[rak-list] Wirtschaftlichkeitsuntersuchung - Umstieg auf internationale Formate und Regelwerke (MARC21, AACR2)

Thomas Berger ThB at gymel.com
Mon Mar 15 12:23:20 CET 2004


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Liebe Frau Wiesenmueller,

| Alles in allem stehe ich etwas ratlos vor diesem Gutachten (das laut
| DFG-Antrag uebrigens ca. 96.000 Euro kosten sollte). Dass es eine
| sinnvolle Grundlage fuer die anstehenden Entscheidungen bietet, scheint
| mir persoenlich zweifelhaft.

Wenn man den Zahlen glauben mag (aber evtl. lese ich da etwas falsch):
Die RAK-Katalogisierung in Deutschland kostet auf die naechsten 15 Jahre
gerechnet 2,382 Mrd. Euro (hauptsaechlich Personal), ein Umstieg auf
AACR2 und MARC kostet auf 15 Jahre gerechnet 73 Mio Euro zusaetzlich und
hat eine "Gesamtwirtschaftlickeit" von 469 Mio. Euro., also etwa 20%.
(Nicht dass man von den 469 Mio. Euro etwas kaufen oder sparen koennte).

Dies liegt vor allem daran, dass der in NWP ausgedrueckte Nutzen eines
AACR-Umstiegs ca. 28% hoeher als der des Ist-Zustands ist.

So wie ich die Rechnungen verstehe [Die Erlaeuterung auf Seite 50 taugt
leider nicht], wird die Gesamtwirtschaftlichkeit in Bezug auf die
Gesamtkosten von ca. 2,5 Mrd. Euro berechnet, aufgrund der
vergleichsweise geringen Kosten von unter 100 Mio Euro waere ein Umstieg
sogar dann wirtschaftlicher, wenn er weniger als 4% Nutzen bringen wuerde!

Problematisch daran scheint mir, dass in den Nutzenvergleich nur
Kriterien aufgenommen wurden, die fuer den Vergleich als relevant
erachtet wurden, so sind ja bei einem Umstieg die Milliarden fuer die
Personalkosten nicht unbedingt 28% = 82.000/65.000 "nuetzlicher"
eingesetzt, sondern vielleicht nur 1.082.000/1.065.000 = 1,7%, wenn man
noch (erfundene) 1.000.000 Nutzwertpunkte beruecksichtigt, die die
(in beiden Faellen gegebene und daher scheinbar nicht vergleichenswerte)
Katalogisierung nach einem professionellem Regelwerk darstellen.
[Sind die Gesamtkosten eines Autos hoch genug, ist ein massivgoldener
Zigarettenanzuender auf jeden Fall wirtschaftlich, da er einen gewissen
Prestigevorteil bedeutet und sich die Kosten (Anschaffung, hoeherer
Treibstoffverbrauch) berechnen und begrenzen lassen]

Die Studie ist also methodisch m.E. so angelegt, dass ein Umstieg immer
dann angebracht ist, wenn er als nuetzlich emfpunden wird (und die
Kosten nicht explodieren). Man kann daher die Wirtschaftlichkeits-
betrachtungen daher getrost ausser acht lassen und sich alleine auf das
Zustandekommen der Nutzwertpunkte konzentrieren (die Ermittlung der
Umstiegskosten in der Studie ist natuerlich wertvoll), wobei jetzt
allerdings nicht mehr klar ist, wie man diese miteinander vergleichen
kann:

Ausser zu den Gewichtungsfaktoren (p.45 und 46) und den zugewiesenen
Punkten pro Bibliothekstyp (p. 5 und 6 des Rechenmodells) gibt es hier
jedoch keine weiteren Informationen, z.B. was sich hinter "Struktur [des
Bibliothekswesens]" an Vorteilen versprochen wurde und wie diese
quantifiziert wurden: Es faellt zumindest auf, dass bei vier der zehn
Kriterien die Spalte "RAK", also Ist-Zustand, 0 Punkte bekommt, was
jedoch vermutlich nicht bedeutet, dass noch nie ein Auslaender
unsere Daten ueber Z39.50 gesehen hat "weltweite Prasenz?", sondern
nur, dass in diesen Clustern ausschliesslich Teilkriterien enthalten
sind, denen a priori zugeordnet wurden, dass sie "fuer einen Umstieg"
sprechen.

