[rak-list] Re: Bericht ueber die 7. Sitzung des Standardisierungsausschusses

Heidrun Wiesenmueller wiesenmueller at WLB-STUTTGART.DE
Wed Jan 7 11:15:48 CET 2004


Liebe Kolleginnen und Kollegen,

mit urlaubsbedingter Verspaetung moechte ich auf Frau Henzes Kurzbericht 
ueber die letzte Sitzung des Standardisierungsausschusses (Mail vom 17. 
Dezember) eingehen, in dem sie auch ueber die an Kienbaum vergebene 
Wirtschaftlichkeitsuntersuchung berichtet:

----------- Zitat ------------------

Vertreter der Firma Kienbaum haben in der Sitzung des 
Standardisierungsausschusses das Rechenmodell fuer die 
Wirtschaftlichkeitsbetrachtung im Rahmen des Projektes Umstieg vorgestellt, 
die Bestandteil des Antrages an die DFG war. Unter Einbeziehung der 
Ergebnisse eines Workshops zum Thema Prozesse mit Vertretern der Sektionen 
des DBV, der Verbuende und der nicht im DBV organisierten 
Spezialbibliotheken, von Interviews mit 15 repraesentativen Vertretern der 
einzelnen Bibliothekstypen und der Verbuende sowie umfangreichem 
statistischem Material (DBS, Jahresberichte der Verbuende etc.) hat 
Kienbaum die Kosten fuer die verschiedenen Migrationsmodelle errechnet. In 
einem zweiten Workshop mit demselben Teilnehmerkreis wurde der qualitative 
Nutzen eines Umstiegs ermittelt. In der Gesamtsicht ist festzustellen, dass 
die Kosten der Beibehaltung des Status quo ueber den angenommenen Zeitraum 
eines Umstiegs innerhalb von 15 Jahren unwesentlich niedriger sind als die 
fuer einen Umstieg auf AACR2 und MARC21. Dabei sind die Kosten fuer eine 
bei einem Nichtumstieg dringend notwendige Ueberarbeitung der RAK 
unberuecksichtigt geblieben.

--------- Zitat Ende -----------------

Einerseits erstaunlich, andererseits vielleicht auch wieder nicht.

In jedem Fall wuesste man gerne etwas mehr darueber, um sich ein eigenes 
Urteil ueber die Validitaet der Kienbaumschen Analysen und Prognosen bilden 
zu koennen. Hier nur einige der Fragen, die sich mir in diesem Zusammenhang 
stellen:

1. Wurden die Kosten-Nutzen-Analysen getrennt fuer die sehr 
unterschiedlichen Arten von Bibliotheken angestellt oder wurde alles in 
einen 'grossen Topf' geworfen und zusammengerechnet? Fuer eine OPL wird 
sich sicher ein ganz anderes Bild ergeben als etwa fuer DDB...!

2. Die Nutzung auslaendischer Fremddaten duerfte entsprechend der 
Ausschreibung 
(<http://www.ddb.de/professionell/pdf/leistungsverzeichnis.pdf>) fuer das 
Gutachten von zentraler Bedeutung sein. Wie gut oder schlecht diese nach 
einem Umstieg funktionieren wuerde, haengt freilich davon ab, ob man die 
AACR eins zu eins (evtl. sogar inkl. englischer Ansetzungsformen) 
einfuehren oder ob man sie - aehnlich wie im Deutschschweizer Verbund - an 
unsere Beduerfnisse anpassen wuerde. Welche Szenarien wurden von Kienbaum 
durchgerechnet und wie unterscheiden sich die Ergebnisse? (Nebenbei sei an 
dieser Stelle auf den lesenswerten Beitrag 'Nutzungsquoten von 
Fremdleistungen im Verbund - die RAK-AACR-Diskussion in 
Nordrhein-Westfalen' von R. Schmidt, I. Siebert und R. Thiele im 
Bibliotheksdienst 11 (2003), S. 1416-1421 hingewiesen, der m.E. recht 
deutlich zeigt, dass die Bedeutung einer Fremddatenuebernahme aus 
AACR/MARC-Datenbestaenden teils stark ueberschaetzt wird).

