[rak-list] RDA-Vortraege in Chicago
Bernhard Eversberg
ev at biblio.tu-bs.de
Thu Jun 30 10:22:19 CEST 2005
Charles Croissant schrieb:
> übers Wochenende weilte ich in Chicago, auf der Jahresversammlung der
> American Library Association (ALA). Dort wurde viel über das neue
> Nachfolge-Werk zu AACR2, also über RDA ("Resource Description and
> Access") referiert. Wie in dieser Liste schon berichtet, hat sich
> seitens des Joint Steering Committee seit Januar ein "Richtungswechsel"
> ("change of direction") vollzogen. Jetzt in Chicago wurde skizziert,
> wohin die neue Richtung gehen soll. Am Sonntag, dem 26. Juni, hörten wir
> im Lauf einer 3-einhalb-stündigen Sitzung drei ausgezeichnete Vorträge
> zu diesem Thema. Die Vortragenden waren: Barbara Tillett, Vertreterin
> der Library of Congress im Joint Steering Committee; Jennifer Bowen,
> Vertreterin der ALA im Joint Steering Committee; und John Attig
> (langjähriges Mitglied des Committee on Cataloging: Description and
> Access).
>
In der Tat hochinteressant und sehr gut gemacht, diese Präsentationen.
Nach einer ersten Durchsicht habe ich die folgenden Anmerkungen:
Mit RAK2/RFK war man bereits in einigen wichtigen Punkten auf dem Weg in
dieselbe Richtung. Die Online-Orientierung hatten wir uns längst auf die
Fahnen geschrieben. In RDA spricht man nur von Web-Orientierung, als ob
normale Online-Kataloge schon gar nicht mehr erwaehnenswert seien. Mir
scheint das ein auch von der Sache her unnötig großer Sprung nach vorn
zu sein, nicht nur weil viele ihn noch nicht mitvollziehen könnten.
Die FRBR-Orientierung ist vom Ansatz her in RAK2/RFK enthalten, obwohl
der Ansatz älter ist als FRBR. Aber FRBR ist ja selber kein neues
Konstrukt, sondern beruht auf bewährten Denkmodellen (bekanntes Papier
von P. Leboeuf), die uns schon laenge geläufig waren - nur
datenbanktechnisch neu formuliert.
Dazu gehört, was RFK "Werkbenennung" nennt und RDA jetzt "Citation":
eine griffige Benennung für ein Werk, die über den Einheitstitel
hinausgeht, um auch den Aspekt "Expression" einbeziehen zu können.
Was fehlt, ist jeder Hinweis auf ein Umdenken in puncto Mehrteilige
Veröffentlichungen: kein Ansatz für eine Abbildung von Hierarchien, oder
der Beziehung des Teils zum Ganzen ist erkennbar (obwohl FRBR dies
thematisiert). Auch das Thema Unselbständige Veröffentlichungen sucht
man vergebens, Anreicherung wird gleichfalls nicht angesprochen. Einzig
John Attig hat diese Formulierungen:
Identifying the information package
-- Boundaries and granularity
-- Hierarchical nature of web resources
-- Everything is interconnected
-- Cataloger must decide what is being described
Das zielt in die Richtung, ist aber sehr vage. Und die Entscheidung
"what is being described" kann nicht ganz allein dem Katalogisierer
ueberlassen sein! Es muß dafür katalogpolitische Richtlinien geben, die
nicht Teil der Katalogisierungsregeln sein können, die aber von den
Regeln umzusetzen sind.
Wenn man allerdings bei J. Bowen liest:
"AACR2 and RDA records will be compatible. Very little maintenance
needed for existing records"
dann schwindet natürlich die Hoffnung, daß sich z.B. in der Praxis der
Behandlung von mehrteiligem irgendetwas ändern könnte. Man fragt sich,
wie denn mit dieser Haltung wirklich große Schritte machbar sein können
oder ob nicht das Altbekannte nur in neue Schläuche abgefüllt wird.
Auch Indexierung ist insgesamt kein Thema, man findet dazu keine einzige
Bemerkung. Obwohl auch in den USA seit langem die uneinheitliche
Indexierung der OPACs ein Thema ist.
Ansätze zum Thema Codes (wozu RFK ein Kapitel vorsieht) findet man nur
hinsichtlich GMD, wo man endlich zur Einsicht gekommen ist, daß die GMD
nicht im Klartext ein Teil des Titels sein sollte. Sondern ein Code, was
sonst. Was man da gemacht hat, war von vornherein ein Fehlgriff. RFK
sagt in 25.0B1, was da zu tun ist:
"Allgemeine und spezifische Materialbenennungen sowie bestimmte
Formschlagwörter nach den Regeln für den Schlagwortkatalog (RSWK)
können aus den Codes abgeleitet werden."
Es gibt also einerseits Bewegung in die aus unserer Sicht richtigen
Richtungen, andererseits sind wir in einigen Punkten wirklich schon
weiter gewesen.
Was mich beeindruckt, ist dieses Statement von Jennifer Bowen:
"One thing we need to do in the future
is to better inform people about what the process is within the U.S.,
so that those people who ARE really interested in participating can
join the 200 people who are already participating. We need to try to
dispel the notion that this is a closed, secretive process, ..." (!!)
So etwas wuenschen wir uns hier vergebens. Sie fährt sogar noch fort:
"We talked a lot about our communication and outreach efforts, and
acknowledged that we didn’t really do a very good job of this. We were
addressing our outreach mostly to people who were already informed
about the process, which was really inadequate in this situation. (!)
We didn’t take into account people who knew very little about what we
were trying to do or why, but who nevertheless were major stakeholders.
So, to move forward, we need to
...
-- Address the feedback resulting from the current process
-- Implement a strong, organized informational campaign
-- Consult with other stakeholders (Administrators, system developers,
metadata communities national and international programs)"
In Augsburg sagte ich 2002, daß wir nur irgendwohin gelangen, wenn wir
an einem Strick ziehen. Hier gibt es nun einen neuen Strick, an dem zu
ziehen sich auch für uns lohnt - aber er sieht unserem alten nicht sehr
unähnlich. Soviel kann man wohl sagen, aber der Zeithorizont hat sich
deutlich ausgeweitet.
Abschließend schreibt Bowen:
"The ... next step is that we will be issuing a Prospectus of the
overall plan for RDA, which will be available in mid-July."
Und dieser wird dann hoffentlich nicht nur in geschlossenen Kreisen
zirkulieren...
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