Wir koennen uns einmal das Ergebnis fuer die DDB ansehen, weil hier
die Zahlen im Rechenmodell und die Torten im Abschlussbericht einfach
in Beziehung zueinander stehen. Ausserdem handelt es sich um eine
einzelne Bibliothek, die recht gut bekannt ist, z.B. wissen wir alle,
dass sie intern nicht mit MAB arbeitet, sondern mit PICA:
- - die DB hat (aus politischen Gruenden?) keine Meinung zur Auswirkung
~  eines Umstiegs auf die Struktur des Bibliothekswesens
- - AACR mit MARC hat (1041) Standardisierungsvorteile gegenueber RAK mit
~  MAB (871)
- - "Datenqualitaet" ist 0 bei AACR mit MARC, 501 derzeit, (bei RAK mit
~  MARC wuerde sie sogar auf 667 geschaetzt)
- - "techn. Datentausch" ist 525 bei den beiden MARC-Szenarien, 0 bei
~  MAB. Dieses Plus wiegt alleine mehr als 25% der Gesamt-Nutzenpunkte
~  fuer RAK/MAB bei der DDB.
- - "interne Prozesse" sind Plus 319 derzeit, 0 sonst, d.h. es ist der
~  Nutzen MAB-basierender Verarbeitungsroutinen in einem PICA-System?
~  [Mir ist noch nicht klar, ob diese "internen Prozesse" an anderen
~  Stellen der Studie ausserdem noch quantifiziert wurden]
- - "Fremddatenverwendung" ist 319 bei AACR/MARC, 0 sonst: D.h. der
~  groessere Informationsgehalt von AACR-Katalogisaten wird begruesst.
- - "Mitarbeitersicht" und "Nutzersicht" jeweils 128/72 von AACR zu RAK
- - "Wettbewerb" und "Weltweite Praesenz" jeweils ca. 490:0 beim
~  Einsatz von MARC, egal bei welchem Regelwerk.

In der Summe ist AACR/MARC 69% "nuetzlicher" (3093:1835) als der Ist-
Zustand, waere nicht der Verlust an "Standardisierung", waere jedoch
ein Umstieg von MAB auf MARC alleine noch "nuetzlicher". [Die RAK-
Zahlen sind moeglicherweise andere, ich finde einfach nicht heraus,
worin der Unterschied zwischen "RAK mit Datenmigration" und "RAK ohne
Datenmigration" besteht und warum der Nutzwert ein anderer ist.]

Mir stellt sich dies so dar, dass der Gewinn fuer die "Gesamtwirtschaft-
lichkeit" der Regelwerksumstellung von (auf die DB bezogen) ca. 50% der
Gesamtkosten oder 40. Mio Euro im Wesentlichen dadurch erreicht wird,
dass man ein paar Filter hat, die die Im- und Exportschnittstellen
MAB <-> PICA auf USMARC <-> PICA umstellen, nur: die gibt es doch schon,
oder? [Ausserdem bekommt PICA dann Konkurrenz, was der DB (493:0) dann
durch Kienbaum quantifiziert einen Vorteil von 6 Mio. Euro auf 15 Jahre
bringt, abgesehen von dem m.E. bereits eingerechneten Kostenvorteil
von 10% durch die Marktoeffnung.

Ich weiss wirklich nicht, was ich von der Studie halten soll, vielleicht
haette ich mich nicht aeussern sollen...

viele Gruesse
Thomas Berger


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