AW: Antw: AW: [rak-list] Winkelklammer und Berlin-Frage

Ulrich Hippe hippe at bsb-muenchen.de
Thu Feb 9 14:46:16 CET 2006


Liebe Frau Hengel, liebe Kolleginnen und Kollegen,

gegen einen gelungenen Internetauftritt der deutschen und österreichischen Bibliotheken wird sicher niemand etwas einzuwenden haben. Ex nunc kann man ja immer alles anders und besser machen und soll das auch tun. 
Meine eigentliche Sorge gilt der mit an sich begrüßenswerten Neuerungen verbundenen (oder besser: durch sie erzeugten) Erwartung beim Publikum (langfristig vielleicht auch bei der Politik), man könne alle diese wunderschönen neuen Dinge auch auf den Gesamtbestand anwenden. Nun sitzen die deutschen und österreichischen Bibliotheken auf einem Berg von vielen zehn Millionen Titelaufnahmen nach RAK-WB. Wir wissen, welche Mühe die Konvertierung der Altkataloge nach den PI und anderen Regelwerken gekostet hat. Es wäre illusorisch, die neuen Regeln diesem gigantischen Altbestand in einer Art neuer Retrokonversion überstülpen zu wollen. (Ich spreche bewußt im Irrealis, da ich keinem/r Kollegen/in unterstellen möchte, dieser Illusion anzuhängen.) Faktisch entseht aber schon durch die Existenz von Normdateien ein Druck, das Unmögliche wenigstens in ihrem Bereich doch irgendwie zu vollbringen. Die Alternative läge wahrscheinlich nur in einem allgemeinen Katalogabbruch; ebenfalls ein Schreckgespenst für jede/n Bibliothekar/in.
M. E. ist die Frage, was mit unseren Altdaten geschehen soll, ebenso wichtig wie die nach der Beschaffenheit des neuen Regelwerkes. So oder so werden sich alt und neu erheblich aneinander reiben. Das Problem kommt unausweichlich auf uns zu, und was wir dann zu Gesicht bekommen werden, könnte manche Begeisterung über das Neue gewaltig dämpfen. Mein Beispiel aus der Körperschaftenansetzung war nur eine kleine Kostprobe.
Wahrscheinlich bleibt uns vorerst nichts anderes übrig, als abzuwarten, wie das neue Regelwerk aussehen wird. Vielleicht kommt es doch nicht so schlimm, wenngleich der Beitrag von Frau Wiesenmüller vom 1.2.2006 meinen Befürchtungen neue Nahrung gegeben hat.

Mit freundlichen Grüßen

Ulrich Hippe


Lieber Herr Hippe, liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich möchte die von Herrn Hippe dargestellte Problematik nicht verkleinern und stimme zu, dass wir uns damit intensiv beschäftigen müssen, meine aber, das wir auch die anderen Seiten des Problems sehen sollten.

Zum angesprochenen Einzelfall: Die Abweichung in den Splits im Falle "Bayern" geht zurück auf AACR § 24.6B. Darin wird vorgeschrieben, dass Gebietskörperschaften oberhalb der Stadt-Ebene die Bezeichnung für den Typ der Verwaltungseinheit als Zusatz erhalten. § 24.6A nimmt von dieser Regelung solche Gebietskörperschaften aus, die in der Liste des § 23.4C1 enthalten sind. Würde Deutschland in den RDA in diese Liste aufgenommen werden, würde sich an unseren jetzigen Entitäten an dieser Stelle nichts ändern. Ich halte das für durchaus erreichbar.

Das entbindet uns allerdings nicht davon, die grundsätzliche Frage zu beantworten, ob die Differenzierung nicht, zumindest für die Zukunft,  für die Recherche sinnvoll wäre, angesichts der Datenmengen, die ohne Splits zusammenkommen, und auch angesichts der durchaus unterschiedlichen Materialien, die sich aus den jeweiligen Zeiten hinter "Bayern" versammeln. Die Frage "Differenzierung ja oder nein" ist nicht nur für den jetzigen Titelbestand, sondern auch für den zukünftigen Titelbestand zu beantworten, und die Frage, wie bei einer Änderung mit dem Altbestand zu verfahren ist, dann noch einmal getrennt davon. 
Im vorliegenden Fall wäre, wenn in Zukunft Splits gemacht würden, meines Erachtens eine händische Bereinigung des Titelbestandes von der Menge her ausgeschlossen. Vielleicht ließe sich einiges auf Grund von Titelfassungen bzw. Zeitangaben im Titel maschinell bereinigen, einer großer Teil würde aber voraussichtlich nicht differenziert verbleiben.  
Im umgekehrten Fall, wenn wir uns gegen Splits entscheiden, würde dieser nicht differenzierte Teil weiter ansteigen.

Ich will mich hier nicht für die eine oder andere Lösung aussprechen - und andere Fälle sind auch nicht über denselben Kamm zu scheren - möchte aber darauf aufmerksam machen, dass wir uns mit einem neuen Regelwerk in jedem Fall auch für eine Zukunft im Internet positionieren, wo wir dem Benutzer den Mehrwert einer bibliothekarischen Erschließung unter Beweis stellen sollten. Da scheint mir neben der Einfachheit und Gebräuchlichkeit von Entitätenzuschnitten und Ansetzungen die weltweite Retrievalfähigkeit der Daten und die Interoperabilität zwischen den Bibliothekskatalogen ein sehr wichtiger Punkt zu sein. 

Beste Grüße
Christel Hengel
 


Bayerische Staatsbibliothek München,
Abt. Bestandsaufbau und Erschließung,
Referat Zeitschriften und Elektronische Medien,
Sachgebiet Printzeitschriften
Zi. 022/5
Ludwigstr. 16
80539 München
Tel.: 089 / 28638-2755
Fax: 089 / 28638-2319
E-Mail: Ulrich.Hippe at bsb-muenchen.de




More information about the rak-list mailing list