[rak-list] Ergebnisse der Sitzung des JSC im April
heine at suub.uni-bremen.de
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Mon May 19 11:36:22 CEST 2008
Am 19 May 2008 um 8:52 hat Bernhard Eversberg geschrieben:
> Maximilian Lowisch schrieb:
> > Ein herrlicher Abgesang auf die deutsche Wissenschaftssprache. Wie
> > ein ehemaliger Bundesminister meinte, die deutsche
> > Wissenschaftssprache sei tot, so vernahm ich dies als zu voreilig.
> > Diese Diskussion ist jedoch ein Lehrstück für die Fehleinschätzung
> > meinerseits.
>
> Nun, die "richtigen" Wissenschaften sprechen und schreiben längst
> Englisch - oftmals noch eher schlecht als recht - und finden nichts
> dabei. In der Tat kann man nichts werden mit Deutsch auf
> internationalen Tagungen, in E-Mail-Fachlisten, in den führenden
> Fachzeitschriften und wo auch immer ein mündlicher oder schriftlicher
> Austausch mit Fachkollegen aus nicht deutschsprechenden Ländern
> stattfindet. Entweder kann man sich in holprigem Englisch austauschen
> - oder gar nicht, das ist in aller Regel die banale Wahrheit. Und als
> Tourist geht's einem in den meisten Ländern auch nicht besser. Das
> sind Fakten, gegen die nun mal nichts helfen wird, was man sich an
> Fördermaßnahmen für die deutsche Sprache ausdenken könnte. Die sog.
> R-Reform war in der Hinsicht kontraproduktiv, hat also den Trend weg
> vom Deutschen eher beschleunigt und dem Ansehen der Sprache geschadet.
> Fehlerarmes Deutsch können Sie heute selbst in führenden Zeitungen und
> Zeitschriften lange suchen - aber man kann es ja auch gar nicht mehr
> definieren, was das sein soll! (Sogar in der engl. Wikipedia mokiert
> man sich drüber.) Jedenfalls ist das Bibliothekswesen wohl gerade
> nicht der Ort, um Deutsch als Fachsprache noch eisern hochzuhalten.
> Denn: Um internationale Normen kommt das Bibliothekswesen als
> Infrastruktur- einrichtung für die "richtigen" Wissenschaften nicht
> herum, das wissen wir längst, nicht erst seit dem Nikolausbeschluß.
> Ein Datenformat wie MARC können wir noch übernehmen, ohne daß wir zu
> Englisch als Arbeitssprache der Katalogisierung übergehen müssen. Ein
> Regelwerk aber auf Dauer wohl weniger, das zeichnet sich immer
> deutlicher ab, als man es vorher ahnte. Einführende Texte,
> Ausbildungsmaterial, Beispiele und anderes kann man auf Deutsch
> produzieren, eine deutsche Übersetzung des Regeltextes kann es aber
> wohl nicht adäquat mit der Präzision und sprachlichen Qualität des
> Originals aufnehmen, zumindest weiß ich nicht wie man eine
> hochqualitative Übersetzungsarbeit auf Dauer schaffen will. Aber wir
> brauchen gar nicht mehr das voluminöse Druckwerk eines geschlossenen
> Regeltextes! Ein Online-System mit Qualitäten von Wikipedia wäre ein
> weitaus größeres Desiderat, und das könnte peu à peu entstehen, indem
> zunächst die ganz wichtigen Passagen übersetzt und nach und nach
> verbessert würden. Wenn schon RDA, und der Weg zu einem noch besseren,
> neueren RAK ist ja verschüttet, dann muß man in diese Richtung denken,
> und da fehlen mir noch die strategischen Aussagen der
> Verantwortlichen, wie sie sich das vorstellen. Frau Henze wird es in
> Mannheim enthüllen. Im Abstract steht zwar noch nichts dazu. Aber wer
> hingeht, kann ja fragen. Wenn allerdings ein online-Bezahlprodukt
> herauskommt, kann man RDA auch gleich vergessen! Man begnügt sich
> jetzt schon mit den Verbundregeln und mit den kostenlosen online-RAK,
> das entwickelt sich dann eben recht zwanglos von selber so weiter. Und
> immer öfter, jetzt schon fast immer, kopiert man einen Datensatz, eine
> Ansetzungsform, eine Schlagwortkette ohne sich dabei noch um die
> Regeln zu kümmern - eine total andere Arbeitsweise als noch vor 15
> Jahren. Dieser Paradigmenwechsel muß dann auch in der Regelwerks-
> arbeit und -praxis endlich mal ankommen. Nicht zu reden von den Themen
> um "Kataloganreicherung", die ja von RDA gar nicht berührt werden,
> aber dem Endnutzer womöglich mehr nützen als alle deutschen oder
> englischen Regeln.
