[rak-list] Aufsatzbände in RDA: Erläuterungen der LC

Heidrun Wiesenmüller wiesenmueller at hdm-stuttgart.de
Mit Sep 1 18:53:56 CEST 2010


  Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

ich habe mittlerweile die Auskunftsmöglichkeit zu RDA bei der Library of 
Congress ausprobiert und habe tatsächlich ausführliche Antworten zu 
meinen Fragen zum Thema Aufsatzbände (s. meine Mails in dieser Liste vom 
3. Juli) bekommen. Ich fasse das Ergebnis im Folgenden zusammen. Für 
diejenigen, die es im Detail nachlesen wollen, schicke ich gleich auch 
noch die Antworten im Originalton über die Liste.

1. Die Interpretation, dass "collection" in AACR2 nicht identisch mit 
"compilation" in RDA ist, ist richtig. Es ist in RDA keine Vorbedingung 
mehr, dass die Texte zuvor unabhängig voneinander entstanden sind. Damit 
fällt auch jeder normale Aufsatzband unter "compilation".

2. Die Verfasser der Aufsätze gelten nicht als "creators" der 
"compilation". In Bezug auf das Gesamtwerk - den Aufsatzband als Ganzes 
- haben sie keine Funktion. Damit funktioniert die klassische 
Nebeneintragung unter dem ersten auf einer Titelseite genannten 
Beiträger tatsächlich nicht mehr.

3. Bei 17.8 "Work manifested" heißt es ganz am Anfang: "Core element. If 
more than one work is embodied in the manifestation, only the 
predominant or first-named work manifested is required." Dies wird so 
interpretiert, dass bei einem Aufsatzband zwingend eine Nebeneintragung 
unter dem ersten Aufsatz zu machen ist (unabhängig davon, ob die 
Beiträger auf einer Titelseite genannt sind oder nicht). Die 
LC-Katalogisierer werden im RDA-Test in einem solchen Fall immer einen 
name-title-entry für den ersten Aufsatz machen sowie ggf. auch 
Nebeneintragungen für weitere Aufsätze, wenn sie diese für wichtig halten.

4. Das Problem der Unterscheidung zwischen "compilations" und Fällen, 
bei denen viele Autoren gemeinschaftlich für das Werk verantwortlich 
sind, wird im RDA-Test - wenn ich es richtig verstehe - so gelöst, dass 
die Katalogisierer darauf achten sollen, ob eine Verantwortung für 
einzelne Teile, z.B. einzelne Kapitel, zu erkennen ist. Mir scheint, 
dass man sich damit in Richtung auf die schöne und praktikable Lösung 
der RAK hinzubewegt: Wenn man sehen kann, wer was geschrieben hat, ist 
es ein begrenztes Sammelwerk.

Mich hat vor allem die Interpretation unter 3. erstaunt. Es ist 
unbestritten, dass ein Aufsatzband (z.B. eine Festschrift) ein eigenes 
Werk ist. So sieht das auch die FRBR-Aggregates-Arbeitsgruppe, s. den 
Bericht über das 2009er-Treffen: 
http://www.ifla.org/files/cataloguing/frbrrg/aggregates-wg-meeting_2009.pdf
Ein Aufsatzband würde m.E. dem Typ "Mosaic work" zugeordnet werden ("A 
work comprised of components typically viewed as a whole. Mosaic works 
are works-of-works").
Folglich ist m.E. überhaupt nur ein Werk manifestiert (nämlich eben das 
Festschrift-Werk), und die Anforderung von 17.8 wäre erfüllt, wenn man 
dieses Werk in einer der Konventionen gemäß 17.4.2 erfasst - das hätte 
man schon mit einer "composite description" (also der derzeitigen 
Praxis, die FRBR-Ebenen in einem Datensatz zu vermischen) erreicht. Dass 
das Festschrift-Werk wiederum selbst aus Werken besteht, steht m.E. auf 
einem anderen Blatt. Diese Teil-Ganzes-Beziehung würde ich unter Kap. 24 
sehen. Dort werden Beziehungen zwischen Entitäten der Gruppe 1 
behandelt, die _nicht_ Primärbeziehungen sind. Solche Beziehungen sind 
keine Kernelemente, sondern fakultativ. Die Kollegin von der LC (Judy 
Kuhagen, ihre Zeichens selbst Mitglied der Aggregates-AG) hat mir zwar 
darin zugestimmt, dass die Festschrift ein eigenes Werk darstellt, blieb 
aber trotzdem dabei, dass mehrere Werke manifestiert sind (die Aufsätze).

Ich bin gespannt, ob das Thema "compilations" in späteren RDA-Auflagen 
etwas klarer behandelt werden wird. LC wird im Anschluss an den Test 
einige "discussion papers" für das JSC schreiben, die sich u.a. auch mit 
"compilations" befassen sollen.

Viele Grüße
Heidrun Wiesenmüller


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Prof. Heidrun Wiesenmüller M.A.
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