AW: [rak-list] Das künftige deutsche Regelwerk?

Rohde Bernd Martin Bernd.Rohde at ub.unibe.ch
Thu Jul 10 12:11:59 CEST 2008


Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Margarte Payer schrieb:
> Ich habe nicht den Eindruck, dass die Kollegen, die sich auf der Liste
> äußern, davon ausgehen, dass die zugesagte Übersetzung das endgültige
> Regelwerk ist (manche befürchten es vielleicht),

Wir Bibliothekare/innen wahrscheinlich nicht. Aber was ist mit so manchem Rechnungshof? Da dürfte man dann eher auf Unverständnis stossen, wieso ein Regelwerk erstellt werden muss (und dazu halt das ganze Personal und die Arbeitszeit), wo doch ein ganz neues in Übersetzung gerade vorgelegt wurde, an dem entsprechende deutsche Gremien beteiligt waren (mit ebenfalls entsprechenden Kosten). Das muss dann erst mal erklärt werden! Ich beneide diejenigen Kollegen/innen nicht, die diese Überzeugungsarbeit ausserhalb unserer Fachkreise zu bewerkstelligen haben.

Insofern sehe ich schon eine Gefahr, dass letztendlich allein aus Kostengründen die Übersetzung dann auch das endgültige Regelwerk darstellen könnte!

Folgende Szenario könnte in einem solchen Fall auf die Bibliothekslandschaft in Deutschland zukommen:
Unzulänglichkeiten würden dann womöglich rein verbundintern gelöst werden, was dann auch leichter gegenüber den Geldgeberstellen vertreten werden kann. Damit könnte es für die Verbünde in Deutschland auf die Lösung wie im Informationsverbund Deutschschweiz hinauslaufen, bei der heute ja schon ein "Praxisregelwerk" (KIDS) als AACR2-Adaption in deutscher Sprache vorliegt, das jedoch in dieser Form eng mit der Verbundsoftware zusammenhängt. Da heutzutage de facto die Verbundlandschaft der grossen Wissenschaftlichen Bibliotheken in Deutschland auf zwei Verbundsysteme aufgeteilt ist, PICA/OCLC und ALEPH, gäbe es, diesem Modell folgend, bestenfalls nur zwei "Praxisregelwerke" - wahrscheinlich aber eher mehr, nämlich soviele, wie es Verbünde gibt. Im Gegensatz zu den RAK, denen zwar gerne vorgehalten wird, sie würden mit ihrer Kärtchenkatalogsierungsgrundlage nicht den Anforderungen der heutigen Zeit entsprechen, entstünde dann jedoch mit einer solchen Lösung kein praktisch anwendbares Regelwerk für die gesamte deutsche Bibliothekslandschaft, darunter auch die grosse Gruppe der Allgemein-Öffentlichen Bibliotheken. Eine solche Entwicklung könnte gerade bei diesen die RAK auf lange Zeit als weiterhin vorherrschendes Regelwerk zementieren, da die Anforderungen an die Katalogsoftware in den entsprechenden klassischen Zweigen des Bibliothekswesens, ÖB und WB, schon heute deutlich variieren (und auch Katalogisierungsfragen an sich einen anderen Stellenwert haben). Der Split, der schon bei den RAK durch die Entwicklung von RAK-WB einerseits und RAK-ÖB andererseits erfolgte, würde sich zu einem noch grösseren Graben erweitern.

Ich weiss nicht, inwiefern andere Kollegen/innen in dieser Liste dieses hier von mir geschilderte Szenario für möglich/wahrscheinlich halten. Wer es nicht als vollkommen unwahrscheinlich ablehnt, sollte sich jedoch die Frage stellen, ob wir diese mögliche weitere Spaltung in Kauf nehmen wollen. Und das in einer Zeit, in der es auch in der bibliothekarischen Ausbildung an den FHs kaum mehr die klassische Trennung in ÖB- und WB-Studiengänge gibt.

Schöne Grüsse aus Bern
Bernd Martin Rohde

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Bernd Martin Rohde
Dipl-Bibl. (FH), UP in Rare Book Librarianship
Sportweg 15; CH 3097 Liebefeld (Gde. Kniz BE)
Tel.: +41 (0)31 971 96 74
http://berndmartinrohde.gmxhome.de; mailto:b.m.rohde at gmx.net
(dienstl.: mailto:bernd.rohde at ub.unibe.ch)


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