AW: Antw: Re: [rak-list] Splits und Altlasten

Hengel-Dittrich, Christina hengel at dbf.ddb.de
Thu Feb 16 10:47:02 CET 2006


Lieber Herr Hippe,
da sich in dem Problem unterschiedliche Stränge verbergen, werde ich versuchen, sie auseinanderzudröseln:
1) Zur Aussage, die historischen Titel sind doch bereits alle (nicht differenziert) erfasst: wenn dies flächendeckend stimmt, ist dies in diesem Fall ein starkes Argument, nicht nachträglich zu differenzieren. Ich bin allerdings kein Altbestands-Spezialist und weiß aus dem Stand heraus nicht, wie bei der Retro-Katalogisierung von Alten Drucken vorgegangen wird/wurde. Der Fall "Bayern zu unterschiedlichen Zeiten" ist aber nur ein Einzelfall. Wir werden auch auf andere potentielle Split-Situationen stoßen, z.B. bei Exekutivorganen, in denen mit erheblichem zukünftigem Titelaufkommen zu rechnen ist.
2) Zu den Möglichkeiten zur retrospektiven Korrektur bei historischen Splits: eine intellektuelle händische Korrektur wäre zu aufwändig (es sei denn, es geht nur um eine Handvoll Titel, und dann wäre ein Split unsinnig). Maschinell ließe sich aber m.E. mit einem guten Match-and-Merge-Programm über Verfasserangaben, Titelfassungen, Erscheinungsjahre etc. schon einiges machen. Problem dabei: dies sind, zumindest bei Monografien, keine zentralen Korrekturen, sondern müssten im jeweiligen Titelkatalog durchgeführt werden. Hier könnten allerdings zumindest die Verfahren weitergegeben werden. 
3) Zur Situation ohne zusätzliche Splits: Würde beim Aufeinandertreffen von "Bayern differenziert" und "Bayern nicht differenziert" bei uns kein Split gemacht, so würden mehrere Körperschaftssätze auf der NACO-Seite zusammengenommen dem einen Körperschaftssatz in der GKD entsprechen, und wir müssten von unserer Seite für den Austausch einen Crosswalk zu diesem Datensatzbündel organisieren. Eine Recherche von unserer Seite würde alle K.Sätze in diesem Bündel einbeziehen, und auf die aggregierte Titelmenge treffen, die auf NACO-Seite zu den differenzierten K-Sätzen gehören; auf der GKD-Seite würde sie auf die undifferenziert dem einen GKD-Satz zugeordnete Titelmenge treffen. Nur auf dieser Aggregationsebene ist über den Normdaten-Sucheinstieg ein gegenseitiger Austausch und Recherche aus dem jeweiligen System heraus möglich.
4) Zur Situation bei Splits ohne rückwärtige Korrekturen: Würde in der GKD ein Split gemacht und vom Zeitpunkt x die Titel differenzierter zugeordnet, würde sich für den Austausch von Titeldaten vor dem Zeitpunkt x nichts verbessern, aber auch nichts verschlechtern. (Voraussetzung ist allerdings eine klare Kennzeichnung, und es sollte auch möglich sein, nach dem Zeitpunkt x für die differenzierten Sätze eine aggregierte Recherche durchzuführen.) 
5) Zu Aufwands- und Nutzenkriterien: Das Aufwandskriterium, das gegen zusätzliche Splits spricht, liegt damit weniger im Altbestand - den können wir entweder maschinell bereinigen oder wir bleiben für ihn auf dem alten Stand - sondern in der Durchführbarkeit in der laufenden Erschließung. Hier gibt es klare sachliche Grenzen - wenn z.B. eine Differenzierung so unscharf ist, dass sie nicht durchgehalten werden kann, oder wenn sie für die Recherche keinen Sinn macht - aber auch schlicht Ressourcengrenzen.  
Das Nutzenkriterium, das für zusätzliche Splits spricht, ist da stark, wo eine Differenzierung die Präzision des Zugriffs entscheidend unterstützt oder die Schnelligkeit der Recherche und Selektion (bei großen Treffermengen) entscheidend verbessert. Das Nutzenkriterium ist am Gewinn des Endnutzers festgemacht und bekommt eine neue Qualität, wenn wir die Sichtweise des Einzelkatalogs (auch des einzelnen Verbundkataloges) verlassen und die weltweit vorhandenen, für den deutschen Benutzer wissenschaftlich relevanten Kataloge/Datenbanken als Vergleichsdatenbestand betrachten. 

