen Bereichen die weitere 
Entwicklung der RDA abwarten (bzw. möglichst auch aktiv beeinflussen) 
und ggf. zu einem späteren Zeitpunkt entsprechende, verbesserte 
RDA-Regeln übernehmen.

Tja, nun habe auch ich wieder einmal fleißig spekuliert und 
gemutmaßt...! Wie Herr Eversberg würde ich es begrüßen, wenn es mehr 
Äußerungen von offizieller Seite in diesem Forum geben würde. 
Nichtsdestoweniger bin ich trotzdem froh, dass es eine Liste gibt, über 
die man die an Katalogisierung interessierten KollegInnen erreicht - 
deshalb hoffe ich, dass uns die RAK-List weiterhin erhalten bleibt (und 
finde es sogar ein bisschen schön, dass sie immer noch den Namen unseres 
jetzigen Regelwerks trägt).

Abschließend noch ein Hinweis in eigener Sache: Frau Frodl nannte in 
ihrer Mail u.a. "Workshops zu RDA" als Informationskanal. Nur, damit es 
hier keine Verwechslung gibt: Die von mir unter dem Titel "RDA-Workshop" 
an verschiedenen Orten abgehaltenen Fortbildungen sind damit natürlich 
nicht gemeint; bei diesen handelt es sich um eine von mir in eigener 
Verantwortung, unabhängig von der AfS, konzipierte Veranstaltung.

