[Rda-info-liste] (Wiesenmüller) Beispiel "RAK für Online-Kataloge"

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Fre Jul 3 09:05:41 CEST 2015


Liebe Frau Payer,

vielen Dank für das Beispiel. Das Thema ist so trickreich, dass es gut 
ist, es an verschiedenen Beispielen durchzudenken. Im Folgenden meine 
persönliche Analyse; es lohnt aber sicher, dass wir das Beispiel auch in 
der Themengruppe noch besprechen.

Ich habe den Band leider nicht zur Hand, deshalb muss ich erst mal 
nachfragen: Ist denn die Kommission - also die mittlere Hierarchiestufe 
- in der Ressource ebenfalls genannt? Die Angabe auf dem Titelblatt ist 
ja vermutlich so zu interpretieren, dass hier nur die Expertengruppe - 
also die untere Hierarchiestufe - genannt ist. Die geplante Regelung, 
die ich erwähnt hatte, bezieht sich aber auf den Fall, dass in der 
Ressource wirklich mehrere Körperschaften, die hierarchisch 
zusammenhängen, genannt sind:

> Sind zwei oder mehr Körperschaften in der Ressource genannt, die in 
> einer hierarchischen Beziehung zueinander stehen, so hat in der Regel 
> eine untergeordnete Körperschaft das Werk im Auftrag der 
> übergeordneten Körperschaft ausgeführt.

Hier ein Beispiel, wie so etwas aussehen kann:

> Richtlinie für die Bewirtschaftung des hessischen Staatswaldes : RiBeS 
> 2012 / Hessisches Ministerium für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und 
> Verbraucherschutz ; Herausgeber: Hessisches Ministerium für Umwelt, 
> Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Ab­teilung Forsten und 
> Naturschutz 

Aber nehmen wir einfach mal an, dass in dem Band alle drei Stufen 
getrennt genannt sind:
- Deutsches Bibliotheksinstitut
- Deutsches Bibliotheksinstitut. Kommission für Erschließung und 
Katalogmanagement
- Deutsches Bibliotheksinstitut. Expertengruppe Online-Kataloge

Dann ist es die Frage, *wessen* kollektives Gedankengut wir vor uns 
haben. "Kollektives Gedankengut" meint dabei nach meinem Verständnis 
nicht, in den Köpfen welcher Gruppe es entstanden ist, sondern vielmehr, 
welche Gruppe dahinter steht - sozusagen mit wessen Autorität die 
Reformvorschlägen präsentiert werden. Anders gesagt: Welche Körperschaft 
will mit der Veröffentlichung etwas erreichen? Denn das 
"Damit-etwas-erreichen-Wollen" ist ein ganz wesentlicher Aspekt beim Typ 
"Kollektives Denken".

Ich versuche mir gerade, einen solchen Vorgang Schritt für Schritt 
vorzustellen. An die Expertengruppe ist zunächst ein Auftrag der 
Kommission ergangen. Die Expertengruppe hat dann ihre Vorschläge 
zunächst der Kommission präsentiert. Würde man diese Fassung - also die 
Arbeitsergebnisse der Expertengruppe, aufbereitet für die Kommission und 
mutmaßlich mit einem Handlungsvorschlag versehen (z.B.: die Kommission 
möge die Arbeitsergebnisse gut heißen und sie verbreiten) - 
katalogisieren, so wäre m.E. die Expertengruppe der geistige Schöpfer.

Wir sind jetzt aber schon einen Schritt weiter: Die Kommission hat die 
Arbeitsergebnisse für gut befunden und sich hinter die Reformvorschläge 
gestellt - sie hat sich also das kollektive Denken der von ihr 
beauftragten Gruppe zu eigen gemacht. Dann ist entsprechend der 
zitierten Regel die Kommission als geistiger Schöpfer zu betrachten. Das 
scheint mir auch ganz sinnvoll zu sein.

Anders wäre es, wenn die Kommission die Vorschläge der Expertengruppe 
abgelehnt hätte - dann hat sie diese eben nicht zu ihrem eigenen 
kollektiven Denken gemacht. Angenommen, die Expertengruppe 
veröffentlicht sie trotzdem (z.B. als Minderheitenvotum oder als offenen 
Brief an die Kommission), dann wäre ganz klar wieder die Expertengruppe 
der geistige Schöpfer. Deshalb hatten wir in unserer Formulierung dazu 
geschrieben:

> Geistiger Schöpfer ist dann die übergeordnete Körperschaft, sofern die 
> Kriterien aus RDA 19.2.1.1.1 für diese erfüllt sind (Beispiele: es 
> handelt sich um ein Werk administrativer Natur, das sich mit der 
> übergeordneten Körperschaft befasst und nicht nur mit der 
> untergeordneten Körperschaft; es handelt sich um kollektives 
> Gedankengut der übergeordneten Körperschaft, nicht nur der 
> untergeordneten Körperschaft).

