[Rda-info-liste] (Wiesenmüller an ThB) Beispiel "RAK für Online-Kataloge"

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Die Jul 7 02:12:53 CEST 2015


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Liebe Frau Wiesenmueller, liebe Liste,

[jetzt, da die Temperaturen etwas gesunken sind, ist Denken wieder
im Bereich des Moeglichen]

>> Viel von unseren Muehen kommt evtl. von folgender Aussage von 2011, s
eitdem
>> hat sich da ja nicht wirklich viel veraendert:
>>
>>   RDA 19.2.1.1.1 is carryover of AACR2 21.1B2:  not enough time for J
SC to
>>   consider other approach (a “deferred issue”)
>>
>>   Focus of that instruction:  type of resource, not role played by th
e
>>    corporate  body – but RDA is “all about” roles
>>
>> < www.rda-jsc.org/docs/NASIG-RDA-module-8.ppt >, Folie 7
> 
> da stimme ich Ihnen absolut zu.
> 
> Es wäre einen Versuch wert, mal ein grundsätzliches Discussion Paper z
um Konzept
> des körperschaftlichen geistigen Schöpfers beim JSC einzubringen. Die
> interessante Frage ist dabei natürlich: Wie sollte dann unser 
> Alternativvorschlag aussehen?



Er saehe auf jeden Fall ziemlich anders aus:

Fundamental ist ja, dass WEMI zu beachten ist, und da sehe ich die
bislang zentrale Herausgeberschaft eher auf dem Expression-Level.
Etwa in Analogie zur persoenlichen Herausgeberschaft, aber die
Sache hat verschiedene Aspekte, wie wir wissen, publishing,
issuing, editing im Englischen, herausgeben, veranlassen und
veroeffentlichen im Deutschen, eine Sprache ist da nicht genug.

Moeglicherweise muss man zuerst "Grundlagenforschung" betreiben
und die Typologie der verschiedenen Funktionen im Glossar erweitern.

Zu beachten ist ausserdem, dass die Frage der Rollen und insbesondere
der Creator-Eigenschaft in den RDA eigentlich ziemlich getrennt
von der Frage ist, ob der "Access Point" fuer eine Ressource bzw.
ein WEMI-Konstrukt nun mit oder ohne primaerer Person/Koerperschaft
gebildet wird. Die Frage ist dabei, ob die Existenz irgendeiner
Person/Koerperschaft, die auf Werk-Ebene einen Bezug zur Ressource
hat, stets bedeuten muss, dass auf Expressions- und Manifestations-
Ebene nur Access Points mit Werk-Ebenen-Beteiligten gebildet werden
koennen.


Am interessantesten (da am gravierendsten) sind dann natuerlich die
Rollen, die sich als "auf Werk-Ebene abspielend" identifizieren lassen.

Im Bereich der Auffuehrungswerke haben die RDA dabei einen interessanten
Twist: Waehrend fuer die FRBRoo etwa die Auffuehrung eines Orchesterwerk
s
ein eigenes Werk ist (das die Komposition inkorporiert), womit die
Interpreten Creators sind, scheint dies fuer die RDA (bzw. auch
die allgemeinen FRBR, die sich zu "bibliothekstypischem" aeussern) zu
fluechtig, es geht dann nur um Aufzeichnungen solcher Auffuehrungen,
und die werden als Expressions der Komposition betrachtet, die Inter-
preten sind also Mitwirkende auf Expression-Ebene. Sie brachten auf
der internationalen RDA-Liste die Frage nach dem Access Point fuer
Tontraeger als Interpreten- oder Orchesterportraits, d.h. auf Werk-
Ebene eine Sammlung verschiedener Kompositionen (von einem oder
mehreren Komponisten), auf Interpretations- oder Expressionsebene
hingegen aus einer Hand - mir ist nicht klar, warum der Access Point
fuer Expression oder Manifestation unter dem Komponisten (falls einer)
bzw. unter keinem Komponisten (falls mehrere) gebildet werden muss
und nicht unter dem Orchester etc. - ich meine mich zu erinnern,
dass es im Bereich der Schriftdenkmaeler auch "Ansetzungen" unter
Herausgeber bzw. Compilator gibt...