Beste Grüße
Christel Hengel 


-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: rak-list-bounces at lists.ddb.de [mailto:rak-list-bounces at lists.ddb.de] Im Auftrag von Ulrich Hippe
Gesendet: Mittwoch, 15. Februar 2006 10:33
An: rak-list at lists.ddb.de
Betreff: AW: Antw: Re: [rak-list] Winkelklammer und Altlasten

Liebe Frau Hengel, liebe Kolleginnen und Kollegen,

Sie schreiben: "Wird ein nachträglicher Split gemacht und können die Titel rückwärtig nicht zugeordnet werden, greift die feinere Zuordnung für die Titeldaten ab Erscheinungsjahr x." 
Ich bin mir nicht im klaren darüber, wie ich diesen Satz verstehen soll. Im ersten Teil bestätigen Sie meine Auffassung, daß nachträgliche Splits nicht per Programm, sondern nur durch intellektuelle Redaktion vorgenommen werden können, wenn - ja wenn man sich das leisten kann. Im zweiten Teil sprechen Sie von einer feineren Zuordnung mit Hilfe des Erscheinungsjahres. Denken Sie da an eine maschinelle Lösung (gäbe es eine solche, wäre das höchst erfreulich), oder ist der ganz banale Vorgang gemeint, daß der Benutzer sich aus dem großen Pool der mit dem kumulierten Normdatensatz verknüpften Titel selber mühsam heraussuchen muß, was er braucht? Das wäre allerdings kein Anlaß zum Optimismus.

Schwierigkeiten bereitet mir auch der folgende Satz: "Wenn wir uns eine etwas fernere Zukunft in einem Semantic Web vorstellen, werden Normdaten dann voraussichtlich auf unterschiedlichen Differenzierungsniveaus vorkommen, und wir werden lernen müssen, sie miteinander korrespondieren zu lassen." 
Ich kann mir zwar vorstellen, daß feiner differenzierte Ansetzungen mit einer kumulierten Ansetzung in einer Superstruktur verknüpft werden. Aber wenn ein Benutzer über eine dieser differenzierteren Ansetzungen einsteigt, würde er doch wieder nur auf den großen Pool bei der kumulierten Ansetzung umgeleitet. Seine Freude über den gezielten Zugriff wäre also bloß von kurzer Dauer. 

Am 9.2. schrieben Sie: "Das entbindet uns allerdings nicht davon, die grundsätzliche Frage zu beantworten, ob die Differenzierung nicht, zumindest für die Zukunft,  für die Recherche sinnvoll wäre, angesichts der Datenmengen, die ohne Splits zusammenkommen, und auch angesichts der durchaus unterschiedlichen Materialien, die sich aus den jeweiligen Zeiten hinter "Bayern" versammeln. Die Frage "Differenzierung ja oder nein" ist nicht nur für den jetzigen Titelbestand, sondern auch für den zukünftigen Titelbestand zu beantworten, und die Frage, wie bei einer Änderung mit dem Altbestand zu verfahren ist, dann noch einmal getrennt davon." 
Daß eine Differenzierung grundsätzlich sinnvoll wäre, habe ich nie bestritten. Jedoch stolpere ich über den Zwischensatz "zumindest für die Zukunft". Einen Schwerpunkt bei den differenzierteren Ansetzungen werden die historischen Gebietskörperschaften bilden. Deren Veröffentlichungen sind aber längst katalogisiert. Bis auf ein paar Zufallsfunde dürfte künftig nicht mehr viel hinzukommen. Nutzbringend wäre eine Differenzierung also lediglich dann, wenn man sie rückwirkend durchführen würde, womit wir aber wieder beim Ausgangspunkt unseres Dilemmas angekommen wären. 
Oder gibt es für diese Probleme doch eine EDV-Lösung, die mein laienhaftes Begriffsvermögen übersteigt, so daß wir unserer Sorgen auf wundersame Weise ledig würden?
Auf die Normdatenregelungen der RDA darf man wirklich gespannt sein. Wenn es möglich sein sollte, gewisse Schutzklauseln für einige wichtige GKD-Ansetzungen einzubringen, wie Sie am 9.2. andeuteten, wäre das sehr zu begrüßen. 

Noch ein letzter Punkt: Wir sprechen immer von Normdaten vulgo Personennamen und Körperschaftsnamen. Die ZDB ist inzwischen ja auch so etwas wie eine Normdatei geworden. Neue Regeln für Titeländerungen sind bereits im Gespräch, unabhängig von den RDA. Verfiele man auf die Idee, auch diese Regeln rückwirkend anzuwenden, wären die Folgen unausdenkbar. Es ist zu hoffen, daß wenigstens solchen Zumutungen, sollten sie eines unschönen Tages an uns herangetragen werden, vorgebaut werden kann.

Beste Grüße

Ulrich Hippe




 

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