[rak-list] Aufsatzbände in RDA: Erläuterungen der LC

Heidrun Wiesenmüller wiesenmueller at hdm-stuttgart.de
Don Sep 2 14:11:55 CEST 2010


  Lieber Herr Eversberg,

> "... funktioniert die klassische NE ... nicht mehr"?  Das soll doch
> wohl nicht heißen, daß die, wollte man sie denn machen, wirkungslos
> würde, sondern Sie meinen sicher, man könne sie nun nicht mehr machen?

Ja, genau so war's gemeint: Gemäß RDA kann man zwar zu allen möglichen 
und unmöglichen Personen Beziehungen anlegen, aber eben nicht zum 
geistigen Schöpfer eines enthaltenen Werkes - hier muss man stattdessen 
eine Beziehung zum enthaltenen Werk erfassen (in der dann natürlich die 
Person mit drin steckt). Da RDA an so vielen Stellen geradezu krampfhaft 
versucht, nur ja die alte AACR2-Praxis auch weiterhin zu ermöglichen, 
finde ich es bemerkenswert, dass dies hier nicht der Fall ist.

> (Jedenfalls kennt RDA keine "added entries", so wenig wie den "main 
> entry".)

Die Bezeichnungen hat RDA in der Tat aufgegeben, aber das Konzept der 
Haupteintragung ist m.E. immer noch vorhanden und im Konzept des Creator 
versteckt: Dieser ist entweder eine Person (= Pendant zum 
Verfasserwerk), eine Körperschaft (= Pendant zum Urheberwerk) oder es 
gibt keinen Creator (= Pendant zum Sachtitelwerk).

>
> Abgesehen davon, daß 'NE' kein brauchbarer Terminus mehr ist, wird es
> wirklich Zeit, daß ein neues Denkmodell verinnerlicht wird. Was sind
> denn die Aufsätze in einem Sammelband, wenn nicht Werke? Das Werk steht
> im Zentrum des Weltbilds von FRBR/RDA, und wo wäre da die Rede von
> Werken zweiter Klasse, die nur nebenher eine eher widerwillige
> Berücksichtigung finden? Nein, nimmt man FRBR ernst, ist Werk Werk,
> egal ob mit eigenem Buchdeckel oder "unselbständig" veröffentlicht.

Schon, aber RDA nimmt ja FRBR nicht richtig ernst - das ist ja gerade 
ein wichtiger Teil meiner Kritik daran. Zwar wird gesagt, dass das 
manifestierte Werk ein Kernelement ist, aber mit der Möglichkeit einer 
zusammengesetzten Beschreibung kann man das ganz leicht aushebeln und 
faktisch so weitermachen wie bisher. Nur bei den "aggregates" 
funktioniert das offenbar nicht.

> Und sind es nicht die Aufsätze, die zumeist zitiert und gesucht werden,
> weniger der Sammelband als solcher?

Ja, und natürlich würde auch ich mir eine intensivere Erschließung von 
Aufsätzen wünschen.

Abgesehen davon, dass ich zunächst erst mal verstehen wollte, wie die 
Aufsatzbände gemäß RDA behandelt werden sollen, finde ich das Thema auch 
interessant mit Blick auf den Katalogisierungsaufwand. Dass es bei RDA 
nach oben fast keine Grenze gibt, ist klar: RDA ermöglicht extrem 
komplexe und aufwendige Aufnahmen, die weit über AACR2-Praxis (und noch 
weiter über RAK-Praxis) hinausgehen. Aber es macht es genauso möglich, 
"Spar-Datensätze" anzulegen, indem man sich auf die Kernelemente 
beschränkt. Man hat deshalb zunächst den Eindruck, dass man sich den 
Grad an betriebenem Aufwand selbst aussuchen kann. Der Bereich der 
"compilations" stellt aber eine Ausnahme dar: Hier fordert RDA definitiv 
einen höheren Aufwand als bisher. Denn anstatt einer Nebeneintragung 
unter einer Person (und auch das nur in dem Fall, dass sie auf einer 
Titelseite genannt ist) ist künftig bei jedem Aufsatzband mindestens ein 
Aufsatz als Beziehung zu erfassen. Und nur einen von vielleicht einem 
Dutzend Aufsätzen zu erfassen, wäre wirklich reichlich albern...

Viele Grüße
Heidrun Wiesenmüller

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Prof. Heidrun Wiesenmüller M.A.
Hochschule der Medien
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