Re: [rak-list] Übersetzung des FRBR-Terminus "expression"
HPopst at aol.com
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Wed Jul 26 14:46:45 CEST 2006
Liebe Kolleginnen und Kollegen
In einer eMail vom 26.07.2006 11:38:30 Westeuropäische Normalzeit schreibt
ev at biblio.tu-bs.de:
"Ausgabe", um es trotz alledem nochmals zu sagen, ist der bewährte
Begriff - zu dem es in AACR keine Entsprechung gibt! - den man
ohne Not nicht aufgeben sollte. "Expression" ist weitestgehend
nichts anderes als das, was wir vorher schon lange unter "Ausgabe"
verstanden hatten. Unser Term "Ausgabe" war lange schon mehr als
das, was ein Verlag so nennen würde, nebenbei gesagt, es war bereits
ein Fachbegriff, der aber über weite Strecken mit dem Allerwelts-
begriff kongruent war. Besseres kann man sich für einen Fachbegriff
nicht wünschen.
Die Diskussion um die Begriffe "Expression" und "Manifestation und deren
Übersetzung rührt nur daher, dass das FRBR-Modell eine m.E. überflüssige Ebene
für das eingeführt hat, was wir seit eh und je als Ausgabe bezeichnet haben.
Die Unterscheidung der verschiedenen Ausgaben eines Werkes wurde bezüglich der
"Expressions" über den Einheitssachtitel vorgenommen, bezüglich der
"Manifestations" über den Erscheinungsvermerk und die physische Beschreibung. Das hat
eigentlich gereicht. Da wir nun aber wohl nicht darum herum kommen, die
neuen Begriffe als Opfer auf dem Altar der Internationalität zu übernehmen, geht
es darum, möglichst treffende und allgemein verständliche deutsche Begriffe
dafür zu finden.
Ich bekenne, dass ich es war, der bei der Übersetzung des "Statement of
International Cataloguing Principles" auf die deutschen Begriffe "Fassung" und
"Erscheinungsform" gedrungen hat. Auf diese Begriffe hatte sich die von Charles
Croissant angesprochene Übersetzergruppe auf meinen Vorschlag hin in
mühsamer Diskussion geeinigt. Die schon zu mehr als der Hälfte fertige deutsche
Übersetzung der FRBR konnte wegen eines Urheberrechtsstreites nicht zu Ende
geführt werden. Die Rechte an der Übersetzung hat nun die Deutsche
Nationalbibliothek.
Das Vorkommen des Begriffs "Fassung" auch in der Literaturwissenschaft zeigt
m.E., dass der Begriff eben weit verbreitet ist und selbstverständlich nicht
in jedem Fach die gleiche Bedeutung hat. Diese meine Auffassung wird
bestätigt, wenn ich den Begriff im "Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache des
20. Jh." (DWDS _http://www.dwds.de/_ (http://www.dwds.de/) ) betrachte. Dort
werden fünf Bedeutungen und 29 Hinweise auf Zusammensetzungen und andere
Begriffe, in denen das Wort vorkommt, angegeben. Die dritte, für unseren
Zusammenhang interessante Bedeutung wird so erklärt:
3. Wortlaut und Form, in bestimmter Weise ausgearbeitete Gestaltung eines
künstlerischen oder wissenschaftlichen Werkes: die erste, ursprüngliche,
endgültige, autorisierte F. eines Romans; die verschiedenen Fassungen eines Dramas,
Gedichts; ich kenne das Schauspiel nur in der letzten F.; dieses Lehrbuch
liegt in verkürzter F. vor; der (italienische) Film läuft in deutscher F.; das
Gesetz hat eine klare, präzise F. (ist klar, präzis formuliert); das Gesetz
in seiner genauen F. kennen; die Mitglieder der gesetzgebenden Körperschaft
waren gute Psychologen und hatten dem Beschluß eine milde Fassung gegeben
Feuchtw. Söhne 305; diese F. der Aussage ist nicht authentisch; Version: man
hörte das Gerücht in den verschiedensten Fassungen
Erstaunlicherweise spielt das Wort "Fassung" in den Nachschlagewerken zur
Musik keine Rolle. Eigene Artikel für den Begriff Fassung gibt es weder in der
"Musik in Geschichte und Gegenwart" (MGG. Von mir benutzt: CD-ROM-Ausgabe.)
noch im Brockhaus-Riemann-Musiklexikon (Von mir benutzt: CD-ROM-Ausgabe.) Der
Sachverhalt wird dort jeweils im Artikel "Bearbeitung" erwähnt. Dass als
"Arrangement" nur eine "Bearbeitung von fremder Hand" gilt, kann in diesen
Nachschlagewerken nicht belegt werden. MGG hat gar keinen Artikel unter
"Arrangement", Brockhaus-Riemann sagt: "Arrangement [arãz'mã, frz.; e'reindzment,
engl.], Einrichtung eines Musikstücks für eine andere Besetzung als die urspr.