Im Bereich der populaeren Musik gibt es aber ein tiefer sitzendes
Problem, nennen wir es mal "intrapersonale Koerperschaften": Ein
Musiker hat neben seiner Haupttaetigkeit in einer Band ein "Projekt",
bzw. verteilt seine Taetigkeit auf verschiedene "Projekte": Die
heissen dann oft irgendwie merkwuerdig, je nach Genre ist es "DJ XY"
oder "Blabla", also mal eine Kunstfigur und mal etwas auf eine
Band hindeutendes: Dieser Musiker ist dann Creator in allen nur
denkbaren Bezuegen und heuert dazu ein paar Musiker als ausfuehrende
Interpreten an. Manchmal ist das so erfolgreich, dass sie dann auch
auf Tournee gehen, im Normalfall bleibt es aber ein Studio-Projekt.
Im Bereich der elektronischen Musik ist der Musiker u.U. im Hauptberuf
"Producer" (also jemand, der im Studio Samples montiert, gegen Geld,
fuer andere) und das "Projekt" kommt ganz ohne zusaetzliche Musiker
aus: Die "Band" ist sozusagen eine diskographische Identitaet der
Person. Und hier eine Trennung zwischen Komposition als Werk und
Expression als Auffuehrung der Komposition zu fingieren, fuehrt m.E.
deutlich zu weit. Die Beschreibung kann nur so funktionieren, dass
die diskographische Identitaet (das "Projekt") der kuenstlerische
Schoepfer ist, und fuer die Beschreibung muss es weitestgehend egal
sein, ob das nun eine Person, eine Band, eine fiktive Band, oder
was auch immer sein soll.

Fuer die bildende Kunst wurde erst 2012 in 19.2.1.1.1. aufgenommen,
dass Kuenstlerduos oder -gruppen als Schoepfer gelten, wenn sie
"als (wie?) eine Koerperschaft handeln", fuer Architekten in
Parternschaften war das immer unterstellt (Meldeadresse genuegt
fast, um von uns als Architekturbuero und Koerperschaft verstanden
zu werden, denkt man an die dort typischerweise angestellten Zeichner
und Modellbauer, ist da natuerlich was dran), Rembrandt's Werkstatt
ist m.W. keine Koerperschaft (fuer jedes konkrete Gemaelde findet
sich jemand, der es mal dem echten Rembrand zugeschrieben hat und
eine Fussnote, die das dann relativiert), Schriftstellerduos werden
nicht als Koerperschaft aufgefasst (auch wenn der "Scheinbare
Dopplename" sich verselbstaendigt hat und individuelle Anteile
nicht durchscheinen), und auch im Fall eines gemeinsamen Pseudonyms:
Das ist natuerlich oft genug ein fingierter Personenname um hier
eine gewisse Tradition zu konstatieren.
Ich will dies alles als Argumente verstanden wissen, dass es Rand-
bereiche gibt, in denen die Trennung Person bzw. Koerperschaft
schwierig ist bzw. ausserbibliothekarischen Traditionen folgt,
fuer /kuenstlerische/ Werke aber wenig Unterschied besteht:
Die verantwortliche Entitaet kann klar ausgemacht werden, nur
die Entscheidung ob das nun Person oder Koerperschaft ist, kann
zum Problem werden.

Im Fall des "collective thought" bzw. nicht kuenstlerisch-literarischer
Ausdrucksformen, speziell regulatorischer Texte mag es groessere
Unterschiede geben, vor allem aber unterschiedliche Gewichte: An
den Auftraggeber von Mozarts Requiem moegen wir uns kaum erinnern,
bei der hier diskutierten DBI-Publikation hingegen gibt es eine
ganze Kette von Beauftragungen. Dann gibt es noch das "sich-zu-eigen-
machen", worunter moeglicherweise auch Gesetze fallen: Der (8.)
Bundestag ist gewiss nicht von der Bundesrepublik oder ihren Exekutiv-
Organen beauftragt worden, ein bestimmtes Gesetz zu verabschieden,
die Frage ist, ob das inhaltliche "wurde fuer die Bundesrepublik"
erlassen nun massgeblich sein soll oder das formale "(aufgrund
verfassungsrechtlicher Mechanismen bzw. wegen der Veroeffentlichung
im Bundesanzeiger) ist es ein Gesetz der Bundesrepublik". Ich denke,
die Rollen *sind* klar trennbar und sollten auch benannt werden, und
wenn man dafuer das Vorwort lesen muss, soll es auch so sein: Die
gesamte Vorlage als Informationsquelle zu nutzen bedeutet nicht,
dass man auf ein paar eckige Klammerungen verzichten darf und daher
ein paar Millisekunden spart, sondern dass man das u.U. braucht, um
hinter der Manifestation die Expression und das Werk zu erkennen
und die Bezuege zu verstehen.

