AW: Antw: Re: [rak-list] Splits und Altlasten

Ulrich Hippe hippe at bsb-muenchen.de
Thu Feb 16 12:51:53 CET 2006


Liebe Frau Hengel,

zu Punkt 1): Einen Überblick über evtl. ausstehende Konversionsprojekte im ganzen RAK-WB-Gebiet besitze ich natürlich nicht. Ich kann nur für den Bibliotheksverbund Bayern sprechen. Hier sind die großen Retrokonversionsaktionen im wesentlichen abgeschlossen bzw. befinden sich in der Endphase. Daher vermute ich, daß das in anderen Verbünden ähnlich sein wird. 
Zu Punkt 2) - 5): Aber wie auch immer, rückwärtige Korrekturen in Normdateien wären nur dann sinnvoll, wenn sie in den Katalogen sämtlicher deutschen und österreichischen Bibliotheken nachvollzogen würden, von den Staats-/Nationalbibliotheken bis hinunter zur kleinsten Instituts- und Behördenbibliothek, die Öffentlichen Bibliotheken nicht zu vergessen. Sonst passen Urheber und Titel nicht mehr zusammen. Die Unmöglichkeit, ein derartiges Korrekturvorhaben konsequent durchzuführen, egal, ob mit größerer oder geringerer EDV-Unterstützung, liegt auf der Hand. Wir werden also nicht umhinkommen, differenzierte und undifferenzierte Ansetzungen nebeneinander stehen zu lassen. Faktisch bedeutet das einen partiellen Katalogabbruch, wenngleich innerhalb desselben Alphabets. Bei allen betroffenen Körperschaften werden somit die Veröffentlichungen ein und desselben Urhebers vor und nach dem Zeitpunkt x unter verschiedenen Ansetzungen zu finden sein. (Ein Sonderproblem stellen fortlaufende Veröffentlichungen solcher Körperschaften dar. Alle nicht abgeschlossenen wird man so oder so anfassen müssen. Entweder macht man ab dem Zeitpunkt x eine Titeländerung, oder man arbeitet die Titelaufnahme rückwirkend um.) Mit voranschreitender Zeit wird sich das Problem zwar relativieren, weil das Interesse an älterer Literatur abnimmt. Aber besonders für historische Fragestellungen gilt das selbstverständlich nicht. Wir müssen einen Weg finden, den Benutzern zu signalisieren, daß sie beim Sucheinstieg über Körperschaftsnamen u. U. mehrere verschiedene Suchvorgänge vornehmen müssen, um sämtliche Veröffentlichungen zu finden.      
Mit all dem will ich nicht gegen veränderte Ansetzungsregeln argumentieren. Wahrscheinlich werden wir keine andere Wahl haben, als sie zu übernehmen. Wir sollten uns nur beizeiten darüber klarwerden, was wir mit einem partiellen Katalogabbruch in Kauf nehmen, und was wir auch unseren Benutzern in alle Zukunft hinein damit zumuten. Komfortabler wird es nur für den werden, der ausschließlich aktuelle Literatur sucht. Wer seine Suche in die Vergangenheit ausdehnen will, wird es umständlicher haben als heute. Der intendierte Vorteil der Neuerung schlägt für ihn gerade in einen Nachteil um. 

Beste Grüße

Ulrich Hippe


>>> hengel at dbf.ddb.de 16.02.06 10:47 >>>
Lieber Herr Hippe,
da sich in dem Problem unterschiedliche Stränge verbergen, werde ich versuchen, sie auseinanderzudröseln:
1) Zur Aussage, die historischen Titel sind doch bereits alle (nicht differenziert) erfasst: wenn dies flächendeckend stimmt, ist dies in diesem Fall ein starkes Argument, nicht nachträglich zu differenzieren. Ich bin allerdings kein Altbestands-Spezialist und weiß aus dem Stand heraus nicht, wie bei der Retro-Katalogisierung von Alten Drucken vorgegangen wird/wurde. Der Fall "Bayern zu unterschiedlichen Zeiten" ist aber nur ein Einzelfall. Wir werden auch auf andere potentielle Split-Situationen stoßen, z.B. bei Exekutivorganen, in denen mit erheblichem zukünftigem Titelaufkommen zu rechnen ist.
2) Zu den Möglichkeiten zur retrospektiven Korrektur bei historischen Splits: eine intellektuelle händische Korrektur wäre zu aufwändig (es sei denn, es geht nur um eine Handvoll Titel, und dann wäre ein Split unsinnig). Maschinell ließe sich aber m.E. mit einem guten Match-and-Merge-Programm über Verfasserangaben, Titelfassungen, Erscheinungsjahre etc. schon einiges machen. Problem dabei: dies sind, zumindest bei Monografien, keine zentralen Korrekturen, sondern müssten im jeweiligen Titelkatalog durchgeführt werden. Hier könnten allerdings zumindest die Verfahren weitergegeben werden. 
3) Zur Situation ohne zusätzliche Splits: Würde beim Aufeinandertreffen von "Bayern differenziert" und "Bayern nicht differenziert" bei uns kein Split gemacht, so würden mehrere Körperschaftssätze auf der NACO-Seite zusammengenommen dem einen Körperschaftssatz in der GKD entsprechen, und wir müssten von unserer Seite für den Austausch einen Crosswalk zu diesem Datensatzbündel organisieren. Eine Recherche von unserer Seite würde alle K.Sätze in diesem Bündel einbeziehen, und auf die aggregierte Titelmenge treffen, die auf NACO-Seite zu den differenzierten K-Sätzen gehören; auf der GKD-Seite würde sie auf die undifferenziert dem einen GKD-Satz zugeordnete Titelmenge treffen. Nur auf dieser Aggregationsebene ist über den Normdaten-Sucheinstieg ein gegenseitiger Austausch und Recherche aus dem jeweiligen System heraus möglich.
4) Zur Situation bei Splits ohne rückwärtige Korrekturen: Würde in der GKD ein Split gemacht und vom Zeitpunkt x die Titel differenzierter zugeordnet, würde sich für den Austausch von Titeldaten vor dem Zeitpunkt x nichts verbessern, aber auch nichts verschlechtern. (Voraussetzung ist allerdings eine klare Kennzeichnung, und es sollte auch möglich sein, nach dem Zeitpunkt x für die differenzierten Sätze eine aggregierte Recherche durchzuführen.) 
5) Zu Aufwands- und Nutzenkriterien: Das Aufwandskriterium, das gegen zusätzliche Splits spricht, liegt damit weniger im Altbestand - den können wir entweder maschinell bereinigen oder wir bleiben für ihn auf dem alten Stand - sondern in der Durchführbarkeit in der laufenden Erschließung. Hier gibt es klare sachliche Grenzen - wenn z.B. eine Differenzierung so unscharf ist, dass sie nicht durchgehalten werden kann, oder wenn sie für die Recherche keinen Sinn macht - aber auch schlicht Ressourcengrenzen.  
Das Nutzenkriterium, das für zusätzliche Splits spricht, ist da stark, wo eine Differenzierung die Präzision des Zugriffs entscheidend unterstützt oder die Schnelligkeit der Recherche und Selektion (bei großen Treffermengen) entscheidend verbessert. Das Nutzenkriterium ist am Gewinn des Endnutzers festgemacht und bekommt eine neue Qualität, wenn wir die Sichtweise des Einzelkatalogs (auch des einzelnen Verbundkataloges) verlassen und die weltweit vorhandenen, für den deutschen Benutzer wissenschaftlich relevanten Kataloge/Datenbanken als Vergleichsdatenbestand betrachten. 

Beste Grüße
Christel Hengel 





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