[rak-list] RDA-Toolkit online

Bernhard Eversberg ev at biblio.tu-bs.de
Don Jun 24 12:56:15 CEST 2010


S. Oehlschläger jubilierte:
> 
> das Warten hat ein Ende! Heute haben die Co-Publisher des RDA-Toolkits) ... verkündet, dass das RDA-Toolkit online ist.


Auf der Startseite liest man:

"Enjoy Free Open Access to the RDA Toolkit through August 31, 2010"

Vorher stand da:  "... coming in June 2010", nachdem mehrere frühere
Ankündigungen nicht eingehalten werden konnten. Das Endedatum jedoch,
das steht seit langem und unverrückbar fest. Bleiben also nur gut 2
Monate. Schon diese Randbedingungen können keinem gefallen und
"Enjoy ..." wirkt da fast zynisch, ist denn das dort niemandem bewußt?
Es kann nicht verkehrt sein, sich vor dem Vergnügen einen Moment der
Besinnung zu erlauben:

Das Interesse an dem neuen Produkt kann bei uns vorerst ein bloß
akademisches sein, solange der Standardisierungsausschuß den noch
ausstehenden Beschluß nicht gefaßt hat. Aber kann er ihn denn
guten Gewissens fassen, solange die Frage nach den Kosten nicht
zufriedenstellend beantwortet ist und die nach dem ganzen
"Geschäftsmodell"?

Ist es verantwortbar, eine Lösung zu beschließen, die allen
Bibliotheken, Ausbildungsstätten und in der Sache Involvierten (etwa
auch interessierten Privatpersonen) weitaus höhere Kosten zumutet als
zuvor und als sachlich vertretbar? Eine Lösung, die ein Monopol stützen
würde, das nicht in diese Zeit paßt. Eine Lösung, die von vornherein
nicht erreichen kann, was man sich erhoffte: daß das neue Regelwerk eine
Wirkung weit über das Bibliothekswesen hinaus auch in anderen
Metadaten-Gemeinschaften entfalten möge.
Das neue Regelwerk mag so gut sein wie es will, aber ist die
Art und Weise diskutabel, wie es monopolistisch vermarktet wird?
Gewiß, auch der RAK-Text war praktisch im Besitz eines Verlages, aber
damals ging es nicht anders und die Kosten waren vertretbar, richtig
befriedigend war auch das nicht und vertretbar ist so etwas heute nicht
mehr. Der Regeltext muß vielmehr wie ein Gesetztestext urheberrechtsfrei
ein. Unternehmen können ihn in Produkte mit Mehrwert einbinden, so ein
Produkt kann auch RDA Toolkit heißen, aber das ausschließliche und
unbefristete Verwertungsrecht, und zwar auch für Übersetzungen? Sorry,
aber wir verraten unsere eigenen Überzeugungen und den Zeitgeist, wenn
wir uns darauf einlassen. Es ist noch nicht zu spät, ein Stopschild
aufzustellen, die Kapitulation ist noch nicht unterzeichnet.

Die Kalamität wäre nur vermeidbar gewesen, wenn die amerikanischen
Kollegen sich von dem alten Vermarktungsmodell der AACR gelöst hätten.
Das konnten sie aber wohl nicht wirklich tun, weil die ALA sich zum
guten Teil aus dem Verlag ALA Publishing finanziert, und dessen "cash
cow" hieß schon lange AACR. Man konnte daher keinen Kurs fahren,
der weniger eingebracht hätte als der alte. In der Folge etabliert sich
nun auf kaltem Wege das Monopol weit über seine alten Grenzen hinaus.

Wie es jetzt aussieht, kann unsere Haltung nur sein: So nicht.
Mal ganz abgesehen von der Frage, ob denn das neue Werk eigentlich
was taugt und uns irgendwie weiterbringen kann. Davon ist man ja
selbst "drüben" noch nicht überzeugt. Vor Ende der Tests sollte niemand
so tun, als sei das schon ausgemacht. Das Warten - auf das man sich ohne 
Not einließ - hat noch kein Ende.


B.Eversberg