[In der bisherigen Diskussion hier sehe ich durchaus verschiedene
Interpretationen des "collective thought": Ich persoenlich sehe
das recht eng, d.h. die Expertengruppe hat diskutiert, und zwar
benannte oder nicht benannte Personen mit der Formulierung
beauftragt (sozusagen die eigentlichen Autoren, u.U. als
"Redaktionsteam" eine informelle Unter-Koerperschaft)], das
Resultat spiegelt aber das Gedankengut der gesamten Gruppe.
Frau Wiesenmueller will das m.E. weiter gefasst wissen, durch
das "sich-zu-eigen-machen" der Ergebnisse der Expertengruppe
durch die uebergeordnete Kommission oder beauftragende Koerper-
schaft wird es (auch) zum "collective thought" jener Koerperschaft.
Man koennte nun betrachten, dass die Uebergeordnete Koerperschaft
sich das Werk eigentlich nur anhand der konkreten Expression
zu-eigen-machen kann (endorse?), evtl. gibt es ueber diesen
Weg gar keinen besonders starken Bezug auf der Werk-Ebene?
Aber ich schrieb eingangs bereits, dass wir wohl um eine
genauere Typologie der diversen Rollen nicht umhin kommen.]

Die bisherige Funktion der "Herausgeberschaft" sollte genauer
untersucht werden, moeglicherweise ist sie ja das Indiz fuer das
"sich-zu-eigen-machen" auf Werk-Ebene, genau so wie das "veranlassen"
ebenfalls auf der Werk-Ebene interpretiert werden kann: Eine
Expertenkommission ist moeglicherweise ganz allgemein dafuer
eingesetzt worden, genau diese Art von Papieren zu produzieren,
und hat fuer eine konkrete Ausarbeitung selbst die Inititative
ergriffen, ohne auf Arbeitsvorgaben zu warten: Ich wuerde das
so sehen, dass die Organisation organisatorische Massnahmen
ergriffen hat, die zur Produktion solcher Ausarbeitungen fuehren
sollten, wenn dann ein Papier dabei herauskommt, hat sie es
veranlasst: Und zwar erst einmal als Werk, ob sie dann auch dessen
Veroeffentlichung veranlasst oder selbst uebernimmt, ist etwas
davon getrenntes. (Anders als das "dynamische" FRBRoo, das das
Vorgehen von Museumsleuten reflektiert, also eine /Erforschung/
der Prozesse die zur jeweiligen Vorlage gefuehrt haben, /beschraenkt/
sich die RDA auf die Vorlage - wenn auch die ganze, d.h. wir muessen
im Rahmen der /Indizien/ entscheiden, die uns die Vorlage liefert,
die "wahren" Vorgaenge zumal auf Werk- und Expression-Ebene bleiben
uns moeglicherweise verborgen)


Fuer die Bildung von Access Points kann man dann analog der jetzigen
19.2.1.1.1 hingehen und fuer verschiedene Inhaltstypen den diversen
Rollen unterschiedliches Gewicht geben, damit eine Koerperschaft
als primaere ausgezeichnet wird. Hier sollte besonders beruecksichtigt
werden, wenn eine Koerperschaft mehrere Rollen einnimmt:
Beauftragen plus sich-zu-eigen-machen koennte dann den "collective
thought" allein aus numerischen Gruenden toppen. Allgemeine Regeln
zu Access Points bei unspezifischen Sachtiteln koennen hier
ebenfalls dazu fuehren, dass Koerperschaften angesetzt in den
Access Point wandern, selbst wenn sie nur "sonstig beteiligt"
und dies evtl. noch nicht einmal auf Werk-Ebene sind.

