[rak-list] Kritik am RDA-Test in den USA, noch was

Bernhard Eversberg ev at biblio.tu-bs.de
Fre Dez 3 09:39:26 CET 2010


Am 03.12.2010 08:59, schrieb Armin Stephan:
>
> Wenn ich mich recht entsinne, war der Gedanke eines Tests mit offenem
> Ausgang ein sehr später und durchaus überraschender Gedanke, so dass man
> sich schon zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Vorhabens fragte, wie offen
> der Test überhaupt noch sein kann. Erst nach und nach entstand der
> Eindruck, dass man es mit dem Test ernst meinen könnte. Irritierend war
> auch, dass der Test ausgerechnet von der LoC angekündigt wurde, wo ja
> gerade die LoC beste Voraussetzungen hat(te), ganz unmittelbar auf die
> RDA-Entwicklung Einfluss zu nehmen: Frau Tillett arbeitet ja bei der
> LoC. Traut man seinen eigenen Leuten nicht bei der LoC? Aus der Ferne
> betrachtet erweckt das Ganze den Eindruck von Parallel-Welten.
>
Momentan ist die Lage unübersichtlich, oder man erfährt einfach zu wenig.
Die LoC hat allerdings keine Oberhoheit über das Regelwerk, sondern die
hat einzig das JSC ("Joint Steering Committee for Development of RDA"
lautet jetzt die Vollform des Namens), in dem LoC nur ein Mitglied ist.
Nicht-Anglo-Länder haben darin weder Stimme noch Sitz. OCLC sitzt drin,
hat aber keinen Ehrgeiz in der Sache.
Wie schon gesagt, das JSC müßte sich im Falle einer Entscheidung gegen
RDA erneut umbenennen, es ist somit keine Entscheidung des JSC dieses
Inhalts zu erwarten. Es kann gleichwohl unilaterale Entscheidungen von
Mitgliedern, etwa der LoC, gegen RDA geben, denn JSC hat keine
Weisungsbefugnis über seine Mitglieder. Theoretisch kann es also
noch spannend werden.
Das JSC hat noch keinen Termin für seine nächste Sitzung genannt, und 
auch keinen Termin für Themenvorschläge zu dieser Sitzung. Wann es zu
Entscheidungen kommen kann, ist daher im Moment offen.

> Man kann sich natürlich fragen, warum nur die Amerikaner eine
> Notwendigkeit sehen, RDA auf seine Tauglichkeit hin zu testen. Ach so
> ja, wir schauen ja nur noch zu und überlassen Regelwerksentwicklung dem
> mit Internationalität gleichbedeutenden (Anglo-)Amerika.
>
Die Sache ist, nebenbei, nicht ohne Parallelen, wo so etwas auch schon
funktioniert hat. Die deutsche Rechtschreibreform wurde bis heute nicht
auf Tauglichkeit getestet oder auf ihren Erfolg hin evaluiert,
gleichwohl stellt sie niemand mehr in Frage (oder wer es tut, wird nicht
ernstgenommen). Die Entwicklung hat man Leuten überlassen, die kaum
einer kennt, man hat vielleicht gemosert, aber man hat sich gefügt,
obwohl die Vom-Zaun-Brecher nur den Schulen was vorschreiben können.
Die Schweizer fügen sich nicht, aber das wird in Deutschland ignoriert.
(Die Kultusminister haben sogar zugegeben, daß es ein Fehler war, aber
es dabei belassen - Gesichtsverlust wäre schlimmer. Ansonsten lassen
sie jedes Projektchen evaluieren, aber wenn es um eine etwas größere
Sache geht, drückt man schon mal ein Auge zu.)
Eigentlich erstaunlich, aber genau dasselbe läuft übrigens momentan im
sehr viel größeren spanischen Sprachraum an.
Will nur sagen, nicht alles ist rational erklär- oder nachvollziehbar,
aber das macht ja das Leben und die Geschichte auch faszinierend.

B.Eversberg