[Dini-ag-kim-bestandsdaten] Bericht aus New Orleans, ALA / MARC 21

Heuvelmann, Reinhold R.Heuvelmann at dnb.de
Di Jun 26 23:23:46 CEST 2018


Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

[vorab bitte ich Mehrfachempfang zu entschuldigen – freue mich aber, wenn Sie weiterleiten. Danke]

hier mein Bericht von der Annual Conference der American Library Association (ALA), die dieses Mal in New Orleans stattgefunden hat. Schwerpunkt meines Berichts sind die Sitzungen des MARC Advisory Committee (MAC), des für MARC 21 zuständigen Gremiums, und weitere Entwicklungen in MARC 21.

Allgemeiner Höhepunkt war die Eröffnungsveranstaltung, in deren Rahmen Michelle Obama, Anwältin, Buchautorin und Ehefrau des 44. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, mit Carla Hayden ins Gespräch kam, die seit 2016 Leiterin der Library of Congress ist.


MARC Advisory Committee
http://www.loc.gov/marc/mac/an2018_age.html 

Auf der Tagesordnung des MARC Advisory Committee standen dieses Mal neun Papiere, davon fünf Diskussionspapiere und vier Anträge:

Schriftcodes nach ISO 15924
http://www.loc.gov/marc/mac/2018/2018-05.html 

Bei der mehrschriftlichen Katalogisierung (Originalschrift und transliterierte Form in lateinischer Schrift) wird in Bibliotheken der deutschsprachigen Länder weitgehend pro Feld gekennzeichnet, welche Schrift vorliegt, und zwar anhand einer Codierung aus ISO 15924, die im engen Zusammenhang mit Unicode steht. In MARC 21 haben wir dafür im Unterfeld $6 diese Codes verwendet, obwohl streng genommen bisher nur eine kurze Liste von Schriftcodierungen erlaubt war, die noch auf dem 8-Bit-Zeichensatz MARC-8 basiert. Hier ist es ab jetzt möglich, unsere Praxis auch offiziell anzuwenden, was die Handhabung u.a. im WorldCat wesentlich erleichtern wird. In das Thema der originalschriftlichen Katalogisierung scheint allgemein Bewegung zu kommen, die Library of Congress plant, die Anwendung auszuweiten und zunehmend der Originalschrift den Vorzug vor der transliterierten Form zu geben, und Kombinationen aus beiden in geeigneter Form den Endnutzerinnen und Endnutzern zur Verfügung zu stellen.

Kennzeichnung von Versionen
http://www.loc.gov/marc/mac/2018/2018-04.html 

Die verschiedenen Versionen eines Artikels (z.B. Preprint, Postprint, Verlagsversion) sollen, so war die Anforderung, eindeutig voneinander unterschieden werden können. Hier ist es mit dem neuen Feld 251 „Version Information“ ab jetzt möglich, diese Angaben zu transportieren, teils unter Verwendung von existierenden Vokabularien, wie den „Journal Article Versions“ (JAV) der NISO, oder den Guidelines der „Digital Repository Infrastructure Vision for European Research“ (DRIVER), teils in freierer Form. Es kann dabei eine textliche Angabe (Unterfeld $a) verwendet werden, oder ein URI (Unterfelder $0/$1), oder eine Kombination aus beiden.

Open Access und Lizenzen
http://www.loc.gov/marc/mac/2018/2018-dp11.html 
http://www.loc.gov/marc/mac/2018/2018-dp10.html 

Von deutschsprachiger Seite war mit wesentlicher Unterstützung durch die Themengruppe Lizenzangaben ein Diskussionspapier zu Kennzeichnungen von Open Access, Embargos, Creative Commons und Rights Statements eingebracht worden, das auf den gründlichen Analysen der Anforderungen im Abgleich mit existierenden Formatelementen in MARC resultierte. Parallel hatte OCLC ein Papier entwickelt, das konzentriert die Open-Access-Kennzeichnung eines URLs im Feld 856 zum Ziel hatte. Beide Papiere sind grundsätzlich begrüßt worden. Diskussionen ergaben sich daraus, dass der Begriff „Lizenz“ auch kostenpflichtige Regelungen zwischen einem Provider und einem Kunden in Bezug auf eine Publikation umfasst, die aber in den vorliegenden Papieren ausdrücklich nicht eingeschlossen waren. Einzelne Details müssen noch weiterentwickelt und diskutiert werden, wie die Kennzeichnung von hybridem Open Access (eine Zeitschrift, die nur zum Teil aus Artikeln unter Open Access besteht). An die deutschsprachige Community und OCLC ist der Auftrag ergangen, zur nächsten Sitzung ein dann gemeinsames Antragspapier zu erarbeiten und vorzulegen.

