[rak-list] Überblicksvortrag zu FRBR
Heidrun Wiesenmüller
wiesenmueller at hdm-stuttgart.de
Tue Dec 4 12:03:43 CET 2007
Lieber Herr Eversberg,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
> Am Ende wird zu Recht auf die noch bestehenden Unklarheiten hingewiesen,
> insbes. was die Differenzierung von "Expression" und "Manifestation"
> betrifft.
Hier noch der Hinweis auf etwas, das mir persönlich besonders
problematisch erscheint, nämlich die Behandlung von unveränderten
Neuauflagen.
Diese sind nach FRBR keine neuen Expressionen, weil ja keine inhaltliche
Veränderung vorliegt. Sie sind aber auch keine neuen Manifestationen,
sofern nicht zusätzlich noch etwas im Produktionsprozess geändert wird.
Eine 1. Auflage von 2000 und eine unveränderte 2. Auflage von 2005 (beim
selben Verlag, im selben Layout usw.) gehören also nach FRBR derselben
Manifestation an. D.h. es gibt im FRBR-System eigentlich keine Stelle,
an der zwischen den beiden Auflagen unterschieden werden könnte (es auf
die Exemplar-Ebene zu verlagern, scheint mir auch nicht sonderlich
glücklich).
Dahinter mag die Überlegung stehen, dass es in einem solchen Fall
zwischen beiden Ausgaben ja tatsächlich keinen Unterschied gibt, der für
den Benutzer relevant sein könnte (es ist ja inhaltlich und formal
dasselbe). Trotzdem widerspricht es komplett unserer
Katalogisierungstradition, die für unterschiedliche Ausgaben eben i.d.R.
auch unterschiedliche Titelaufnahmen vorsieht. Es liegt auch auf der
Hand, dass man sich in der Praxis als Katalogisierer wirklich nicht der
Mühe unterziehen möchte, mehrere Ausgaben autoptisch auf etwaige (nicht
offensichtliche) Veränderungen abzugleichen.
Aber auch dem Benutzer tut man nicht unbedingt etwas Gutes, wenn man
beide Auflagen unkommentiert zusammenwirft: Denn er/sie hat vielleicht
die Angabe "2. Aufl. 2005" in einem Literaturzitat gefunden und geht
(wenn auch in diesem Fall fälschlich) davon aus, dass diese Ausgabe
aktueller oder sonstwie besser ist als die von 2000. Er wird also
gezielt im Katalog nach dieser Ausgabe suchen. Die beiden Auflagen
sollten also doch zumindest irgendwie einzeln ansprechbar sein (was ja
nicht heißt, dass sie in der Anzeige nicht gemeinsam angeboten werden
könnten).
Mein Eindruck ist, dass die Pilotanwendungen diese Vorgabe der FRBR
einfach ignorieren und eine neue Auflage stets als neue Manifestation
behandeln, auch wenn sie unverändert ist. Und in der Sekundärliteratur
kann ich mich nur an einen Fall erinnern, wo auf die unveränderten
Neuauflagen zumindest explizit hingewiesen wurde (jedoch ohne, dass es
als gravierendes Problem in der FRBR-Theorie benannt worden wäre).
> Frau Wiesenmüllers Beitrag ist da sicher
> sehr brauchbar für die theoretische Fundierung, aber noch nicht konkret
> genug für die Umsetzung, also als Antwort auf die Frage "Wie
> katalogisiere ich denn nun dieses Buch?"
Das ist richtig - er war auch wirklich nur als eine erste Einführung
gedacht. Vielleicht regt er aber zumindest dazu an, sich intensiver mit
dem theoretischen Konzept und den Möglichkeiten (oder vielleicht auch
Nicht-Möglichkeiten) einer praktischen Anwendung auseinanderzusetzen.
Viele Grüße
Heidrun Wiesenmüller
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Prof. Heidrun Wiesenmüller M.A.
Hochschule der Medien
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