[rak-list] RAK-Weiterentwicklung und FRBR-Begriffe

Charles Croissant croisscr at SLU.EDU
Tue Mar 18 18:35:19 CET 2003


Bernhard Eversberg wrote:
> 
> Charles Croissant stoesst die wichtige Diskussion um "expression" und
> "manifestation" erneut an und hat die Dinge noch einmal sehr einleuchtend
> zusammengefasst.
> 
> Er schreibt:
> > ... kam es sehr darauf an, der lang
> > anhaltenden Verwirrung um den Begriff "edition"/"Ausgabe" ein Ende zu
> > machen.
> Eben diese Verwirrung haben wir in unserem Kontext allerdings nicht verspuert.
> Fuer uns war "Ausgabe" schon laengst viel weiter gefasst, und im Regelwerk
> definiert, als das intuitive, von AACR ja nicht definierte "edition". Unsere
> Ausgangsbasis, unser Grundverstaendnis ist also anders. 

Herr Eversberg schreibt, "Eben diese Verwirrung haben wir in unserem
Kontext allerdings nicht verspürt." Ich frage mich manchmal: Hängt das
eventuell damit zusammen, dass die RAK-WB sehr  "buch-orientiert" sind?

In anderen Medien, vor allem bei Musikalien, ist es noch kniffliger,
"expressions" und "manifestations" auseinanderzuhalten, und gerade da
wäre es m.E. für den Benutzer vorteilhaft, sie unterscheiden zu können.
Rafael Joseffy hat z.B. das Oeuvre von Chopin "herausgegeben" -- seine
"editions" würde ich im FRBR-Sinn als "expressions" werten, sie liegen
auch als "manifestations" von einer Unzahl verschiedener Verlage vor.
Joseffy's "editions" als "expressions" einstufen zu können, wäre dem
Katalogisierer, der eine Titelaufnahme erstellen muss, schon eine Hilfe;
dann weiss er, wo und wie diese Information im Katalogisat am besten
unterzubringen ist.

> Aber was koennen wir
> konkret damit anfangen, was wir bisher nicht machen konnten? Wo und wie schaffen
> wir im Katalog neue Klarheit, die wir bisher nicht hatten? Neue Funktionen, die
> wir noch nicht anbieten konnten? Darum geht es uns. Das Regelwerk soll,
> philosophisch gesehen, nichts regeln, fuer das es keinen Bedarf und keine
> Funktion gibt.

Das ist natürlich die Frage, der wir uns stellen müssen. Wir sollten
auch nicht davon ausgehen, dass FRBR pauschal für die ganze
Katalogisierung anzuwenden sei. Bei Verfassern von wenigen Werken, z.B.,
lohnt sich ein solcher Aufwand sicherlich nicht. Aber gerade bei
Dichtern und Schriftstellern von Weltrang, und speziell bei Komponisten,
könnte sich das FRBR-Modell als sehr nützlich erweisen.

Die FRBR-Diskussion hilft m.E. klarzumachen, dass wir in unseren
jetzigen Katalogisaten gleichzeitig "works" und "manifestations"
beschreiben; d.h., einige Daten in der Titelaufnahme beschreiben das
Werk, andere beschreiben die Manifestation. Für das weitere Nachdenken
über die Katalogisierung ist es sehr hilfreich, diese beiden Ebenen
auseinanderhalten zu können. (Und das ist m.E. schlecht möglich, wenn
man "expressions" und "manifestations" unter dem einzelnen Begriff
"Ausgabe" vereinen will.)

Einen Katalog nach FRBR-Art zu entwickeln wird m.E. erfordern, dass wir
noch viel mehr Gebrauch von Normdatensätzen machen, und dass wir für
neue Möglichkeiten von Verknüpfungen von Normdatensätzen und Titelsätzen
offen sind. Viele Daten, die mit dem Werk zu tun haben, können dann in
einem Normdatensatz verankert sein, um dann nach Bedarf mit
verschiedenen Titelsätzen verknüpft zu werden.

Wer sich ein Bild machen möchte von der FRBR-Diskussion in der
AACR2-Welt, der kann unter dieser URL eine MARBI Discussion Paper mit
dem Titel "Dealing with FRBR Expressions in MARC 21" finden:

http://www.loc.gov/marc/marbi/2002/2002-dp08.html

mit freundlichen Grüssen,
Charles Croissant
-- 
Charles R. Croissant
Catalog Librarian
Pius XII Memorial Library
Saint Louis University
3650 Lindell Blvd.
St. Louis, MO  63108-3302
(314) 977-3098
croisscr at slu.edu




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