[rak-list] Individualisierung

Charles Croissant croisscr at SLU.EDU
Fri Jan 25 17:48:00 CET 2002


Rita Albrecht wrote:
>  
> Lieber Herr Croissant,
> 
> was Sie beschreiben, ist richtig und nachvollziehbar. Aber lassen Sie
> mich einmal eine etwas provakante Frage stellen: wieviele Benutzer
> koennen Ihre Such- oder Rechercheanfrage ueberhaupt so genau abfassen
> wie Sie es beschreiben? Nun mag ja die Abgrenzung zwischen dem
> Schriftsteller und dem Bibliothekar Thomas Mann noch einfach sein, was
> aber, wenn es sich um nicht so populaere Personen handelt, die
> "Allerweltsnamen" haben? Helfen da die Lebensdaten wirklich
> entscheidend weiter? [...]

Liebe Frau Albrecht,

Sie werfen eine interessante und wichtige Frage auf. Ich habe eine
Kollegin hier an meiner Bibliothek gebeten, eine "literature search" zu
diesem Thema zu unternehmen; Resultate werde ich an Sie über diese Liste
weiterleiten. 

In der Zwischenzeit, hat mich Ihre Frage veranlasst, über
Individualisierung weiter nachzudenken: 

Meine persönliche Antwort auf Ihre Frage lautet: Ja, Individualisierung
nutzt den Benutzern. Sie ist Mittel zu einem wichtigen Zweck: der
Benutzer will sich nicht mit Werken aufhalten, die nicht von dem
Verfasser stammen, den er gerade sucht. (Verzeihen Sie bitte meine
maskulinen Formen, ich weiss nicht, welche Umgangsformen in Deutschland
gerade bevorzugt werden, um um dieses leidige Problem herumzukommen--ich
bin aber sehr für alle Formen der Gleichberechtigung, auch die
sprachlichen.)

Also, Individualisierung ist die Hauptsache. Wie diese
Individualisierung formal aussehen soll, dazu gibt es verschiedene
Möglichkeiten. Wie Sie bemerkt haben, sind Lebensdaten nicht unbedingt
die informationsreichste Form der Individualisierung. Wir in Amerika
geben aber den Lebensdaten seit mehr als einem Jahrhundert den Vorzug,
weil sie einen grossen Vorteil haben: sie führen in fast allen Fällen,
und auf knappstem Raum, zu einer "einmaligen" Ansetzungsform bzw.
Identifikation ("unique identifier").

Wenn Sie z.B. mit Beiwörtern arbeiten, wie "Dt. Jurist" - ich beziehe
mich hier auf den Kommentar von Herrn Berger - kann es ja passieren,
dass Sie zwischen mehreren Thomas Manns unterscheiden müssen, die alle
Juristen sind; dann sind Sie sowieso gezwungen, Lebensdaten in die
Normdateiensätze für diese Thomas Manns aufzunehmen.

Herr Berger macht die sehr interessante Bemerkung, dass es hier in
Wirklichkeit eine Frage des OPAC-Displays ist, und hat wohl damit Recht.
Nur möchte ich bemerken: von meiner Sicht aus gehören die verschiedenen
Informationen, die in seinen Beispielen stehen, praktisch gesehen alle
zu der "Ansetzung", denn sie werden benötigt, um die Verfasser
voneinander zu unterscheiden. Informationsreich ist ein solches
Verfahren schon, und auch in unseren amerikanischen Systemen zumindest
denkbar, nur im Alltag des Katalogisierers ist es wohl leichter, und
schneller, sich auf Lebensdaten zu beschränken. (Wohlbemerkt,
Informationen wie sie in Herrn Bergers Beispielen zu finden sind, werden
auch bei uns in den Dateisätzen unserer Normdatei festgehalten.)

mfg,
Charles Croissant

-- 
Charles R. Croissant
Catalog Librarian
Pius XII Memorial Library
Saint Louis University
St. Louis, MO  63108
(314) 977-3098
croisscr at slu.edu




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