[rak-list] AACR - MARC - RAK - MAB : Beispiele

Thomas Berger ThB at gymel.com
Fri Jan 11 22:14:25 CET 2002


Günter Todt wrote:

> 1.) Zu den beiden bayerischen Untersätzen im MAB-Format schreiben Sie:
> 
> die Titel der Bände stehen nicht in 331, wie es das Format eigentlich
> vorsieht, sondern in 089 zusammen mit der Bandnummer. Damit sind die
> Titel nicht als solche indexierbar.
> 
> Das ist so nicht richtig:
> Zum einen:
... 
> Zum anderen:
...


> 2.) Zum Untersatz aus dem Hause der DDB schreiben Sie:
> 
> es fehlt nur das Nichtsortierzeichen in 331
> 
> Dies ist unrichtig. Ein Untersatz braucht kein Nichtsortierzeichen im
> Hauptsachtitel, da zu seiner Sortierung sowieso nicht sein "eigener"
> herangezogen wird, sondern selbstverständlich derjenige seines direkt
> übergeordneten Werkes.
> 
> Der Beispielband darf  weder unter "Die Erkenntnis der Natur " noch unter
> "Erkenntnis der Natur " sortieren, sondern unter "Vollmer, Gerhard : Was
> können wir wissen? / Bd. 2"

Ich denke, das illustriert ganz genau das Erkenntnisproblem,
das auch auf dieser Seite des Atlantik besteht:

Solange man darauf beharrt, dass Titelsaetze zu "Baenden" nichts
anderes sind als Bandauffuehrungen zu "Hauptaufnahmen", bedeutet
die Verzeichnung in separaten Datensaetzen nur mehr Arbeit im
Vergleich zur MARC (und angeblich AACR)-Loesung, die die Baende
- salopp gesagt - als Fussnote verzeichnet.

Niemand kann Benutzer daran hindern, mit einem Zitat eines
Einzelbandes (als scheinbares Reihenstueck oder dergleichen)
eine Recherche anzustellen, und daher hat Herr Eversberg
doppelt recht:
1. Etwas, das ein Hauptsachtitel (eines Bandes, jaja) ist,
   muss in das entsprechende Datenfeld fuer Hauptsachtitel
   (089 gibt es deshalb, weil es Baende gibt, die eine Zaehlung
   bzw. etwas zaehlungsartiges *und* einen echten Titel haben:
   "1. Abtheilung. Von der Moeglichkeit des hoeheren Unfugs"

2. Darf der Hauptsachtitel eines Bandes nicht anders notiert
   werden als der eines Nicht-Bandes, insofern gehoeren auch
   die Nichtsortierzeichen dahin.

Natuerlich gibt es Grauzonen, und insofern sollte man das
Feld mit den Inhalten "fuer das, was sein kann, aber nicht
sein darf" also MAB 089 moeglichst analog zu den Feldern
indexieren, wo die Inhalte "beinahe" gelandet waeren.

Jedenfalls bietet die starke Zergliederung in MAB die 
Moeglichkeit, sehr komplexe "Bandwerke" zu modellieren
(die in RAK gefordert sind und in AACR nach meinem Eindruck
eher nicht, wobei vermutlich niemand mehr weiss, ob die
Regelwerke das Format gepraegt haben oder ob es umgekehrt
war) und gleichzeitig die Praesentation von Teilstrukturen
zu gewaehrleisten (man denke an die Werke, die simultaner
Bestandteil von mehreren begrenzten Sammelwerken sind).
Und das wichtigste: Solche Daten, wenn sinnvoll angelegt,
bieten einem Benutzer die Moeglichkeit, auch bei komplizierten
Sachverhalten eine bibliographische Recherche durchfuehren
zu koennen, ohne sich vorher durch eine bibliographische
Recherche ueber den bibliographischen Sachverhalt informiert
haben zu muessen!