3. Mit der ZDB als nationaler Datenbank besitzen wir ein sehr rationelles 
und qualitativ hochwertiges Nachweisinstrument fuer dieses schwierige 
Material. Die Arbeitsgruppe der ZDB hat festgestellt, dass keines der drei 
in der Ausschreibung vorgegebenen Migrationsszenarien zu akzeptablen 
Ergebnissen fuehren wuerde 
(<http://www.zdb.spk-berlin.de/downloads/pdf/ap3.pdf>). Wie stellen sich 
die Kienbaum-Gutachter die
Zukunft der ZDB vor?

4. Welche Szenarien wurden unter der Ueberschrift 'Nicht-Umstieg' genau 
untersucht? Gemaess der Ausschreibung waeren nur die "momentanen einmaligen 
Aufwendungen und laufenden Kosten" - also der Status quo - zu betrachten 
gewesen. Wichtig waere es m.E. jedoch, sinnvolle Alternativen mit zu 
untersuchen. Ich denke hier insbesondere an eine verbesserte Kooperation 
der Verbuende, wodurch man gleichzeitig den Anteil sacherschlossener Titel 
in den Katalogen deutlich erhoehen koennte. Eine weitere ueberdenkenswerte 
Variante des 'Nicht-Umstiegs' waere es, die Konsistenz der bisherigen 
Kataloge zu erhalten und dennoch gleichzeitig die Kompatibilitaet zu den 
AACR deutlich zu erhoehen (vgl. die einschlaegigen Arbeiten von Frau Muennich).

5. Wurde neben den Szenarien zu 'Umstieg' und 'Nicht-Umstieg' auch die u.a. 
von Frau Niggemann vorgeschlagene dritte Option, die "Mitentwicklung eines 
neuen, modernen, internationalen Wegs" (vgl. meinen Kommentar 
<http://www.ub.uni-dortmund.de/listen/inetbib/msg21999.html>; der Text 
selbst ist leider immer noch nicht online auf der Homepage des Projekts zu 
finden), in die Betrachtung mit einbezogen? Angesichts der juengsten 
internationalen Entwicklungen (vgl. die heute von Frau Oelsschlaeger 
versendete Mitteilung ueber das neue 'Statement of International 
Cataloguing Principles') scheint mir diese Moeglichkeit umso wichtiger und 
erfolgversprechender zu sein.

6. Die Kosten eines Umstiegs werden ueber einen Zeitraum von 15 Jahren 
betrachtet, wobei der Loewenanteil vermutlich auf die ersten Jahre 
entfallen duerfte. In diesem Zeitraum wuerde m.E. der Aufwand fuer die 
Migration viele Bibliotheken so sehr in Anspruch nehmen, dass vieles andere 
liegenbleiben wuerde. Wichtige Aufgaben wie die Anreicherung der 
Online-Kataloge mit zusaetzlichen Informationen oder die 
Langzeitarchivierung elektronischer Publikationen koennten allenfalls 'auf 
Sparflamme' betrieben werden. Wurde auch der Schaden, der sich durch einen 
solchen (womoeglich mehrjaehrigen) Innovationsstillstand ergeben wuerde, in 
die Kalkulation mit eingerechnet?

Ueber diese und andere Fragen laesst sich vorerst nur spekulieren. Deshalb 
meine herzliche Bitte an die Arbeitsstelle fuer Standardisierung, die 
Projektbearbeiterin und den Projektbeirat: Bitte stellen Sie moeglichst 
bald das Kienbaum-Gutachten im Volltext auf der Projekthomepage zur Verfuegung!

Mit freundlichen Gruessen
Heidrun Wiesenmueller
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Heidrun Wiesenmueller M.A.
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