(z.B. Klavierauszug). ..."
Was sagt nun das DWDS zum Begriff Realisation?
(http://www.dwds.de/?woerterbuch=1&qu=realisieren) realisi̱e̱ren,
realisierte, hat realisiert〈lat.〉
1. etw. verwirklichen, in die Tat umsetzen: e. Plan, Beschluß, den Vertrag
r.; in der Landwirtschaft ist die neue Technik realisiert worden; das Projekt
konnte in kürzester Zeit realisiert werden
2. Neubedeut. etw. erkennen, sich etw. bewußt machen, sich einer Sache
bewußt werden: [die Röntgenstrahlen] bargen heilende und zerstörende Kräfte
zugleich ... deren volle Gefährlichkeit man erst in neuester Zeit in vollem Umfange
realisiert hat Tageszeitung 1958; er brauchte eine geraume Zeit, bis er
realisierte, in welcher Gefahr er geschwebt hatte
3. Wirtsch. einen Wert, eine Ware in bares Geld umwandeln, gegen bares Geld
verkaufen: Grundbesitz, Werte r.
(http://www.dwds.de/?woerterbuch=1&qu=Realisation) zu 1 u. 3 Realisatio̱n,
die; -, -en /Pl. ungebräuchl./
Im Lichte dieser Nachschlagewerke halte ich den von Herrn Pages gemachten
Vorschlag "Realisation" nicht für geeignet. In unserer Diskussion sollten wir
viel häufiger den Sprachgebrauch in Nachschlagewerken berücksichtigen. Das ist
ja auch das Grundprinzip der RSWK.
Viel problematischer als die eben angesprochenen Begriffe ist m.E. die
Verwendung des Fremdwortes "Ressource" im Sinne von "Veröffentlichung" oder
"Dokument".
Als Erklärung für "Ressource" gibt der Fremdwörter-Duden an:
Res|sour|ce [' ] die; -, -n (meist Plural) <lat.-fr.>:
a) natürliches Produktionsmittel für die Wirtschaft;
b) Hilfsmittel; Hilfsquelle, Reserve; Geldmittel
Das DWDS sagt dazu:
(http://www.dwds.de/?woerterbuch=1&qu=Ressource) Resso̱u̱rce, die; -, -n
/Sg. ungebräuchl./ [.. ßụrße]〈franz.〉Mittel für die Produktion: die
natürlichen Ressourcen (die natürlichen Quellen, bes. Rohstoffvorkommen und nutzbare
Bodenfläche) eines Landes; die natürlichen Ressourcen erschließen; die
natürlichen Ressourcen Sibiriens; Nur durch die Arbeit werden die natürlichen
Ressourcen dem Menschen zugänglich Urania 1966; die zweckmäßigste, rationellste
Ausnutzung der Ressourcen; Die planmäßige Verteilung der materiellen Ressourcen
auf die einzelnen Zweige der Volkswirtschaft Einheit 1960; betriebliche
Ressourcen
Die Erklärungen zeigen, dass der Begriff in der von uns gemeinten Bedeutung
nicht existiert. Ich würde gerne das deutsche Wort "Veröffentlichung" dafür
setzen. Dem steht allerdings gegenüber, dass ja z.B. auch Handschriften, also
Unica, darunter subsumiert werden sollen. Deshalb erscheint mir der Begriff
"Dokument" als geeignet. Das Wort hat auch den Vorteil, dass es in den meisten
Sprachen verständlich ist und nicht wie Veröffentlichung überwiegend mit
Gedrucktem assoziiert wird.
Mit freundlichen Grüßen
Hans Popst
Winterstr. 41, 82223 Eichenau, Tel. 08141/70138, _Mailto_ (http://mailto/) :
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