Mir persoenlich erscheinen die komplexen Strukturen oft als
l'art pour l'art und ich haette nichts dagegen, vieles eher
locker verknuepft wie eine Reihe katalogisiert zu sehen.
Betrachten wir aber Medienkombinationen, angebundene und
enthaltene Werke, innerhalb von Aufsaetzen abgedruckte
Werke (Briefe, Illustrationen, Gedichte), innerhalb von
mehrbaendigen Werken nachgedruckte mehrteilige Aufsaetze,
und insbesondere dann auch die Praxis einiger Verbuende, 
mit solchen Materialien bzw. Sachverhalten datentechnisch
umzugehen (was fuer die sachgerechte Katalogisierung Alter
Drucke wirklich ein Problem ist!), so haben wir hier im 
Vergleich zu den "Baenden" eine Schieflage, die nur zum 
kleinen Teil darauf zurueckzufuehren ist, dass die Regelwerke 
noch nicht (lange) auf alle inzwischen abzudeckenden Materialien 
adaptiert sind. Ich moechte die Problemquellen subjektiv einmal
so bezeichnen:

- Die meisten der grossen Kataloge (die massgeblichen Einfluss
  auf die Entwicklung des Datenformats hatten und haben) stammen
  historisch von der Organisation des Leihverkehrs ab, d.h.
  kleinere Einheiten als das "transportierbare Einzelstueck,
  das eine Signatur traegt" waren lange nicht interessant,
  obwohl durch Subito und die Einbindung von bzw. Verlinkung
  mit Contents-Datenbanken und dem Einwerben von Spezialbestaenden
  hier die Situation sich zu entwickeln beginnt.

- Starken Einfluss auf die Entwicklung des Regelwerks und 
  insbesondere wiederum auf die Priorisierung dessen, welche 
  Aspekte der Regelwerke welcherart in Datenformate und reale
  Datenbankanwendungen umzusetzen seien, haben "traditionelle
  alphabetische Katalogabteilungen", d.h. Institutionen, die
  seit langen zufoerderst grosse, monographische Kataloge aus
  Zetteln angehaeuft hatten und in der Tradition der
  mechanischen Katalogoekonomie stets bestrebt sind, zu 
  agglomerieren. Die Wirkung ist, dass auch in grossen
  elektronischen Katalogen die "Nebeneintragung" als
  Datentechnische Allzweckwaffe genutzt wird.

- Die Regelwerke sind in Wahrheit flexibler als die Datenformate,
  auch wenn es naiv gesehen umgekehrt erscheint (die Beispiele
  von Herrn Eversberg zeigen ja eine gewisse Bandbreite der
  Abbildungsmoeglichkeiten ein und desselben Sachverhalts auf
  der Grundlage desselben Regelwerks in angeblich dasselbe
  Datenformat): Ein Regelwerk fordert zunaechst vom Katalogisierer,
  den vorliegenden Sachverhalt zu erfassen (verstehen) und
  dann zu erfassen (niederzuschreiben). Es erfordert auch,
  den Sachverhalt in Teilaspekte zu zerlegen, fuer deren
  Notation dann einzelne Regeln gelten (Ansetzungsregeln,
  Regelungen fuer die Reihenfolge, Interpunktionsregeln).
  Hinter einem Datenformat hingegen steht ein sehr viel
  restriktiveres Paradigma dessen, "was ueberhaupt sein kann",
  das fuehrt dann zu Tendenzen der Ueberdifferenzierung einerseits
  ("der Sachverhalt ist klar, nun muss ich nachdenken, ob er
  nach 089 oder 331 gehoert") und zur Marginalisierung aus
  Formatssicht "pathologischer" Sachverhalte ("Das Datenformat
  laesst keine doppelte Verknuepfung des Aufsatzes mit zwei
  Fundstellen zu, also muss ich eine Fussnote schreiben, die
  nur dem hilft, der mein Katalogisat durch Zufall findet").
  Illustratives Beispiel hierfuer ist uebrigens die
  Handschriftenkatalogisierung: Das Katalogisat einer Handschrift
  ist oft viele Druckseiten lang und folgt einer offensichtlichen
  Logik. Darueberhinaus ist es sehr differenziert und benennt
  sehr viele einzelne Aspekte. Die Struktur einer Handschrift
  (bzw. der Handschrift unter der handschriftenkundlichen
  Betrachtung) ist aber derart komplex, dass jeder Versuch,
  eine MAB-Aehnliche Struktur dafuer zu schaffen, entweder
  mit weniger als zehn Datenfeldern endet oder aber in ein
  wuestes Verknuepfungsgeflecht von hunderten von Datensaetzen
  pro Katalogisat ausarten wuerde.

viele Gruesse
Thomas Berger



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