[rak-list] Re: Aus der 10. Sitzung des STA (Teil 1)

Heidrun Wiesenmueller wiesenmueller at WLB-STUTTGART.DE
Wed Jun 1 12:31:38 CEST 2005


Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

liest man Frau Oehlschlaegers Bericht, so fuehlt man sich ein wenig ins 
AACR-Wonderland versetzt und moechte mit Alice ausrufen: "Curiouser and 
curiouser!" Muss man wirklich nur die Ziffer 2 gegen eine 3 austauschen, um 
einen Ausweg aus der verfahrenen Situation zu finden?

Blicken wir kurz zurueck: Im Mai 2004 sah der Standardisierungsausschuss 
"keine Moeglichkeit, einen Umstieg [auf AACR2] generell durchzusetzen" und 
sprach sich stattdessen "fuer eine schrittweise Internationalisierung des 
deutschen Regelwerks" aus. Damit war freilich - wie die letzten Monate 
gezeigt haben - keine Weiterentwicklung der RAK mit massvollen 
Angleichungen an die AACR gemeint, sondern vielmehr ein AACR2-Umstieg 'auf 
Raten'. Nun hat der Standardisierungsausschuss erneut seine Strategie 
geaendert und stellt uns ein gaenzlich neues deutsches Regelwerk auf der 
Basis der AACR3 in Aussicht, das nach deren Vorliegen "als Ganzes 
veroeffentlicht und in Kraft gesetzt werden soll".

Da die AACR3 noch nicht existieren, sind Details naturgemaess noch nicht 
bekannt. Womoeglich wird sich dies aber auch in naechster Zeit nicht 
aendern, denn die Entwuerfe werden ausschliesslich den Mitgliedern des 
Standardisierungsausschusses und der Expertengruppen zur Verfuegung 
gestellt, welche sich zu absoluter Geheimhaltung verpflichten muessen (bei 
Zuwiderhandlung droht der Ausschluss). Wenn ich diese Regelung richtig 
verstehe, dann duerfen die Mitglieder der Expertengruppen sich in 
AACR3-Fragen nicht einmal mit Katalogisierern in ihrer Region austauschen! 
Wird die Regelwerksentwicklung kuenftig also 'top secret' sein und in einer 
Art Konklave erfolgen? Dies waere m.E. ein hoher Preis, den das deutsche 
und oesterreichische Bibliothekswesen fuer die "aktive Teilnahme am 
Geneseprozess der AACR3" bezahlen muesste.

Schwer vorstellbar ist auch, wie sich die Arbeit in den Expertengruppen bis 
zum Vorliegen der AACR3 gestalten wird. Kann man (von einigen wenigen 
Teilbereichen abgesehen) wirklich "wichtige Vorarbeiten" fuer die 
Uebertragung eines Regelwerks leisten, solange dessen Text nicht endgueltig 
feststeht? M.E. waere dabei die Gefahr hoch, dass sich die Gremien mit 
Fragen beschaeftigen, die kurze Zeit spaeter schon wieder obsolet sind. 
Denn es erscheint keineswegs ausgemacht, dass das Joint Steering Committee 
(JSC) seine Vorstellungen zur AACR-Neuausgabe 1:1 wird umsetzen koennen. 
Gerade erst wurde von einer Kurskorrektur ("change of direction") 
berichtet, die sich aufgrund erster Rueckmeldungen ergeben hat. Sicher wird 
es auch im weiteren Verlauf des Prozesses noch Aenderungen geben: Da die 
Regelwerksentwicklung in der AACR-Welt tendenziell konservativer verlaeuft 
als bei uns, muss man etwa mit Bedenken gegen manche Modernisierung rechnen 
- vielleicht gerade gegen solche Neuregelungen, die ein modernes Regelwerk 
am dringendsten braeuchte. Und dass es da ohne Zugestaendnisse abgeht, kann 
ich mir kaum vorstellen.

Die erwaehnte Neuausrichtung hat uebrigens auch zu einer Aenderung des 
Zeitplans gefuehrt: Als Erscheinungstermin wird jetzt nicht mehr 2007, 
sondern 2008 genannt. Wenn ich mich nicht sehr taeusche, war vor einiger 
Zeit noch 2006 angepeilt worden - man darf gespannt sein, wann das Werk 
tatsaechlich erscheinen wird. Und wie lange wird es danach noch dauern, bis 
die deutschen AACR3 vorliegen? Der Nikolausbeschluss liegt nun schon 
dreieinhalb Jahre zurueck - koennen wir uns weitere Verzoegerungen leisten?

(Einige weitere Hinweise folgen in einer zweiten Mail.)

Mit freundlichen Gruessen
Heidrun Wiesenmueller
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Heidrun Wiesenmueller M.A.
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