[rak-list] zum WorldCat

Bernhard Eversberg ev at biblio.tu-bs.de
Fri Apr 27 09:52:54 CEST 2007


Einige Bemerkungen zum WorldCat.

Daß der Open WorldCat inzwischen eine deutsche Oberfläche hat, ist
sicher bereits bekannt:

http://worldcat.org

Jeder kann sich überdies registrieren und hat dann die Befugnis,
Rezensionen, Inh.Verzeichnisse und eigene Schlagwörter (tags)
einzubringen. Recht neu ist die Funktion "Zitierformat für dieses
Medium". Damit tut sich ein Fenster auf, in dem man das gefundene
Werk in 5 verschiedenen Zitierstilen angezeigt bekommt, um die
geeignete Form direkt in eine eigene Bibliographie zu kopieren.
In der engl. Version steht da "Cite this item". Übersetzung ist
hier und da verbesserungswürdig: "freiwillig" statt "optional",
"überprüfen" statt "review", "Treffer" statt "Item".
Es sind allerhand deutsche Bestände drin, andererseits ist es
nicht durchschaubar, welche und warum sie drin sind oder nicht.
Eingabe einer Postleitzahl, auch das wird bekannt sein, liefert
eine nach Entfernung (in Meilen bzw. km) geordnete Liste.
Eine MARC-Anzeige gibts aus einsehbaren Gründen nicht, ein Download
für RefManager/EndNote aber auch nicht.

Es scheint also, daß OCLC mit Macht eine neue Strategie der Öffnung
nach allen Seiten verfolgt, insbes. zum Endnutzer hin. Man hat wohl
gemerkt, daß es einen Bedarf gibt, als man den Erfolg von
LibraryThing erleben mußte. Dort jedoch kann der Nutzer seine eigenen
Bücher katalogisieren - so weit geht das bei OCLC nicht.

Aber auch für Bibliotheken gibt es neue Perspektiven: WorldCat Local
    http://newsbreaks.infotoday.com/nbReader.asp?ArticleId=35939
Gelegentlich ist vor Jahren schon diskutiert worden, ob man noch
lokale OPACs brauche oder diese nicht durch eine lokalisierte Sicht
des Zentralsystems ersetzen könne. OCLC geht nun in die Richtung.
Schon hat sich die Univ. of California entschlossen, ihren berühmten
Melvyl durch WorldCat Local abzulösen, das will schon was heißen.

Als Spezifikation für die schöne neue Welt geballter Innovation
scheinen Katalogisierungsregeln nicht sonderlich relevant zu sein,
man findet kaum Hinweise darauf. Nur eine leichte Verbeugung in Richtung
FRBR ist der Link "Ausgaben" (engl. "Editions", also nicht "Expressions"
oder sowas!) Wie das funktioniert und wie wichtig dazu die
regelgerechten Daten wären, das erführe man gern. Ob etwa der Einheits-
titel eine Rolle spielt? Anscheinend nicht, wenn man etwa Beispiele
aus der Musik näher betrachtet. Da kommt einem die Ergebnisliste
bisweilen arg zusammengewürfelt vor. Man kann durchaus nicht
erwarten, eine halbwegs ordentliche Liste der Ausgaben irgendeiner
Sinfonie zu bekommen, sondern bei manchen Ausgaben wird der Link
"Ausgaben" gar nicht geboten, bei anderen liefert er nicht jedesmal
dieselbe Liste. Übersetzungen sind generell bei den "Ausgaben" nicht
dabei! Also wie entsteht sie? Das wird nicht verraten und es ist
unerforschlich.
Bei großen Trefferzahlen (versuchen Sie "beethoven 125") kommt links
eine Auswahlliste zum "faceted browsing", und zwar zur Eingrenzung
nach Personen, Schlagwörtern, Format (gemeint ist GMD), Sprache, Jahr.
Ganz schön, aber wenn man weiß, wie inkonsistent die dabei verwendbaren
Datenfelder und Codes allein schon in den US-Daten sind, wird man sich
davon keine irgendwie definierbare Vollständigkeit versprechen können.
Irgendwas kommt immer, und das ist doch besser, als wenn gar nichts
käme, oder? Dem Googler ist das allemal gut genug.

Ganz großes Manko: es gibt keine Register. Einstieg ist vielmehr der
simple Einwurfschlitz, wie er angeblich zu den großartigen Innovationen
der Menschheitsgeschichte gehört. Ein Teil des Potentials, das in den
Normdaten steckt, ein Teil der Ansetzungsarbeit, muß daher verpuffen,
weil man die zugehörigen, sauber geordneten Register nicht bekommt.
Browsing in einer Ergebnisliste ist ja schön, und facettiertes
Browsing erst recht, ABER ob die Ergebnisliste denn die optimalen
Ergebnisse enthält oder durch Eingabe eines ungenauen Suchbegriffs
mangelhaft ist, das wird dabei nicht sichtbar. Die alte, noch immer
nicht hinterfragte Freischütz-Illusion eben.
Keinen Hinweis findet man ferner zur Trunkierung. Wer von Google
kommt, erwartet sie auch nicht, aber für Bibliothekskataloge ist
sie ungleich wichtiger. Und es gibt sie anscheinend auch: das ?
ist zuständig. Warum wird einem das nicht gesagt?

Schlagwortsuche wird nicht angeboten, geht aber:  su: eingeben und
dahinter das LC-Schlagwort. Wenn man nur blättern könnte in der
Registerliste der LC-Schlagwörter ... Wie das z.B. aussehen könnte,
sieht man hier:
 
http://www.biblio.tu-bs.de/db/katalog/page.php?urG=TIT&urS=artificial+intel

Aber das nur nebenbei. Der WorldCat ist ein Momument der Halbherzigkeit
und wird daher begrenzte Chancen haben gegen so manches andere, was
einem heute im Web 2.0 begegnet. Wenn er so bleibt...

MfG B.E.






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