[rak-list] Richtungswechsel in der Revision der AACR

Bernhard Eversberg ev at biblio.tu-bs.de
Thu May 26 10:42:36 CEST 2005


Oehlschlaeger, Susanne schrieb:
> 
> wie wir mit Ihnen in den zurückliegenden Expertengruppensitzungen besprochen hatten,
> haben wir dem Standardisierungsausschuss in seiner letzten Sitzung am 12. Mai 2005
> vorgeschlagen, das zukünftige deutsche Regelwerk an den AACR 3 zu orientieren
> und den Entwicklungsprozess der AACR 3 aus deutscher Sicht zu begleiten.
> Der Standardisierungsausschuss hat dies bestätigt und nochmals durch einen entsprechenden Beschluss bekräftigt.

Wie ein "deus ex machina" mutet das Erscheinen der Ziffer 3 an, wodurch 
die verfahrene Kontroverse um AACR2 sich wundersam aufzuloesen scheint. 
Wenn nun dieses "aus deutscher Sicht zu begleiten" tatsächlich mehr sein 
kann und sein wird als eine Verlegenheitsfloskel oder ein bloßes 
Zuschauen und Kommentieren, ist es dann aber etwas anderes als jener 
"dritte Weg", der zu Zeiten der Kontroversen mehrfach angeregt wurde, 
das gemeinsame Erarbeiten also eines mit Berechtigung "international" zu 
nennenden Regelwerks? Ein Weg, dem die Umstiegsbefürworter zu der Zeit 
freilich nicht zustimmen mochten.

In den Functional Requirements, auf die jetzt fortwährend gepocht wird, 
schlägt sich in Wahrheit doch so manches nieder, was unsere 
Regelwerksphilosophie schon lange geprägt hatte, so vor allem die 
Abbildung von hierarchischen Verknüpfungen (Ganzes und Teile), die den 
AACR2 noch mangelte, und auch die Setzung des Schwerpunkts auf den 
Zugriff (Sucheinstiege) anstatt auf die Kasuistik der Zuschreibung von 
Haupt- und Nebeneintragungen. Hier bleibt für AACR3 noch viel zu tun, 
wofür aber RfK Kap. 21 schon ein konsequentes Modell bietet, an dem man 
sich für AACR3 (Part II) orientieren könnte. Die Andeutungen des 
Planungspapiers zielen durchaus in dieselbe Richtung, freilich noch 
recht nebulös.

Über eine "Begleitung" hinausgehen könnte man auch hinsichtlich der 
Indexierungsrichtlinien, die ja an die Stelle der alten Ordnungsregeln 
treten, welche AACR2 aber gar nicht kannten. Für Nummer 3 steht da 
allerdings auch noch nichts in der Planung. Die neue, ausdrückliche 
Orientierung auf Online-Kataloge (die wir schon lange hatten) sollte das 
von der Logik her erzwingen, denn z.B. das systemübergreifende Abfragen 
kann nur verbessert werden, wenn es mehr Einheitlichkeit in den Details 
der Indexierung gibt.

VIAF, eine für uns lebenswichtige Komponente, wenn wir einerseits 
international sein, andererseits aber deutsch ansetzen wollen, kommt im 
AACR3-Plan nicht ausdrücklich vor, doch die wenigen Aussagen zum neuen 
Teil III lassen nur den Schluß zu, daß man das Konzept einbeziehen muß.

Im Übrigen bin ich der Meinung, daß nun "Befürworter" und "Gegner" eines 
Umstiegs überholte Rollen sind und jedes Gegeneinander ein Ende haben 
muß. Ein Umstieg von RAK in ein anderes Vehikel war unbestritten 
notwendig. Nun wird auf dem Reißbrett ein neues skizziert, das Chancen 
bieten kann für alle Beteiligten, jedenfalls nach allem, was zur Zeit 
bekannt ist.
Es wird mehr Arbeit und es wird länger dauern als die vorher im Raume 
stehenden Denkmodelle. Ab- und einschätzbar ist das Ganze momentan 
weniger als zuvor. Nicht nur hinsichtlich Kosten, sondern auch z.B. 
Systemplanung oder Aus- und Fortbildung. Da ist dringend zu hoffen, daß
die Geheimhaltungsverfahren sich nicht fortsetzen, sondern frühzeitig 
Lernprozesse einsetzen können auf der Basis von aktuellem Material.
Von den im Netz heute gängigen Modellen einer kooperativen und 
transparenten Entwicklung (Open Source und wie die Dinge alle heißen)
von Standards und Software sind wir unangenehm weit entfernt.
Auch wenn man uns nicht viel mehr zugesteht als eine "Begleitung", will 
man schon wissen, was man da begleitet und wohin.

MfG B. Eversberg







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