Viele Grüße
Heidrun Wiesenmüller


Am 05.04.2011 15:25, schrieb Bernhard Eversberg:
> Am 05.04.2011 13:23, schrieb Frodl, Christine:
>> Der offizielle Informationsfluss, wie Sie ihn nennen, besteht 
>> allerdings aus mehreren Flüssen:
>>
>> 1.    Dem Newsletter "Standardisierung und Erschließung" (die nächste 
>> Ausgabe erscheint diesen Monat)
>> 2.    Dem DIALOG mit Bibliotheken sowie Veröffentlichungen in anderen 
>> Fachzeitschriften
>> 3.    Der Website der DNB mit ausführlichen Hinweisen zur 
>> Regelwerksentwicklung, einschließlich aller Protokolle sowohl des 
>> Standardisierungsausschusses als auch der Expertengruppen
>> 4.    Vorträgen, so zum Beispiel u. a. mein Vortrag über RDA beim GBV 
>> in Göttingen am 29. März dieses Jahres
>> 5.    Workshops zu RDA
>> 6.    Fortbildungen zu FRBR und RDA
>> 7.    Informationen und Vorträge beim Treffpunkt Standardisierung auf 
>> dem Bibliothekartag am 8. Juni 2011, 13:30 - 16:30 Uhr sowie am 
>> Messestand der DNB
>> 8.    Mailinglisten, so z. B. auch die rak-list
> Alles unbestritten und alles mustergültig, aber die RAK-Liste, die können
> Sie wirklich abschaffen. Sie ist zwar von allem Genannten das einzige 
> Medium
> zur Erörterung aktueller Fragen, aber diejenigen, die sachdienliche und
> erhellende Auskünfte liefern könnten, nutzen es nicht. Sie lassen es 
> vielmehr
> zu, daß hier fortwährend nur spekuliert und gemutmaßt wird.
> (Sie nehmen bitte, liebe Frau Frodl, nichts von alledem persönlich, was
> ich hier schreibe.)
>
> > An umfangreichen Diskussionen in der rak-list und anderen Mailinglisten
> > kann sich leider nicht jeder immer beteiligen, da oft dienstliche
> > Belange und arbeitsorganisatorische Gründe dies selten erlauben.
>
> Allzu selten. Sagen Sie lieber ganz offen: Sorry, wir schaffen das nicht,
> wir stellen diesen Dienst ein.
> Meine unmaßgebliche Meinung ist immer noch, daß ein Unterfangen wie ein
> Regelwerksumstieg eine Vollzeitkraft für die Kommunikation mit der
> Fachöffentlichkeit bräuchte. Sie können nicht zufrieden sein mit dem 
> Mißmut,
> der ganz offenkundig seit langem verbreitet ist. Und, wieder meine
> unmaßgebliche Meinung, das Bibliothekswesen wäre gut beraten, an der
> Verbesserung solcher Zustände zu arbeiten.
>
>> Zur Klarstellung: Ein Beschluss des Standardisierungsausschusses zur 
>> Einführung der RDA ist, entgegen Ihrer Vermutung, bisher nicht erfolgt.
> Gut.
> Die Frage im Interview allerdings, das müssen Sie zugeben, ließ sich
> anders nicht deuten als sei alles entschieden - wozu denn sonst eine
> Übersetzung und wozu diese Frage aus dem Mund der 
> Standardisierungsabteilung?
> (Also war sie nur unglücklich formuliert, ok.)
> Andererseits: An RAK wurde seit Jahren nichts gemacht, was also bleibt
> denn zur Wahl?
>
>> Zur deutschen Übersetzung der RDA: Jede ordnungsgemäße Übersetzung 
>> eines Werkes setzt vertragliche Vereinbarungen über verschiedenste 
>> Rechte (Urherberrechte, Nutzungsrechte etc.) voraus.
> Das ist klar. Das eigentliche Problem liegt aber schon in der 
> Entscheidung,
> nach alter Vätersitte die kompletten Verwertungsrechte am Objekt 
> "Regelwerk"
> einem Verlag zu überantworten. Der es nicht erarbeitet und auch die
> personellen Leistungen nicht honoriert hat. Es kommt hinzu, daß in 
> diesem Fall
> dadurch ein globales Monopol auf einen Text entsteht, der als solcher,
> wie ein Gesetztestext, frei sein sollte - und das in dieser Zeit und 
> in unserem
> Umfeld, wo größtmögliche Freizügigkeit im Zugang zu Texten das 
> erklärte Ziel
> unserer Profession ist. Also was geben wir da für ein Beispiel
> ausgerechnet mit einer unserer wichtigsten "Ressourcen"? Auch die 
> RDA-Liste
> hat es mehrfach beklagt - ohne Reaktion vom JSC - daß es sich so 
> verhält und
> deshalb die "anderen Communities" eben gerade doch nicht auf den Zug 
> aufspringen.
> Nun sagen Sie nicht, das war so nicht alles vorhersehbar. Vor Jahren 
> wurde
> darauf aufmerksam gemacht und auch praktisch demonstriert (mit der RAK-
> Datenbank und später mit der RDA-Entwurfsdatenbank), daß im 
> (monopol)freien
> Spiel der Kräfte mit einem Regelwerkstext auch neue Angebote erarbeitet
> werden können und neue, interaktive Möglichkeiten des Umgangs damit. Aber
> vergebens. Diese Punkte wurden des öfteren in diesem Forum angesprochen,
> aber niemand aus DNB oder StA fand Zeit zu einer Äußerung, und sei's nur
> sowas gewesen wie "Schön und gut, aber die Sachzwänge erlauben nichts 
> anderes."
> Nein, reagiert wird ganz allgemein immer nur sehr selektiv, auch beim 
> JSC,
> und das ist es doch, was besonders viel Unmut stiftet. Da wäre es 
> ehrlicher,
> die Liste zuzumachen.
>
> Positiv gewendet, sehe ich immer noch die Möglichkeit, das Monopol nicht
> einfach hinzunehmen, sondern die Freiheit des Textes als solchem zur
> Bedingung zu machen, ohne die es keine Zustimmung und keine Übernahme
> gibt. Mehrwert, wie etwa ein Toolkit, kann jeder nach Belieben anbieten,
> auch kommerziell, aber der Text (so wie er als XML-Datei vorliegt) muß
> frei sein. Sonst wird die Sache festgeschrieben bis ans Ende unserer Tage
> bzw. unseres Berufsstands, was immer davon zuletzt kommt, und dieses 
> Forums
> bedarf's schon gleich gar nicht mehr.
>
> B.E.
>
>
>
>
>
>
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> http://lists.d-nb.de/mailman/listinfo/rak-list


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