Bei mehrstufigen Hierarchien dürfte es meistens nicht die alleroberste 
Stufe sein, die als geistiger Schöpfer zu betrachten ist - hier also 
nicht das DBI. Vielleicht wäre es deshalb besser, den ersten Satz der 
Passage minimal zu verändern und nicht von "im Auftrag der 
übergeordneten Körperschaft", sondern von "im Auftrag einer 
übergeordneten Körperschaft" zu sprechen, also:

> Sind zwei oder mehr Körperschaften in der Ressource genannt, die in 
> einer hierarchischen Beziehung zueinander stehen, so hat in der Regel 
> eine untergeordnete Körperschaft das Werk im Auftrag *einer* 
> übergeordneten Körperschaft ausgeführt. 

Dann ist klar, dass der geistige Schöpfer bei einer mehrstufigen 
Hierarchie diejenige ist, die den Auftrag gegeben hat, und nicht etwa 
grundsätzlich die oberste Hierarchiestufe.

Nach obiger Analyse kommt man auf die Kommission als ersten geistigen 
Schöpfer. Die namentlich genannten menschlichen Verfasser sehe ich als 
weitere geistige Schöpfer an. Auch die Expertengruppe kann 
berücksichtigt werden und eine Nebeneintragung bekommen, allerdings 
nicht als geistiger Schöpfer (RDA 19.2), sondern als "sonstige 
Körperschaft, die mit einem Werk in Verbindung steht" (RDA 19.3).

Anders wäre die Sache, wenn in der Ressource die Kommission gar nicht 
getrennt genannt wäre, sondern nur die Expertengruppe. Dann müsste man 
sie m.E. als geistigen Schöpfer behandeln.

Die neuen Fassungen der Erläuterungen zu RDA 19.2.1.1.1 und RDA 19.3 
werden übrigens doch noch nicht im August im Toolkit erscheinen, sondern 
erst im Oktober-Update. Wir wollen in der Themengruppe die Texte 
nochmals genau prüfen und ggf. verbessern, und das hätten wir bis zur 
Deadline für das August-Release nicht mehr geschafft. Die 
Schulungsunterlage wird natürlich früher zur Verfügung stehen.

Viele Grüße
Heidrun Wiesenmüller




Am 02.07.2015 um 19:19 schrieb rda-info-liste at lists.dnb.de:
> Liebe Frau Wiesenmüller,
>
> vielen Dank für Ihre ausführliche Beschreibung der Diskussion auf der
> amerikanischen Liste. Man muss sonst immer nachlesen, was auf der einen
> und was auf der anderen Liste als Argument gebracht wurde.
>
> Die neue D-A-CH-Lösung (geistiger Schöpfer bei unter- und übergeordneter
> Körperschaft) versuche ich gerade auf ein Beispiel anzuwenden, dessen
> Entstehung ich gut kenne.
> Auf dem Titelblatt: "Kommission des Deutschen Bibliotheksinstituts für
> Erschließung und Katalogmanagement" neue Zeile: "Expertengruppe
> Online-Kataloge"
> der Titel: "RAK für Online-Kataloge : Vorschläge für eine Reform".
>
> Die Vorschläge für die vorliegende Broschüre wurden von der Expertengruppe
> beschlossen, der Text wurde von 4 Mitgliedern der Gruppe erstellt. Die
> Mitglieder und der Herausgeber stehen auf der Rückseite des Titelblattes.
> Der Arbeitsauftrag kam von der Kommission.
> Die Hierarchie in der Körperschaft ist eindeutig: DBI - Kommission -
> Expertengruppe.
> Es handelt sich nicht um ein Werk administrativer Natur. Es handelt sich
> bei dem Werk um kollektives Gedankengut der Gruppe (m.E. gemäß RDA
> 19.2.1.1.1 d). Man kann davon ausgehen, dass es  sich um kollektives
> Gedankengut der Kommission handelt, sicher nicht um das kollektive
> Gedankengut des DBI.
> Nach der neuen Regelung müsste die Kommission als direkte übergeordnete
> Körperschaft, da sie die Bedingungen erfüllt, die Eintragung als geistiger
> Schöpfer bekommen. Also: Eintragung unter "Deutsches Bibliotheksinstitut.
> Kommission für Erschließung und Katalogmanagement". Dazu muss man aber
> entweder die Entstehung kennen oder das Vorwort lesen. Nach RAK erhält die
> Expertengruppe eine Nebeneintragung und man liegt inhaltlich richtig.
>
> Schöne Grüße
> Margarete Payer
>
>
>
>

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Prof. Heidrun Wiesenmüller M.A.
Hochschule der Medien
Fakultät Information und Kommunikation
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