[rak-list] RDA kristallisiert sich heraus

Bernhard Eversberg ev at biblio.tu-bs.de
Wed Jan 30 09:12:51 CET 2008


Auf der ALA Midwinter Conference in Philadelphia hat die RDA-Crew wieder
getagt und neues Material vorgelegt. Nebenbei auch ein neues Logo, das
von Martha Yee schon unschmeichelhaft kommentiert wurde.

Marjorie Bloss (Project Manager, Australien):

http://www.collectionscanada.gc.ca/jsc/docs/mb-philadelphia-20080113.pdf

legt dar, wer nun in welcher Weise beteiligt ist und welche Zuständig-
keiten hat. Ferner, was in näherer Zukunft geschehen soll, wie und wo.
Anfang 2009 soll die erste Online-Version in Betrieb gehen, Ende 2009
wollen die Nationalbibliotheken von USA, Kanada, UK und Australien
implementieren. (Andere Länder sind weder erwähnt noch augenscheinlich
offiziell am Geneseprozeß beteiligt.)

Sodann hat John Attig, langjährig federführend für das JSC tätig, eine
Präsentation zur neuerlich umgekrempelten RDA-Struktur vorgelegt:

http://www.collectionscanada.gc.ca/jsc/docs/jca-philadelphia-20080113.pdf

Ungeachtet der letztens aus einer LC-Arbeitsgruppe geäußerten
skeptischen Empfehlung ("suspend work on RDA") verfolgt man, den
"point of no return" wohl hinter sich wähnend, eine Augen-zu-und-durch-
Strategie.
Immerhin wird im aufgewühlten Fahrwasser - Schüsse vor den Bug gab es
auch etliche aus der RDA-Liste heraus - eine interessante Kursänderung
vorgenommen: Im Kommentar zu Slide 18 von Attig heißt es:
"Man kam überein, daß die Regeln zur Notierung in englischer Sprache
ersetzt werden sollten durch Regeln zur Aufzeichnung in der Sprache der
jeweiligen Agentur; dies wird es möglich machen, RDA ohne Änderung in
nicht-englischen Umgebungen einzusetzen." Man kehrt damit zu AACR
zurück und folgt zugleich dem neuesten (und von deutscher Seite noch
immer unkommentierten) Trend des "IME ICC Statement ..." 5.2.4, wie im
Oktober berichtet:

http://lists.ddb.de/pipermail/rak-list/2007-October/001087.html

Nicht mehr nur "Arbeitssprache Deutsch" heißt das für uns, sondern
auch "Ansetzungssprache Deutsch". International soll das Regelwerk
ausdrücklich sein, der internationale Austausch aber kann so nicht
klappen, der fordert entweder realpolitisch konsequent "Arbeitssprache
Englisch" oder aber vorwärtsblickend VIAF und darin Kennzeichnung der
sprachspezischen (oder agenturspezifischen) Ansetzungen, und sodann
Nutzung der VIAF als Schaltstelle zwischen den Katalogen. Diese
Vorstellung ist immerhin auch bei Attig schon zu finden (im
Kommentar zum Slide 7). Unser Konzept der originalsprachlichen
Ansetzung ist damit sicher Geschichte, aber es entstand in einer
Zeit ohne die heutigen Möglichkeiten, und heute ist VIAF die
bessere Idee - sie fordert aber eine hochkomplexe Infrastruktur.

Ganz genau genommen haben wir bisher keine Ansetzungssprache, sondern
wir setzen originalsprachlich an. Die RDA-Formulierung "... in der
Sprache der Agentur" müßte folglich lauten: "... in der Gepflogenheit
der Agentur". Dem VIAF-Konzept kann das natürlich nichts ausmachen.

Interessant bei Attig sind besonders die Slides 5-7, auf denen
er drei Szenarien vorstellt, in denen sich RDA entfalten könnte.
Numeriert sind sie seines Erachtens falsch herum:

Szenario #3  (das einfachste)
- Flache Satzstruktur
- Satz beschreibt eine Vorlage vollständig mit allen Angaben
   zu allen "Entitäten" (Work, Expression, ...)
- Satz enthält alle Sucheinstiege (Ansetzungen und Verweisungen!)
   zu den beteiligten Personen etc., auch Sachkriterien.

Das ist unser bisheriges MAB-Modell, wenn man die IdNummern der
Normdaten herausnimmt.

Szenario #2  (das reale)
- Satzstruktur wie in #3, aber zusätzlich die IdNummern der
   Normsätze

Das ist das bisherige MARC-Modell, wobei aber MARC keine IdNummern
verwendet, sondern die Ansetzungen deren Rolle (Hinweis auf den
Stammsatz) mit übernehmen.
MARC-Sätze enthalten keine Verweisungen, d.h. MARC hat keine
Entsprechung zu MAB 101,105,... und 201,205,...

Szenario #1  (Zukunftsmusik)
- Jede Entität bekommt einen eigenen Datensatz mit eigener ID:
   Werk, Ausgabe, Version, Exemplar?, Person, Körperschaft, Begriff, ...
   Wie man diese Datensätze nennen soll, steht noch nicht fest.
- Verknüpfungen mittels der ID-Nummern zeigen Beziehungen an
- Internationalisierung durch VIAF
- Strenggenommen braucht dieses Szenario keine herausgehobenen
   Ansetzungsformen (d.h. HE endgültig erledigt)

MAB- oder MARC-Sätze alter Art fänden hierin wohl ihre
Entsprechung im Satz für die Version ("Manifestation"), der
auf die Ausgabe verweist (und diese zum Werk) und auf den
von den Exemplarsätzen verwiesen würde. Stammsätze für
Personen etc. werden in den Sätzen der Typ-1-Entitäten mit
ihren IdNummern referenziert (verlinkt).

Wir haben dieses Modell nicht in aller Konsequenz, aber im
Konzept doch abgebildet in den Pica-Systemen, bis auf VIAF.
Daher wissen wir um die Komplexität des Austausches zwischen
Systemen. Solche Erfahrungen liegen in der MARC-Welt noch
nicht vor. Dort wird demnach zunächst nur vom Szenario #2
die Rede sein können, d.h. man müßte die MARC-Sätze endlich
mit IdNummern aufwerten.


MfG B.Eversberg




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