[rak-list] Aktualisierte deutsche Uebersetzung der "Frankfurt Principles"

Bernhard Eversberg ev at biblio.tu-bs.de
Wed Feb 15 15:15:59 CET 2006


Henze, Gudrun schrieb:
> 
> Der von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des ersten IFLA Meeting of
> Experts on an International Cataloguing Code (IME-ICC) 2003 erarbeitete
> Entwurf "Statement of International Cataloguing Principles" ist auf der
> Nachfolgekonferenz 2004 in Buenos Aires diskutiert und ueberarbeitet
> worden. Der aktualisierte Entwurf (Stand September 2005) steht nun auch
> in einer aktualisierten deutschen Uebersetzung zur Verfuegung
> http://www.ddb.de/standardisierung/afs/imeicc_papers.htm.
> 
Den Prinzipien von Paris hat man vorgeworfen, einige Punkte zu vage
gelassen zu haben, so daß dann die heute bekannten und beklagten
unterschiedlichen Interpretationen zustande kamen. (Das Thema
RAK vs. AACR wäre sonst gar nicht virulent geworden.)

Gewiß war das alte "Statement" längst unzureichend, schon weil es
von den Voraussetzungen des Zettelkatalog ausging und noch kaum
etwas über Nicht-Buch-Medien zu sagen hatte. (Allerdings gibt es
ein Arbeitspapier 17: "The impact of electronics on cataloguing
rules", dessen Verfasser C.D. Gull (damals General Electric) schon
so manches kommen sah. Auswirkungen auf das "Statement" hatte dies
aber nicht.)

Hier folgen nur einige wenige Anmerkungen zu dem neuen Papier.
Im ersten Abschnitt steht:

1.
"Sie [die Prinzipien] zielen auf einen einheitlichen Ansatz für die
formale und sachliche Erschließung bibliografischer Ressourcen aller
Art."

Was sind "bibliographische Ressourcen"? Nirgends wird dies erklärt.
Üblicher Sprachgebrauch legt nahe, daß es sich um Bibliographien
handelt oder Kataloge. Offenbar meint man aber alles damit, was
katalogisiert werden kann, also auch ganz normale Bücher. Ich sitze
manchmal hier an der Auskunft. Bisher ist noch keiner gekommen, der
eine "Ressource" gesucht hätte. Soll ich da nun z.B. sagen, "die
Ressourcen zur Physik stehen im 2. OG" oder sowas?
Es bleibt dabei: "Ressource" sollte aus dem Sprachgebrauch
verschwinden, "Publikation" und das synonyme "Veröffentlichung"
reichen aus. [= Gegenstände, die einer Öffentlichkeit zugänglich
gemacht werden]
Was "Entitäten" sind, wird auch nicht aus einer Definition, sondern
nur aus dem Zusammenhang ersichtlich. Dieses Wort muß noch dringender
verschwinden. Kein Lexikon enthält die hier intendierte Bedeutung!
Damit ist der nächste Punkt ganz klar verletzt:

2.
Dann steht da ferner:
"Oberstes Prinzip für die Erarbeitung von Katalogisierungsregelwerken
soll es sein, den Bedürfnissen des Katalogbenutzers zu genügen."

"Den Katalogbenutzer" gibt es nicht. Unter dieser Leitlinie könnte man
schlichtweg alles und jedes subsumieren, was irgendeinem Bibliotheks-
benutzer jemals einfallen könnte. Das ist absurd. Allerdings wird
dann im weiteren gar nicht erkennbar, wie man diesen Anspruch denn
einlösen will - "der" Katalogbenutzer kommt gar nicht zu Wort,
seine angeblichen Bedürfnisse sind nirgends nachgewiesen. Daß er
keine rätselvolle Sprache will, davon darf man aber ausgehen.


3.
Die Ausdrücke "expression" und "manifestation" übersetzt man jetzt mit
"Fassung" (gut) und "Erscheinungsform" (nicht so gut). Es bleibt
mißlich, daß wir für die "Vorlage" (die ist mit "manifestation"
weitgehend gemeint) keinen umgangssprachlichen, intuitiv richtig
deutbaren Terminus haben. Besonders dann, wenn im laufenden Text
die Vorlage gemeint ist und "Erscheinungsform" dasteht, wird es
etwas eigenartig. Besser wäre "Version" für "manifestation" und
"vorliegende Version", wenn im Text die Vorlage gemeint ist.

4.
Unter "Aufgaben des Katalogs" steht:
"... einen Benutzer in die Lage zu versetzen,
3.1. bibliografische Ressourcen in einer (realen oder virtuellen) 
Sammlung als Resultat
einer Suche nach Merkmalen oder Beziehungen zu finden, und zwar:
3.1.1. eine einzelne Ressource
3.1.2. alle zusammengehörigen Ressourcen, die
zu demselben Werk,
derselben Fassung,
derselben Erscheinungsform gehören
alle Werke und Fassungen einer bestimmten Person, Familie oder
Körperschaft
alle Ressourcen zu einem bestimmten Thema
..."

Hier wird Unmögliches postuliert: "alle Resourcen zu einem bestimmten
Thema" sind nie und nimmer auch nur ansatzweise in einem noch so großen
und guten Katalog nachweisbar. Ich hatte gedacht, das schlüssig
begründet zu haben:
   http://www.allegro-c.de/regeln/cosarara.htm
Man müßte auch wenigstens hinzusetzen, daß sich das Statement mit der
Sacherschließung nicht primär befaßt.

Damit soll's zunächst mal genug sein. Störend ist im übrigen die
unnötig übereifrige Anwendung der sog. Rechtschreibreform.
"Bibliographisch" bleibt ja z.B. gültig, die Schreibung mit f ist noch
nicht einmal eine "Vorzugsvariante" [so etwas gibt es seit 2004 nicht
mehr].

MfG B.E.




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