>
> MfG B.Eversberg
Sehr geehrter Herr Eversberg,
wie will man denn Ausbildungsmaterial egal ob für FAMIs, Studenten
der bibliothekarischen Studiengänge oder für Projekte anzulernende
Kräfte in deutscher Sprache produzieren, wenn das zugrunde
liegende Regelwerk NUR in englischer Sprache vorliegt?
Oder sollen künftig Lehrbücher wie eine RDA-bezogene Neufassung
des Katalogisierungslehrbuchs (derzeit "Haller-Popst") in englisch
geschrieben werden?
Dass auf internationalen Konferenzen überwiegend englisch
gesprochen wird - zumindest wenn keine Simultanübersetzung
geboten werden kann - ist akzeptiert.
Aber sollen deshalb auch alle NATIONALEN Konferenzen auf
Englisch gehalten werden?
Sollen, nur weil man vielleicht 10-20 Gäste aus dem englischen
Sprachraum begrüssen kann, ALLE Vorträge auf dem Deutschen
Bibliothekartag in Englisch gehalten werden?
Können Sie sich vorstellen, dass so etwas in Frankreich, Spanien
oder Italien gemacht würde?
Und was sind denn Ihrer Meinung nach überhaupt die "richtigen"
Wissenschaften?
Wenn Sie nur die Natur- und Ingenieurwissenschaften dazu zählen,
mag Ihre Einschätzung stimmen, rechnen Sie jedoch die
Geisteswissenschaften auch dazu, so sieht es doch ganz anders
aus. Da sprechen mit Sicherheit noch nicht alle Wissenschaftler nur
noch englisch miteinander.
Glauben Sie, die Umstellung von BuB, Bibliotheksdienst und ZfBB
auf englisch würde die Leserschaft vergrössern? Oder gar die Zahl
der Abonnenten?
Meinen Sie, die ohnehin schon auf relativ wenige Personen
beschränkte Beteiligung an den bibliothekarischen Mailinglisten
würde sich durch eine Umstellung auf "Beiträge nur in englischer
Sprache" erhöhen?
Meiner Einschätzung nach, würde die Zahl der Listenabonnenten
stark zurückgehen.
Warum sollen sich deutsche Bibliothekare untereinander in sehr
schlechtem Englisch austauschen, statt in vielleicht nicht 100%
fehlerfreiem, aber verständlichem Deutsch?
P.S.: Ihr Vergleich mit den Touristen hinkt massiv. Wenn ich in
Frankreich Urlaub machen wollte, würde mir englisch überhaupt
nichs nützen.
Und rund ums Mittelmeer und in anderen Hochburgen deutscher
Touristen muss man auch nicht unbedingt englisch sprechen. Dort
lernen die Einheimischen, weil sie durch die deutschen Touristen
Geld verdienen wollen, schon aus eigenem Interesse deutsch.
Nur wenn ich in entlegeneren Gebieten abseits der
Touristenhochburgen Urlaub machen möchte, dann könnte mir
englisch nützlicher sein als deutsch - aber das ist auch nicht sicher.
Mit freundlichen Grüßen
Markus Heine
--
e-Mail: heine at suub.uni-bremen.de
Tel.: ++49 (0) 421 / 218-2635
Postanschrift:
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