Regelungen zu Unterkoerperschaften sehe ich kritisch: Zum einen
sind durch Ansetzungsregeln zu Koerperschaften (Freunde der OeNB)
hier Fiktionen und Vereinfachungen eingeflossen, die es im
Wirklichen Leben so gar nicht gibt. Zum anderen laesst sich da
stets ein Auftragsverhaeltnis zumindest vermuten (in die eine
Richtung) bzw. ganz klar ausschliessen (in die andere Richtung):
Mir faellt zumindest kein Fall ein, wo eine untergeordnete
Koerperschaft in der Lage waere, die ihr uebergeordnete mit
etwas zu beauftragen. Eine Praxisregel koennte natuerlich formulieren,
dass im Falle mehrerer genannter Koerperschaften mit gegenseitigen
Ueber/Unterordnugnen regelmaessig ein Auftragsverhaeltnis "von oben
nach unten" angenommen werden kann (Hm. Beauftragt "die
Bundesrepublik" dann etwa doch den Bundestag mit dem Verabschiedenen
von Gesetzen?),

Fazit:

1. Fuer RDA-gemaess wuerde ich eine genauere Bestimmung der /unter-
schiedlichen/ Rollen und der jeweiligen WEMI-Ebenen von
Koerperschaften halten, und durchaus pro benennbarer Rolle mindestens
eine beteiligte verzeichnen.

2. Ziel sollte stets die weitestgehende Parallelitaet von Personen und
Koerperschaften sein (auch auf Manifestations-Ebene bekommen wir sonst
spaeter Schwierigkeiten, weil wir nicht wissen ob "Druckerei Mueller"
eine Ein-Mann-Garagenveranstaltung ist oder ein Weltkonzern...)

3. Unbedingt deutlich nachgelagert waeren dann Ueberlegungen fuer den
Access Point einer Ressource. Dieser Tage wurden ja die "Training
Materials" der LC uebearbeitet oder erstmalig veroeffentlicht: Mir
scheint der Hinweis bemerkenswert, dass jegliche 1XX *mit* Angabe
der Relation (d.i. zu /dieser/ Ressource) versehen wird (selbst wenn
hier scheinbare Redundanz entsteht durch Aufeinandertreffen etwa der
Berufsbezeichnung "Komponist" als individualisierenden Bestandteil
mit der Rolle "Komponist"), jedoch alle *kombinierten* Access Points
(Person / Titel, Koerperschaft / Titel, ...) in 7XX (Bezug zu dadurch
benannten anderen Level-1-Entiaeten) stets ohne Relator term. Ich
interpretiere das so, dass man /nicht/ hingeht und sagt alle ueberhaupt
beruecksichtigten Koerperschaften seien irgendwie creators und haben
damit dieselbe Rolle, die daher nicht benennenswert ist. Sondern man
sagt: Fuer diese Einspielung der Mondscheinsonate genuegt es zu erwaehne
n,
dass es die Mondscheinsonate "von" Beethoven ist. Fuer weitere
Informationen (hat er sie getextet, gesungen, komponiert, was ist das
ueberhaupt...) ist der Werk-Satz zustaendig bzw. das, was man an
Katalogisierungsdaten in Notendrucken findet, die das Werk "direkt"
ausdruecken. (Technich gesehen ist es einfach ein Sachzwang: Man
braucht das Unterfeld fuer den relator term, um evtl. den Bezug zu
/dieser/ Resource festzustellen, also etwa den Werk-Werk-Bezug
"Aufzeichnung von Auffuehrung von". Mag nun sein dass die Trainings-
materialien so zu verstehen sind, dass man in diesem Fall diesen
Bezug ebenfalls nicht benennt)

viele Gruesse
Thomas Berger
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Version: GnuPG v1
Comment: Using GnuPG with Thunderbird - http://www.enigmail.net/

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