[rak-list] Zum Aschermittwoch: Was wird aus MARC?

Lothar Kalok Lothar.Kalok at bibsys.uni-giessen.de
Mit Mar 23 16:02:18 CET 2011


Lieber Herr Eversberg,
mit etwas Verspätung hier eine Antwort:

Zwei Beispiele fallen mir zu Ihrer Frage ein, warum
es keine einfacheren Datenstrukturen gibt bzw. warum
Versuche hierzu gescheitert seien.

a) UB Bochum in der Frühzeit des DV-Einsatzes in Bibliotheken:
Die UB Bochum, die von Beginn an (1962) mit EDV katalogisiert
hat, hatte bis Mitte der 70er Jahre ein Kategorienschema aus
zunächst 15 Kategorien. Außerdem wurde alles in Großbuchstaben
geschrieben. Da man Daten der Library of Congress übernommen
hat wurden der Einfachheit halber auch die russischen Personen-
Namen in der US-Schreibweise angesetzt.

Die Datenübernahme von einem differenzierten Schema (MARC)
in ein vereinfachtes ist möglich, aber es gibt natürlich
keinen Weg in die andere Richtung.

Mitte der 70er Jahre wurde mit der Gründung des HBZ
dieser Sonderweg aufgegeben. 
Ich weiss nicht ob das irgendwo begründet wurde.
Leider fehlt mir die Zeit, danach zu recherchieren.

Ich denke, nachdem sich nach einigen Zwischenstationen
die RAK etabliert hatten, war es klar, dass mit
einem so einfachen Schema nicht RAK-gerecht katalogisiert
werden konnte, auch wenn im Laufe der Zeit noch einige
Kategorien hinzugekommen waren!


Die anderen Neugründungen der 60er Jahre, die ebenfalls von
Beginn an mit EDV katalogisiert haben, hatten meines Wissens
alle ein differnziertes Kategorienschema in der Strukturierungstiefe
von MARC.

b) Unqualified Dublin Core, OAIster und WorldCat:
Die Initiativen zur Schaffung von lokalen Repositiories für
elektronische Dokumente sah vor, dass es Data Provider gibt
(die Repositories), deren Daten durch Data Harverster
gesammelt und gemeinsam präsentiert werden.
Dazu war einerseits ein Datenübertragungsprotokoll notwendig
OAI, andererseits ein Schema für die Daten. Hier hat sich
Dublin Core etabliert, das in der übliche Version
ebenfalls mit ca 15 Kategorien auskommt.

Der etablierte Harvester OAIster wurde von OCLC übernommen,
die Daten sollen in WorldCat integriert werden. Hierbei
gibt es natürlich das Problem, die ca 15 Felder auf
MARC abzubilden. Die Überprüfung der Default-Umsetzung
der Giessener Elektronischen Bibliothek, die von
OCLC eingerichtet wurde, hat gezeigt, dass einige
Felder falsch abgebildet wurden. (Leider konnten wir
die Schnittstelle aus anderen Gründen noch nicht
in Produktion nehmen).

Standard ist Unqualified Dublin Core.
Das heisst, dass die Einträge  ohne Qualifier geliefert
werden: zum Beispiel, dass als Medientyp nur "text"
genommen wird und nicht text.book  oder text.article.

Obwohl das Schema relativ einfach ist werden nach
den Erfahrungen, die z.B. von BASE berichtet werden,
die Daten trotzdem nicht entsprechend den Standards
geliefert.

Ein einfaches Schema bedeutet also keineswegs, dass
die Datenerfassung konstistenter ist. Es kann sogar
das Gegenteil der Fall sein: wenn keine der
"Kategorien" passt und dann eine andere nach
bestem Wissen und Gewissen" ausgewählt werden muss.
Das Ergebnis muss dann durchaus nicht reproduzierbar sein.

Viele Grüße
Lothar Kalok

On Wed, 9 Mar 2011, Bernhard Eversberg wrote:

> Date: Wed, 09 Mar 2011 11:48:10 +0100
> From: Bernhard Eversberg <ev at biblio.tu-bs.de>
> Reply-To: Diskussionsliste zum Regelwerk RAK <rak-list at lists.d-nb.de>
> To: Diskussionsliste zum Regelwerk RAK <rak-list at lists.d-nb.de>
> Subject: Re: [rak-list] Zum Aschermittwoch: Was wird aus MARC?
> 
> Am 09.03.2011 10:04, schrieb Armin Stephan:
>> Ich bin da nicht so optimistisch, dass es viele solch enthusiastischer
>> Versuche gegeben hat. Gerade unter kommerziellen Aspekten ist ja nahezu
>> unmöglich, gegen die Marktstellung der Mega-Systeme anzustinken.
>> 
> Auch wenn es nur wenige gegeben hat, wo sind die Erkenntnisse, wenn es
> denn schon keine Ergebnisse gab? Das ist ein ganz allgemeines Problem:
> über Fehlschläge und fruchtlose Bemühungen wird gerenell nicht
> berichtet, aber gerade daraus wäre viel zu lernen. Im Extremfall wird
> dann derselbe aussichtslose Ansatz mehrfach gemacht.
>> 
>> In letzter Zeit fällt mir auf, dass häufiger unorthodoxe Anläufe zu
>> beobachten sind, "Bibliothekssysteme" zu entwickeln: Koha, MediaMan usw.
>> 
> Haben die ein annähernd so umfängliches Datenschema? Aber vielleicht ist
> MARC sowieso viel zu detailliert? DFG und Wissenschaftsrat sehen das
> womöglich so, aber es sind ja oft die Erfordernisse der Praxis, durch
> welche das Format mehr und mehr erweitert wurde.
>
>
> B.Eversberg
>

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