Informationen zu Barrierefreiheit
http://www.loc.gov/marc/mac/2018/2018-02.html 
http://www.loc.gov/marc/mac/2018/2018-03.html 

Von kanadischer Seite waren zwei Papiere auf der Tagesordnung, die sich Aspekten der Barrierefreiheit befassen. Die Anträge wurden angenommen.

Kennzeichnung von Ansetzungsformen 
http://www.loc.gov/marc/mac/2018/2018-dp07.html 

Eingebracht von der Task Group on URIs in MARC des Program for Cooperative Cataloging (PCC) ist ein Diskussionspapier verhandelt worden, das in Ansetzungsfeldern die Kennzeichnung ermöglichen soll, aus welcher Normdatei die Namensform stammt und in welche Normdatei ggf. der Link führt. Dazu dient das Unterfeld $2. Das Echo war positiv; hier soll zur nächsten Sitzung ein Antrag vorgelegt werden.

URIs im Normdatenformat
http://www.loc.gov/marc/mac/2018/2018-dp08.html 

Vor einem Jahr ist in MARC von der PCC Task Group on URIs in MARC die Unterscheidung eingebracht worden zwischen einem URI, der ein Real World Object identifiziert, und einem URI, der eine Beschreibung desselben identifiziert. Auf Feldebene werden dafür die Unterfelder $1 bzw. $0 verwendet. Im Normdatensatz kann im Feld 024 jede Art Identifier, inkl. einem URI, angegeben werden. Hier musste die Unterscheidung jetzt konsequenter Weise nachgeführt werden. Vier unterschiedliche Modellierungen wurden als Optionen vorgestellt, von denen allgemein die Option 2 bevorzugt wurde, die die Unterfelder $0 und $1 einfügt, das Feld sonst aber unverändert lässt. Auch hier soll zur nächsten Sitzung ein entsprechender Antrag vorgelegt werden.

Feld 245 mit mehr Granularität
http://www.loc.gov/marc/mac/2018/2018-dp09.html 

Lebhaft diskutiert wurde das von OCLC EMEA, Leiden (Niederlande) und OCLC, Dublin, Ohio (USA) eingebrachte Papier, das die bekannten Probleme im Feld 245 analysiert und Vorschläge für eine Strukturierung mit einem höheren Grad an Granularität macht. Die Reaktionen waren sehr unterschiedlich: Der Ansatz ist zwar verständlich, mehr Struktur wäre sicherlich sinnvoll, wäre auch beim Umstieg von MAB2 auf MARC 21 sehr hilfreich gewesen. Andererseits gab es skeptische Stimmen, die betonten, dass das sehr prominente Feld 245 nur unter hohem Aufwand wirklich gründlich unterstrukturiert werden kann (wozu das Papier teilweise nur vereinfachte Lösungen anbietet). Die Handhabung der bisherigen Daten würde besondere Herausforderungen darstellen. Ein möglicher Gegenentwurf wäre es, alle maßgeblichen Informationen von den Titelseiten in einem einzigen langen Element unterzubringen, ohne Unterstruktur. Hier gab es keine klare Richtung, wie weiter verfahren werden soll; OCLC wurde empfohlen, das Thema anhand der Diskussionsergebnisse erneut zu prüfen.

Neues Vorhaben: Links in Feld 653, oder neues Feld „652“
http://www.loc.gov/marc/bibliographic/bd653.html 

Im kleinen Kreis habe ich eine neue Anforderung vorgestellt: In MARC scheint es bisher keine Möglichkeit zu geben, Links hin zu einem Thesaurus zu verwenden, der nicht nach den MARC-Entitätentypen und deren Feldschlüsselungen unterscheidet (X00 für eine Person, X10 für eine Körperschaft, X50 für einen Sachbegriff, etc.). Es existiert zwar das Feld 653 „Index Term - Uncontrolled“, dem aber die Unterfelder $0/$1 und $2 fehlen. Konkreter Anwendungsfall ist die Kennzeichnung von Begriffen aus der Bibliographischen Datenbank „Gnomon“ als Thema einer Publikation durch den Bibliotheksverbund Bayern. Hier gab es grünes Licht für ein Diskussionspapier zur nächsten Sitzung des MARC Advisory Committee.

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IFLA LRM, RDA, Projekt 3R und MARC 21
https://listserv.loc.gov/cgi-bin/wa?A2=ind1805&L=MARC&P=1662 

Eine Veranstaltung hat sich mit den möglichen Auswirkungen des Projekts „RDA Toolkit Restructure and Redesign“ (3R) auf MARC 21 befasst: Gordon Dunsire, Chair des RSC, James Hennelly, verantwortlich für das RDA-Toolkit, dessen neue Beta-Version am 13. Juni 2018 online gegangen ist, und Thurstan Young von der British Library haben den Ansatz des IFLA Library Reference Model (IFLA LRM) und den aktuellen Stand von 3R beschrieben. Ziel war es, die bisher hauptsächlich von der British Library durchgeführten vorläufigen Analysen vorzustellen und einen Dialog auf breiterer Basis anzustoßen. An Themenbereichen wurden vorgestellt die neuen Entitätentypen, die vier Arten der Beschreibung (unstrukturiert, strukturiert, Identifier, URI/IRI), die repräsentativen Elemente einer Expression, die „Manifestation Statements“ (textliche Angaben unter Verzicht auf Strukturierung, nicht ganz unähnlich dem oben zu Feld 245 genannten Ansatz), diachronische Werke, und Provenance-Informationen (breit gefächerte Angaben zu einzelnen Metadatenelementen).

Es ergibt sich damit die Frage, wie diese Elemente in MARC abgebildet werden können. In der Diskussion wurden unterschiedliche Einschätzungen geäußert: Teilweise wurde angezweifelt, ob es noch sinnvoll ist, MARC als Standard weiterzuentwickeln, oder ob der zu erwartende Aufwand nicht besser in zukunftsträchtige Lösungen mit Linked-Data-Technologien investiert werden sollte. MARC so bald wie möglich einzufrieren würde auch ein starkes Signal an die Hersteller von Bibliotheksverwaltungssystemen senden, die im angloamerikanischen Bereich (und darüber hinaus) ja ganz überwiegend MARC als Katalogisierungs- und Internformat verwenden.

Falls es doch eine Initiative geben sollte, MARC an die neuen RDA-Elemente anzupassen, würde sich eine Reaktivierung der RDA/MARC Working Group anbieten, die 2008 bis 2011 tätig war und deren Ergebnisse unter http://www.loc.gov/marc/RDAinMARC.html zusammengefasst sind. Alternativ ist eine Arbeitsgruppe unter dem Dach des PCC denkbar. Der Zeitrahmen ist eng: Es gilt die Ergänzungen in MARC zur Verfügung zu haben, wenn das Projekt 3R abgeschlossen ist, was angesichts der aktuellen Zyklen im MARC Advisory Committee (zwei Sitzungen im Jahr, pro Vorhaben erst ein Diskussionspapier, dann ein Antrag) nicht einfach zu realisieren sein wird. Nach oder neben der Einbringung in das MARC-Format gilt es zudem, die Implementierung in den einzelnen Institutionen zu leisten. Hier sind wir nicht nur gespannt auf die weitere Entwicklung, wir sollten uns mit unserer Expertise in Regelwerk und Datenformat auch aktiv einbringen, um darauf dann im deutschsprachigen Bereich aufzubauen.

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Herr Adrian Nolte von der Stadtbibliothek Essen hat mich erneut begleitet und tatkräftig unterstützt, wofür ich mich hier noch mal ebenso ausdrücklich wie herzlich bedanken möchte.

Die nächste Konferenz der American Library Association findet Ende Januar 2019 in Seattle statt.

Gerne bin ich bereit, in nächster Zeit die hier teilweise nur angerissenen Themen zu vertiefen. Sprechen Sie mich gerne an!

Viele Grüße

Reinhold Heuvelmann

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Reinhold Heuvelmann
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